1. Thessalonicher 5,14-25

1. Thessalonicher 5,14-25

14. So. n. Trinitais 2021 | 1.Thess. 5, 14-25 | von Stephan Lorenz |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Als Überschrift über den heutigen Sonntag könnte taugen, was Paulus an die Christen in Rom geschrieben hat:  Alle, die vom Geist Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes. Nur, was meint er damit konkret? Eine Antwort könnte der Predigttext geben.  Ein Abschnitt aus dem 1. Brief an die Christen in Thessaloniki.

„Liebe Brüder und Schwestern, kümmert euch um die, die keine Ordnung kennen, muntert die Ängstlichen auf, helft den Schwachen, habt Geduld mit allen. Keiner zahle Böses mit Bösem heim, versucht vielmehr immer Gutes zu tun. Dabei seid alle Zeit fröhlich. Hört nicht auf zu Beten. Dankt Gott. Das ist der Wille Gottes und er hat es durch Jesus Christus uns möglich gemacht und euch gezeigt. Lasst den Heiligen Geist nicht erlöschen. Achtet prophetische Gaben nicht gering. Prüft alles kritisch, das Gute behaltet. Vor allen Verkleidungen des Satans haltet euch fern.  Gott, der allein Heil und Frieden schenkt, lasse euch immer mehr sein Heiliges Volk und Eigentum werden. Er behüte euch ganz an eurem Innersten, am Herzen und am Leib, damit ihr ohne Tadel seid, wenn unser Herr Jesus Christus wiederkommt. Der euch ruft, ist der treue Gott. ER wird tun, was er versprochen hat.“ (alle Übersetzung: Berger/Nord)

Eine lange Liste von Ratschlägen. Wie kommt Paulus dazu, so aus Korinth zu schreiben, wo er gerade versucht eine Gemeinde aufzubauen. Thessaloniki war seine erste Gründung. Lange hatte er von ihr nichts gehört. Timotheus bringt endlich ein paar Nachrichten aus Thessaloniki. Die Freude über das Leben der Gemeinde ist groß. „Wir haben allen Grund, euretwegen Gott unaufhörlich zu danken… ihr habt gezeigt, dass die Botschaft wirklich bei euch angekommen ist.“ und: „Ihr seid unser Stolz und unsere Freude.“

Aber es gibt auch Fragen und Probleme. Die Thessalonicher hatten Paulus offenbar so verstanden, dass Christus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommt. Nun versterben die ersten, und sie fragen sich: Wie ist das mit der Wiederkunft Christi? Wie sollen wir uns das vorstellen? Die Antwort hat ja unmittelbare Auswirkungen auf unser jetziges Leben und Verhalten als Christen.

Paulus antwortet mit einer ziemlich konkreten Vorstellung. Sie entspricht einer apokalyptischen Tradition des Judentums.  „Ich will euch gerne etwas über die entschlafenen Christen sagen, damit ihr nicht so traurig sein müsst, wie die anderen Menschen, die keine Hoffnung haben.“  Wenn es soweit sei, werde der Erzengel rufen, die Posaune Gottes werde erschallen. Jesus steige vom Himmel herab, die Toten würden auferstehen. Danach würden die noch Lebenden zusammen mit Christus in den Himmel entrückt. So würden alle mit Christus vereint werden.

Das scheinen einige Gemeindemitglieder so verstanden zu haben, als stände die Wiederkunft Christi unmittelbar bevor. Deshalb muss Paulus gleich noch einen zweiten Brief hinterherschicken, indem er betont, dass vorher noch einiges geschehen werde. Vorher werde der Erzböse noch sein Unwesen, viele verwirren und zum Abfall vom wahren Gott treiben. Auch das entspricht der apokalyptischen  Tradition. Ob seine Antworten die Thessalonicher überzeugt hat, bleibt offen.

Die ersten Christen mussten jedenfalls lernen, dass die Wiederkunft Christi nicht zu ihren Lebzeiten stattfinden würde. Aus der Naherwartung wurde eine Wiederkunft Christi am Ende der Zeit. Termin unbestimmt. Parusieverzögerung nennen die Theologen das. In der ganzen Ambivalenz vielleicht klassisch ausgedrückt von Matthäus. Dort sagt Jesus:

„Amen, denen die jetzt leben, wird das alles noch widerfahren. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte nicht. Welcher Tag und welche Stunde es sein werden, das weiß nur Gott, der Vater, allein, und kein Mensch, auch die Engel und selbst der Sohn wissen es nicht.“

„Und was hat das jetzt mit uns zu tun?“ – fragen Sie sich vielleicht. Ganz erledigt ist das Thema nicht. Denn gerade haben wir im Glaubensbekenntnis gesprochen: „…. von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“  Die Wiederkunft Christi ist nicht erledigt. Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben, heißt es.

Aber: Wenn bei den ersten Christen die Verwirrung groß war, dass Christus nicht zu ihren Lebzeiten erschien, wäre unsere Verwirrung vermutlich noch größer, wenn Christus heute erschiene. Aus der unmittelbaren Naherwartung ist ein unbestimmter Tag am Ende der Geschichte geworden. Spötter nennen ihn St. Nimmerleins’s Tag. Durch die Verzögerung entsteht jedoch ein Zwischenraum, der sich auf dieses Geschehen ausrichtet. Eine Geschichte entsteht, unsere christliche. Sie bezieht ihre Dynamik durch Aufschub, Verzögerung.

Die Frage entsteht nun: Wie füllen wir Christen diesen Zwischenraum aus. Einige in Thessaloniki haben sich auf den Standpunkt gestellt: Wir sind getauft. Wir sind Heilige und Erben Gottes. Die Partie ist gelaufen, es kommt auf nichts mehr an. Dieser Haltung widerspricht Paulus vehement. Er schreibt ihnen: „Dass Gott uns berufen hat, bedeutet nicht, dass es nun auf nichts mehr ankommt, sondern er hat uns in die Heiligkeit hineingerufen, und das heißt Unterscheidung, bei der es sehr wohl auf alles ankommt.“

Das ist der Punkt, von dem her unser Predigttext seinen Sinn bekommt. Aus der Dynamik der Verzögerung entsteht christliche Ethik. Eine Haltung dem Leben, den Mitmenschen und Gott gegenüber, die den Unterschied macht:

„Kümmert euch um die, die keine Ordnung kennen, muntert die Ängstlichen auf, helft den Schwachen, habt Geduld mit allen. Keiner zahle Böses mit Bösem heim, versucht vielmehr immer Gutes zu tun. Dabei seid alle Zeit fröhlich… Prüft alles kritisch, das Gute behaltet… damit ihr ohne Tadel seid, wenn unser Herr Jesus Christus wiederkommt.“

So können wir in der Zeit des Aufschubs, im geschichtlichen Zwischenraum als Christen leben. Hier gilt: Alle, die vom Geist Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes.

Es gibt noch eine andere Antwort der ersten Christen, wie die Verzögerung der Wiederkunft gelebt werden kann. Die erste Antwort ist eine ethische, die zweite eine liturgische. Sie entsteht in der Jerusalemer Gemeinde im Abendmahl, das wir gleich feiern werden. In dieser Abendmahlsliturgie finden wir die aramäischen Worte: „Maran ata.“ Übersetzt „Unser Herr kommt“.  Die Jerusalemer Gemeinde feiert im Abendmahl mit den Deuteworten zu Brot und Wein den am Kreuz gestorbenen, von Gott auferweckten Jesus als den, der in Herrlichkeit wiederkommen wird.  Sie verkündet Tod und Auferstehung Jesu bis er kommt. (1. Korinther 11,26) Im Korintherbrief verbindet Paulus den liturgischen mit dem ethischen Aspekt, wenn er schreibt: Wer in unwürdiger Weise vom Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich am Leib und am Blut des Herrn schuldig.

So können wir in der Zeit der Verzögerung, im geschichtlichen Zwischenraum, der unser Leben ausmacht, als Christen leben. Mit einer Lebensführung, einer Ethik, die einen Unterschied macht, damit wir ohne Tadel sind, wenn Christus wiederkommt:   Alle, die vom Geist Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes – und indem wir im Abendmahl seinen Tod und seine Auferstehung feiern, bis er wiederkommt: „Maran ata“ – unser Herr kommt!

Gottes Heiliger Geist befestige diese Worte in euren Herzen, damit ihr das nicht nur gehört, sondern auch im Alltag erfahrt, auf dass euer Glaube zunehme und ihr endlich selig werdet, durch Jesum Christum unseren Herrn. Amen

Predigt zum 14. So. n. Trinitais 2021, gehalten in Carvoeiro, Portugal von Pastor i.R. Stephan Lorenz

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