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Trinitatis, 26. Mai 2002 Predigt über 2. Korinther 13, 11-13, verfaßt von Elisabeth Tobaben |
11. Im übrigen, liebe Brüder (und Schwestern), freut euch,
kehrt zurück zur Ordnung, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes, und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 12. Grüßt einander mit dem heiligen Kuß! Es grüßen euch alle Heiligen. 13. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Liebe Gemeinde! „Da müssen schon Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen!“ Heute nun feiern wir Trinitatis – ein Festtag, der in dieser Form nicht Nun rufen bestimmete Redewendungen, Formeln und Sätze bei den Zuhörenden ja meist ganz schnell eine eigene Assoziation hervor. Hätte ich beispielsweise vorhin meine Predigt begonnen mit: „Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren…“ hätte Sie das vermutlich etwas irritiert, vielleicht hätten Sie auch gedacht, Sie seien aus Versehen nicht in der Kirche sondern in einem Parlament oder in einer Wahlkampfveranstaltung gelandet. Bei meinem Computer kann ich das übrigens nicht. „Mit freundlichen Grüßen“ , „Mit herzlichen Glück- und Segenswünschen zu dem und dem persönlichen Fest…“ Solche uns ja auch allen vertrauten Formeln können sehr hilfreich sein und auch zeitsparend, denn man muß nicht jedesmal ganz von vorn anfangen und überlegen: Was schreibe ich denn jetzt bloß? Wie sage ich’s denn heute mal? Gelegenheiten, die so speziell und schwierig sind, dass ich neu nachdenken muß, gibt es ja schließlich genug. Für den „Normalfall“ ist meist „mit freundlichen Grüßen“ ja durchaus ausreichend, und da ist es gut, wenn ich dies (oder ähnliche Formen) in mir abgespeichert habe wie einen Textbaustein im PC und auf sie zurückgreifen kann. Mit Abschieds- und Begrüßungsworten und -wünschen habe ich gerade in der letzten Woche reichlich Erfahrungen machen können! Und dann Choräle der Posaunen, ein Transparent und wieder viele freundliche Worte zum Empfang auf der Insel – das passte! Mitunter gibt es aber auch Situationen, in denen ich das Gefühl habe: die vertraute Grußformel passt irgendwie überhaupt nicht mehr. Aber dann steht sie mal da, so wie am Schluß des 2. Korintherbriefes mit den Abschieds- und Segensworten, die der Apostel Paulus der Gemeinde schickt. Das ist schon ein recht erstaunlicher Schluß nach allem, was gewesen ist in Korinth! Es ist zwar schwer zu sagen, was eigentlich genau vorgefallen war, aber während des letzten Besuchs des Apostels in der Gemeinde hatte es heftigste Auseinandersetzungen gegeben, in deren Verlauf Paulus massiv angegriffen und ziemlich fertig gemacht worden war . Andere, fremde Prediger waren während seine Abwesenheit aufgetaucht, und scheinen die Gemeinde in eine ganz andere Richtung gedrängt zu haben. Ihr Einfluß war ungeheuer gewachsen, aber sie hielten es trotzdem für nötig und richtig, abqualifizierende, verletzende Urteile über Paulus zu fällen und Schläge „unter die Gürtellinie“ auszuteilen. Schließlich war es soweit gekommen, dass sie ihm sogar das Recht absprachen, sich Apostel nennen zu dürfen! Sie bestreiten seine Glaubens-Lehre, unterstellen ihm zu wenig Leiden und Verfolgung, und einige von ihnen scheinen sogar noch die Unverfrorenheit besessen zu haben, sich ausgerechnet Paulus gegenüber ihrer jüdischen Glaubenstradition zu rühmen. Als ob dies nicht auch seine Geschichte wäre! Heillos entsetzt über die Zustände in Korinth war Paulus abgereist, wahrscheinlich nach Ephesus, und versucht jetzt aus der Ferne mit Briefen die Lage zu entspannen und die Korinther für sich zurückzugewinnen – eine beliebte aber meist ebenso erfolglose Methode! Um was für Gegner es sich genau handelte, ist auch nicht mehr festzustellen, womöglich waren es sogar mehrere Gruppierungen, vielleicht sogar noch untereinander nicht einig oder sogar zerstritten! Man spürt dem Brief ab, dass Paulus wirklich im Innersten getroffen und tief verletzt und wütend ist, mit bissiger Ironie schlägt er zurück, läßt sich zu Erklärungen verleiten, die er eigentlich gar nicht machen möchte und beschreibt nochmals seine Lebensgeschichte… Und jetzt so ein Schluß? Eine vergleichsweise sanfte Mahnung, zu den (vertrauten) Ordnungen zurückzukehren, eines Sinnes zu sein und die Ermahnungen zu akzeptieren – und dann die Grußformel: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Warum schreibt er das? Nur weil „man das tut“, einen Brief mit einem Gruß beenden? Es gibt ja leider auch den Fall, dass Konflikte mit Bibelworten sozusagen zugekleistert werden, weil man der Auffassung ist, sie ja eigentlich nicht sein dürften in der Kirche… Den Eindruck habe ich hier bei Paulus aber nicht. Es kommt mir mehr so vor, als sei Paulus inzwischen alles losgeworden, was er schon immer mal sagen wollte, fast so, als hätte er sich richtiggehend ausgetobt. Manchmal ist das nötig, und dann geht’s auch wieder. Außerdem: dieser Brief ist nicht das letzte Wort in der Sache, Paulus hat immer noch das Ziel, eine erneute Reise nach Korinth anzutreten, um die Korinther wieder „einzunorden“, den Streit zu schlichten. Jedenfalls wird deutlich, wie wichtig ihm die Korinther sind, wieviel ihm daran liegt, sie auf den rechten Weg zurückzubringen. Sehr schön finde ich, dass er als erste Grußformel zum Schluß dieses „freut euch“ benutzt. Freut euch an allen Erfahrungen, die ihr schon machen konntet mit unserem Gott; freut euch an den vielen verschiedenen Bildern von Gott, die ihr alle mitbringt – je nach Lebenssituation, nach Glaubenserfahrung oder Lebensweisheit. Die trinitarische Formel „Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist“ wird es gewesen sein, die dazu geführt hat, dass uns dieser Text gerade am Sonntag Trinitatis zum Nachdenken vorgeschlagen ist. Und nun werden auch noch bestimmte Eigenschaften oder Handlungsweisen den unterschiedlichen „Rollen“ Gottes in der Trinität zugeordtnet: – Jesus Christus die Gnade – das leuchtet mir sofort ein, wenn ich mir ansehe, wie er etwa mit Menschen umgeht, die gescheitert sind und vor den Bruchstücken ihres Lebens stehen; – Gott dem Vater die Liebe – die Liebe zu seinen Menschen, die ihn dazu bringt, Mensch zu werden; – und dem Geist das Stichwort „Gemeinschaft“ – dem Geist, der uns bewegt und begeistert, gemeinsam unterwegs zu bleiben, damit sich Gnade und Liebe ausbreiten können in unserer Welt. Wahrscheinlich kennen Sie diese kleinen Glaskugeln, die man sich ins Fenster hängen kann, und die die dann durch viele eingeschliffene Kanten und Flächen das Sonnenlicht reflektieren und das Zimmer in bunter Regenbogenlicht tauchen. So fallen die Sätze und Formeln komplizierter Gedankengebäude wieder zurück auf die Geschichten der Bibel und auf unsere Lebenserfahrungen und tauchen beide in ein neues Licht. Wo das gelingt und ein Mensch sein Leben in der Gnade, der Liebe und der Gemeinschaft sehen kann, die von Gott kommen, fallen wirklich Weihnachten, Ostern und Pfingsten auf einen Tag. Amen.
Elisabeth Tobaben |