2. Korinther 13, 11-13

2. Korinther 13, 11-13

 

Göttinger

Predigten im Internet

hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Trinitatis, 26.

Mai 2002

Predigt über 2. Korinther 13, 11-13, verfaßt von Elisabeth

Tobaben


11. Im übrigen, liebe Brüder (und Schwestern), freut euch,

kehrt zurück zur Ordnung, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes,

und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit

euch sein.

12. Grüßt einander mit dem heiligen Kuß! Es grüßen

euch alle Heiligen.

13. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft

des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde!

„Da müssen schon Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen!“
– wenn mir etwas absolut total völlig unmöglich vorkommt, dann
beschreibe ich das schonmal mit diesem sprichwörtlich gewordenen
Satz.
Wir wissen natürlich, dass die Feste des Kirchenjahres bestimmten
Ordnungen gehorchen, dass es eine Tradition, eine Absprache gibt, nach
der eben Pfingsten immer 7 Wochen nach Ostern gefeiert wird und ein Zusammenfallen
gänzlich undenkbar ist, so undenkbar, dass man sogar die Unmöglichkeit
von andern Dingen damit unterstreichen und verstärken kann.
Nun gehören ja Ostern und Pfingsten -wie Weihnachten- zu den christlichen
Festtagen, die eng mit einer biblischen Geschichte verknüpft sind,
darauf gründen.
Auferstehung, Geistausgießung, Christi Geburt – das sind Geschichten,
an denen ist vieles noch vertraut – oder es tauchen zumindest Erinnerungen
wieder auf, wenn ein Stichwort gennant wird.
Auch wenn daran natürlich manches erklärungsbedürftig ist
oder mit vielen Fragen überfrachtet, wenigstens haben viele Menschen
noch Vorstellungen, die sie mit diesen Festen verbinden.

Heute nun feiern wir Trinitatis – ein Festtag, der in dieser Form nicht
auf ein Ereignis biblischer Zeit zurückgeht.
Trinitatis hat vielmehr komplizierte theologische Fragestellungen und
Gedankengebäude als Grundlage.
„Wie sollen wir uns Gott eigentlich vorstellen?“ Das haben natürlich
Menschen zu allen Zeit schon gefragt, aber gerade auch die ersten christlichen
Gemeinden sahen sich noch einmal neu dieser Frage ausgesetzt.
„Wie unterscheidet ihr euch denn von den jüdischen Gemeinden?“
wurden sie gefragt, „Was zeichnet euren neuen Glauben aus?“
Die Frage ließ sie nicht los, und auch jede und jeder von uns steht
immer wieder vor der Auseinandersetzung damit.
Konzilien haben durch die Kirchengeschichte darum gestritten und gerungen,
wie man denn diesen Glauben so ausdrücken könne, dass er auch
als gemeinsame Aussage vertretbar wäre, als Glaubensbekenntnis, das
alle mitsprechen können.
Zu einer der frühesten Formeln, mit der christliche Gottesvorstellung
ausgedrückt wurde, gehört die von Gott als Vater, Sohn und Heiligem
Geist.
Wahrscheinlich kommt sie einfach aus der Praxis der Gottesdienste, bei
der Taufe taucht sie schon in neutestamentlicher Zeit auf.
DerTäufling wurde darauf verpflichtet, nach seinem Glauben gefragt
an Gott als Vater und Schöpfer, an Jesus Christus als den Sohn und
die bewegende Kraft des Geistes.
Und bis heute feiern wir ja unsere Gottesdienste im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Nun rufen bestimmete Redewendungen, Formeln und Sätze bei den Zuhörenden

ja meist ganz schnell eine eigene Assoziation hervor.

Hätte ich beispielsweise vorhin meine Predigt begonnen mit: „Sehr

verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren…“ hätte

Sie das vermutlich etwas irritiert, vielleicht hätten Sie auch gedacht,

Sie seien aus Versehen nicht in der Kirche sondern in einem Parlament

oder in einer Wahlkampfveranstaltung gelandet.
Es ist ganz praktisch, finde ich, wenn man von einem gewissen gemeinsamen
Kenntnisstand diesbezüglich ausgehen kann, z.B. davon, dass die Leute
bei „Liebe Gemeinde“ auch wirklich mit einer Predigt rechnen
und ich damit nicht erstmal Irritation auslöse.

Bei meinem Computer kann ich das übrigens nicht.
Jedesmal wenn ich schreibe „liebe Gemeinde“ erscheint ein Kästchen,
in dem er mich freundlich hinweist: „Offenbar möchten Sie einen
Brief schreiben, Hilfe dazu finden Sie unter…“ und wenn man sich
dann weiter durchklickt, kommt man nach vielen Hilfsformulierungen und
Textvorschlägen irgendwann schließlich zu den Briefabschluß-
und Abschiedsformen und -floskeln.

„Mit freundlichen Grüßen“ , „Mit herzlichen

Glück- und Segenswünschen zu dem und dem persönlichen Fest…“

Solche uns ja auch allen vertrauten Formeln können sehr hilfreich

sein und auch zeitsparend, denn man muß nicht jedesmal ganz von

vorn anfangen und überlegen: Was schreibe ich denn jetzt bloß?

Wie sage ich’s denn heute mal?

Gelegenheiten, die so speziell und schwierig sind, dass ich neu nachdenken

muß, gibt es ja schließlich genug.

Für den „Normalfall“ ist meist „mit freundlichen Grüßen“

ja durchaus ausreichend, und da ist es gut, wenn ich dies (oder ähnliche

Formen) in mir abgespeichert habe wie einen Textbaustein im PC und auf

sie zurückgreifen kann.

Mit Abschieds- und Begrüßungsworten und -wünschen habe

ich gerade in der letzten Woche reichlich Erfahrungen machen können!
„Machs gut“, „Vergiß uns nicht ganz“, „Gottes
Segen“, „Komm mal wieder vorbei…“ die Segensworte im
letzten Gottesienst in der alten Gemeinde –

Und dann Choräle der Posaunen, ein Transparent und wieder viele freundliche

Worte zum Empfang auf der Insel – das passte!

Mitunter gibt es aber auch Situationen, in denen ich das Gefühl habe:

die vertraute Grußformel passt irgendwie überhaupt nicht mehr.

Aber dann steht sie mal da, so wie am Schluß des 2. Korintherbriefes

mit den Abschieds- und Segensworten, die der Apostel Paulus der Gemeinde

schickt.

Das ist schon ein recht erstaunlicher Schluß nach allem, was gewesen

ist in Korinth!

Es ist zwar schwer zu sagen, was eigentlich genau vorgefallen war, aber

während des letzten Besuchs des Apostels in der Gemeinde hatte es

heftigste Auseinandersetzungen gegeben, in deren Verlauf Paulus massiv

angegriffen und ziemlich fertig gemacht worden war .

Andere, fremde Prediger waren während seine Abwesenheit aufgetaucht,

und scheinen die Gemeinde in eine ganz andere Richtung gedrängt zu

haben.

Ihr Einfluß war ungeheuer gewachsen, aber sie hielten es trotzdem

für nötig und richtig, abqualifizierende, verletzende Urteile

über Paulus zu fällen und Schläge „unter die Gürtellinie“

auszuteilen.

Schließlich war es soweit gekommen, dass sie ihm sogar das Recht

absprachen, sich Apostel nennen zu dürfen!

Sie bestreiten seine Glaubens-Lehre, unterstellen ihm zu wenig Leiden

und Verfolgung, und einige von ihnen scheinen sogar noch die Unverfrorenheit

besessen zu haben, sich ausgerechnet Paulus gegenüber ihrer jüdischen

Glaubenstradition zu rühmen.

Als ob dies nicht auch seine Geschichte wäre!

Heillos entsetzt über die Zustände in Korinth war Paulus abgereist,

wahrscheinlich nach Ephesus, und versucht jetzt aus der Ferne mit Briefen

die Lage zu entspannen und die Korinther für sich zurückzugewinnen

– eine beliebte aber meist ebenso erfolglose Methode!

Um was für Gegner es sich genau handelte, ist auch nicht mehr festzustellen,

womöglich waren es sogar mehrere Gruppierungen, vielleicht sogar

noch untereinander nicht einig oder sogar zerstritten!

Man spürt dem Brief ab, dass Paulus wirklich im Innersten getroffen

und tief verletzt und wütend ist, mit bissiger Ironie schlägt

er zurück, läßt sich zu Erklärungen verleiten, die

er eigentlich gar nicht machen möchte und beschreibt nochmals seine

Lebensgeschichte…

Und jetzt so ein Schluß?

Eine vergleichsweise sanfte Mahnung, zu den (vertrauten) Ordnungen zurückzukehren,

eines Sinnes zu sein und die Ermahnungen zu akzeptieren – und dann die

Grußformel: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe

Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“

Warum schreibt er das? Nur weil „man das tut“, einen Brief mit

einem Gruß beenden?

Es gibt ja leider auch den Fall, dass Konflikte mit Bibelworten sozusagen

zugekleistert werden, weil man der Auffassung ist, sie ja eigentlich nicht

sein dürften in der Kirche…

Den Eindruck habe ich hier bei Paulus aber nicht.

Es kommt mir mehr so vor, als sei Paulus inzwischen alles losgeworden,

was er schon immer mal sagen wollte, fast so, als hätte er sich richtiggehend

ausgetobt.

Manchmal ist das nötig, und dann geht’s auch wieder.

Außerdem: dieser Brief ist nicht das letzte Wort in der Sache, Paulus

hat immer noch das Ziel, eine erneute Reise nach Korinth anzutreten, um

die Korinther wieder „einzunorden“, den Streit zu schlichten.

Jedenfalls wird deutlich, wie wichtig ihm die Korinther sind, wieviel

ihm daran liegt, sie auf den rechten Weg zurückzubringen.

Sehr schön finde ich, dass er als erste Grußformel zum Schluß

dieses „freut euch“ benutzt.

Freut euch an allen Erfahrungen, die ihr schon machen konntet mit unserem

Gott; freut euch an den vielen verschiedenen Bildern von Gott, die ihr

alle mitbringt – je nach Lebenssituation, nach Glaubenserfahrung oder

Lebensweisheit.

Die trinitarische Formel „Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist“

wird es gewesen sein, die dazu geführt hat, dass uns dieser Text

gerade am Sonntag Trinitatis zum Nachdenken vorgeschlagen ist.

Und nun werden auch noch bestimmte Eigenschaften oder Handlungsweisen

den unterschiedlichen „Rollen“ Gottes in der Trinität zugeordtnet:

– Jesus Christus die Gnade – das leuchtet mir sofort ein, wenn ich mir

ansehe, wie er etwa mit Menschen umgeht, die gescheitert sind und vor

den Bruchstücken ihres Lebens stehen;

– Gott dem Vater die Liebe – die Liebe zu seinen Menschen, die ihn dazu

bringt, Mensch zu werden;

– und dem Geist das Stichwort „Gemeinschaft“ – dem Geist, der

uns bewegt und begeistert, gemeinsam unterwegs zu bleiben, damit sich

Gnade und Liebe ausbreiten können in unserer Welt.

Wahrscheinlich kennen Sie diese kleinen Glaskugeln, die man sich ins Fenster

hängen kann, und die die dann durch viele eingeschliffene Kanten

und Flächen das Sonnenlicht reflektieren und das Zimmer in bunter

Regenbogenlicht tauchen.

So fallen die Sätze und Formeln komplizierter Gedankengebäude

wieder zurück auf die Geschichten der Bibel und auf unsere Lebenserfahrungen

und tauchen beide in ein neues Licht.

Wo das gelingt und ein Mensch sein Leben in der Gnade, der Liebe und der

Gemeinschaft sehen kann, die von Gott kommen, fallen wirklich Weihnachten,

Ostern und Pfingsten auf einen Tag.

Amen.

 

 

 

 

 

 

Elisabeth Tobaben
Ev.Luth.Inselkirchengemeinde
Wilhelmstr.42, 26571 JUIST
tel 04935-9109-10 fax-42
E-Mail elija@t-online.de

 

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