2. Thessalonicher 3, 1-5

2. Thessalonicher 3, 1-5

 

Göttinger

Predigten im Internet

hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


5. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juni 2002
Predigt über 2. Thessalonicher 3, 1-5, verfaßt von Gottfried
Sprondel


„Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des
Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch und dass wir erlöst
werden von den falschen und bösen Menschen. Denn der Glaube ist nicht
jedermanns Ding.
Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem
Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr
tut und tun werdet, was wir gebieten. Der Herr aber richte eure Herzen
aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi!“
( 2. Thessalonicher 3, 1-5 )

 

 

Seit es Christen in der Welt gibt, quälen sie sich mit einer Frage
herum, die andere Leute nicht haben, die sie selber auch nicht hätten,
wären sie nicht Christen. Sie lautet: wo stehen wir eigentlich mit
unserem Glauben, so wie wir heute sind, in der großen Geschichte
der Welt, der Religion, der Entwicklung? Ganz am Anfang, mitten im Gang
der Dinge nach vorn und oben, oder schon am Abend, wo die Schatten länger
werden, die Gewissheiten schwächer, die Hoffnungen müder? Der
Grund für dieses Fragen ist ein ganz einfacher: Der Glaube der Christen
sagt ihnen: mit ihrem Herrn Jesus Christus habe etwas Neues begonnen,
sogar eine neue Schöpfung, und sie drängt auf ein Ziel zu; er
wird wiederkommen und die Welt vollenden, die sich jetzt noch so mühsam
und widersprüchlich dahinschleppt. Irgendwo auf dieser Linie sind
wir selber, aber wo? Geht es wirklich voran mit uns oder stehen wir stärker
unter dem Eindruck: es wird alles weniger und ist vielleicht nur noch
eine Frage der Zeit, bis es zu Ende ist?

Die kleine Gemeinde in Saloniki muss solche Fragen bei sich bewegt haben,
als sie eines Tages einen Brief bekam, aus dem wir einen wichtigen Abschnitt
vernommen haben. Dabei sind wir erst in der zweiten Generation der Gemeindegeschichte.
Anfang und Ursprung sind noch lebhaft in Erinnerung als die Botschaft
der Apostel sie erreicht hatte. Da war es begeisternd zugegangen, Schuppen
waren ihnen von den Augen gefallen, auf einmal war alles klar, und sie
würden es noch miterleben, dass der gekreuzigte und auferstandene
Herr Christus, der von Gott gekommen und zu Gott zurückgekehrt war,
vor aller Menschen Augen die Herrschaft über die ganze Welt antreten
würde.

Aber was war gekommen? Der mühsame Alltag einer kleinen Gemeinde,
die von ihrer Umgebung kaum wahrgenommen wird und selber mit sich einen
Haufen von Problemen hat.

Kurz: das, was wir heute immer noch kennen, etwa 60 Generationen weiter
und an einer ganz anderen Ecke Europas.

Wie hält man das durch? Hält man es überhaupt durch? Spricht
nicht alles dagegen? Oder geht es nur, indem man lauter Abstriche macht
und sich eben auf kleine Verhältnisse einrichtet, weil man nun doch
dazugehört und nicht ganz von der Fahne gehen möchte? Neulich
sagte mir ein nachdenklicher Mitchrist: der Haupteinwand gegen meinen
Glauben ist die Tatsache, dass neben mir Menschen leben, die ohne einen
Funken Glauben auskommen, durch ihre Lebenszeit marschieren und dennoch
angenehme Zeitgenossen sind. Soll ich allen Ernstes annehmen, dass sie
für immer verloren sind?

„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“, steht auch in dem Brief
nach Saloniki. Müsste er das nicht eigentlich?

*

Das Fragen der Gemeindeglieder von Saloniki hat freilich einen großen
Fehler, der ihm ausgeredet werden muss. Es fragt viel zu sehr nach sich
selbst, ist sich selbst interessant und deshalb auch leicht aus dem Takt
zu bringen. Unsere Briefstelle stellt uns vor, wie man sich davon freimacht.
Sie hat alles vor Augen, was den Menschen Unruhe macht. Sie weiß
von den „falschen und bösen Menschen“, die sich querlegen,
von den Hundehaaren, die immer wieder in die gute Botschaft gehackt werden.
Immer sind es Menschen, auf die man dabei stößt, damals wie
heute.

Aber dieser Befund – wo gilt er eigentlich nicht? – ist gar nicht wichtig.
Wichtig ist, dass „das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie
bei euch“. Die gute Nachricht von Christus hat Beine, und manchmal
muß man ihr Beine machen, dass sie läuft. Aber nicht mit der
Peitsche, auch nicht mit Trainingsprogrammen, sondern mit Beten. Wer betet,
sieht von sich selbst weg, ja kann sogar fünf gerade sein lassen,
was ihn sonst nervös macht.

Aber kann ein Wort laufen? Von wo läuft es? Schlicht von Mund zu
Mund. Ist es nicht ein Wunder, dass gar nicht nur die zweite Generation
von Saloniki, sondern jede neue Generation in der Kirche das Wort am Laufen
hält, dass immer wieder Menschen da sind, die es annehmen und weitertragen,
oft genug trotz unserer selbst, oft genug auf seltsame und ungewohnte
Weise, ja manchmal auch so, dass sie einfach hinweggehen über unsere
altgewordenen Probleme und Problemchen und ihre eigene Straße ziehen.
Das ist so, und dass es gut geht, muß nicht unsere Sorge sein. „Der
Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen“.
Das heißt doch: es ist längst gesorgt dafür, dass es weitergeht
und wir nicht auf verlorenem Posten stehen. Die Treue, die alles hält
und voranbringt, ist anderswo verankert als in unseren Worten und Befürchtungen.
Unsere Treue ist etwas ganz anderes: ruhig und gelassen weitergehen auf
dem Stück Leben, das wir noch haben, uns keine Sorgen machen, die
nicht unsere Sache sind, uns nur von Zeit zu Zeit den Kurs korrigieren
lassen, wenn wir ihn zu verlieren drohen, „unsere Herzen ausrichten
lassen auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi“, um es mit
unserem Brief zu sagen. Das ist schon Arbeit genug.

Dann wird uns auch die Frage, an welchem Punkt unser Glaube und unsere
Kirche sich gerade befindet auf der Straße der Geschichte, unwichtig
werden. Wo Treue des Herrn an den Platz unserer Sorgen gerückt ist,
sind wir diese Sorgen los.

Landessuperintendent i.R. Dr. Gottfried Sprondel
An der Wiho Kirche 1
49078 Osnabrück
Tel.: 0541 – 445871 Fax: 0541 – 46555

 

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