2. Korinther 4, 3 – 6

2. Korinther 4, 3 – 6

Gottes Verheißung und Verweis | Epiphanias | 6. 1. 2023 | 2 Kor 4, 3 – 6 | Michael Plathow |

I

Noch ganz im Licht von Weihnachten leben wir „post Christum natum“: Gott wurde Mensch, Gottes „Äonenwende“ in politischen Zeitenwenden. „Das ewig´Licht geht da herein“. Ökumenisch-weltweit, die Zukunft Gottes in unsere Zeiten. Denn „so spricht Gott“; Gottes Verheißung und Verweis, Gottes An- und Durchsage ist es: Gott, der am Beginn der Schöpfung das Licht in der Chaosfinsternis aufleuchten ließ, der hat in unser Herz Strahlen seines neuschaffenden Geistes gesandt, damit durch diese Aufklarung der Glanz Gottes in Jesus Christus angesichtig und ansichtig wird in unserem Leben. Denn „von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade“ (Joh 1, 16). Einer meiner biblischen Lieblingsverse ist es. Und auf ihn antwortet der Choral des Weihnachtsoratoriums, Teil V, zum Epiphaniasfest: „Dein Glanz all Finsternis verzehrt, die trübe Nacht in Licht verkehrt“. Anfang. Mitte und Ende durchglänzt der Schein dieses Lichtes.

Gottes Verweis ist es, die Sehnsucht von uns Menschen unbedingt angehend und uns zugleich unverfügbar. Durch den Apostel Paulus richtet Gott diese Verheißung – wie an die Gemeinde in Korinth – so an uns, die Gemeinde in Heidelberg.

Liebe Gemeinde, eine Erzählung, eine Narration hören wir von der an Lichtmetaphern reichen Offenbarung der Liebe des dreieinen Gottes; Licht und Leben, das allem Finsteren in Schöpfung und Menschheit vorausgeht, breitet sich aus. Und wir sind hineingenommen in Gottes Zusage und Tun. Evangelium wird verkündigt von dem, der sagt: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 12, 46).

Es eröffnet, wie es da heiß, die „Wahrheit“ Gottes, die sich bewahrheitende und freimachende Wahrheit in Jesus Christus, Ebenbild Gottes und Bestimmung des Menschen. Als Gottes Verheißung, die wirkt, was sie sagt, und sagt, was sie wirkt, wird es von Paulus verkündigt, um, wie in Korinth, so in unseren Herzen als „Gnadenstrahl“ epiphan zu werden und Licht zu entzünden, das Licht des Glaubens. Nicht der Mensch ist es, der aus sich diese Wahrheit findet, vielmehr findet sie den, der sich finden lässt und glaubt. So der Literaturwissenschaftler Georg Kaiser, wenn er schreibt: „Wonach ich mich denkend ausstrecke, ist die Wahrheit des Christentums“, die ich nicht selbst finde, „aber glaubt“[1].

Paulus sprich hier von „Erleuchtung, photismos“: das Licht fällt ins Auge, öffnet den Blick, ein Flammenwurf, ein „springender Punkt“, ein Lichtblick. Das Licht bildet sich ein in Herz und Gewissen, klärt auf, erschließt Sinn. Es erweist sich als Sehen, weil schon gesehen und ersehen, als Erkennen, weil erkannt, als Erfahren, weil widerfahren, als mein Glauben, weil mir geglaubt wird.  Und von Gott angesehen, beten wir als Geschwister mit dem zu Gott, der ihn, den Vater, „Abba“ nennt. Ebenbild Gottes ist er. Sein „Bild soll in unser Herz dringen“, wie Luther einmal sagt. Und „in seinem Licht sehen wir das Licht“ (Ps 36, 10). Sein aufklarendes und aufklärendes Licht wird epiphan hier und jetzt, weltweit und zugleich konkret.

II

Liebe Gemeinde, der Apostel Paulus ist bedrückt, niedergeschlagen von dem, was er in der Korinthischen Gemeinde wahrnimmt: diese fühlt sich wie in einem Lichtkegel, in dem sie selbst mehr als andere blinkt und glitzert. Paulus, im Brief, predigt. Er prüft, er unterscheidet. Nicht spalten will er.

Paulus verkündigt das aufdeckend-kritische und das erhellend-schöpferische Licht des Wortes Gottes. Seine Botschaft fand wenig Resonanz. Das Licht des Evangeliums verdämmerte, wurde trüb und matt. Das Evangelium von Krippe und Kreuz erschien zu unattraktiv. Verblendet durch sich selbst, war man sich selbst genug. Mit seiner Predigt deckt Paulus auf, er unterscheidet das unverfügbare Licht von den gemachten Lichtern, die Gottes Licht zu zersetzen drohen.

Paulus bietet damit keine einfache, gar vereinfachende Lösung an für die Unklarheiten, für die Dilemmata und für all das zwielichtige Durcheinander.

Der Apostel verkündet das Licht, Liebe und Leben wirkende Heil des dreieinen Gottes in Jesus Christus: Er verkündet es frei und öffentlich als „Licht vom Angesicht Jesu Christi“; „der von Gott gemacht ist uns zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“ (1 Kor 1, 30).

Paulus Botschaft spricht am Epiphaniasfest zu uns, wenn wir sie zu uns sprechen lassen. Manche Vernebelung, Verschattung, Verfinsterung auch hier. Gottes Verheißung für die gute, ökologisch zu bewahrende Schöpfung, findet durch unseren Lebensstil oft taube Ohren. Der Schein des weihnachtlichen Lichtes wird nicht selten überschattet durch Anderes, scheinbar Nützlicheres, das, weil plausibler, heller blinkt, auch blendet und verblendet. Wir Menschen konstruieren unsere eigene Realität, die Gottes Wirklichkeit vergessen lässt, sein Licht verdüstert, so dass Menschen – wie Jesaja prophezeite – aus Licht Finsternis machen und aus Finsternis Licht; und es finster wird „vor Angst“ und Sorge (Jes 5, 20, 30) gleich einer „Gottesfinsternis“.

Gott wird im Alltag vergessen, Christus verschämt verdrängt, der persönliche Glauben verschwiegen. Der US-amerikanische Völkerrechtler jüdischen Glaubens nannte einmal die Menschen in Europa „christliche Marranen“[2]; sie ziehen ihre Vorhänge zu „aus ihrer eigener Verlegenheit heraus“.

Verdunstend oder austrocknend, kleingläubig oder gleichgültig sinkt der Grundwasserspiegel des Glaubens: die Zuversicht, dass Gottes Wort gegenwärtig wirkt, dass Gott wirklich da ist und seine Liebe sich als Lebenselexier erweist, dass das Licht in die Finsternis scheint und es licht wird heute.

Aber, liebe Gemeinde des Epiphaniasfestes, da ist Paulus´ „So spricht Gott“, Gottes Verheißung. Auf sein Wort hin, das sagt, was es tut, und tut, was es sagt, dürfen wir – bei all unseren Fragen und Anfragen, Klagen und Anklagen – vertrauen und gewiss sein: das Licht des Lebens und der Liebe Gottes scheint trotz menschlicher Trübungen gegen die Finsternisse in unsere Welt. Das Licht des schöpferischen Anfangs und die Wiederkehr des Glanzes ist da, Licht „nicht unter dem Scheffel“ versteckt, sondern Licht auf dem Leuchter.

Da ist Glut unter Asche, lebenswirklich und lebensdienlich, weil Glaube und Leben zusammengehören. Da sind alltägliche Erlebnisse und Erfahrungen, die das Licht vom Angesicht Jesu Christi epiphan machen. Da ist die flackernde Kerze, die Finsternis verzehrt, schimmernd selbst auf zerbrochenen Scherben. Spuren des Lichts, oft Spurenelemente. Kein bloß verglimmender Docht.

Da schreibt ein Konfirmand in sein kleines Neues Testament, das ihm die Oma zu Weihnachten geschenkt hat: „Jesus Christus – mein Herr“.

Da bekennt in der Moderation des Eröffnungsgottesdienstes der letzten EKD-Synode in Magdeburg ein Richter persönlich: vor weitreichender Entscheidung im komplizierten Strafprozess bete ich.

Da geht – bei all den kirchlichen Veränderungen – Gemeindeältesten das Licht auf, dass wir in der Kirche Jesu Christi mehr Empfangende als Agierende sind.

Da leuchtet als Lichtblick der christlichen Gemeinde auf, dass das Gebot, die Schöpfung zu bewahren, vielerorts und notwendender Weiser immer kreativer gefolgt wird, dass Flüchtlinge aus der Ukraine konkret und direkt ein vorübergehendes Zuhause bekommen, dass Mutbürger des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats sich mehr und mehr wehren gegen Hassreden, Verschwörungstheorien, gewaltsamen Umsturzplänen für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

So scheint das Licht des Wortes Gottes auf unseren Wegen, erhellt, findet Widerschein und Resonanz.

III

Liebe Gemeinde, Paulus´ Herz schlägt für Jesus Christus. Die Erfahrung bei Damaskus ließ ihm die eigene Finsternis „wie Schuppen von den Augen fallen“ (Apg 9, 18). Angesehen und ersehen, wurde er sehend und wurde gesandt. Keine imposante Lichtgestalt war er, kein Star mit glänzenden Events.

Aber hineingenommen wurde er in die Ansage der Liebesgeschichte des dreieinen Gottes in und mit der Welt.

Die Verheißung Gottes vom Licht in der Chaosfinsternis als das Heil für Menschen und Schöpfung, für die ganze Welt und universale Schöpfung prophezeit Paulus. Das empfangene Evangelium gibt er weiter um Christi willen.  Frei und öffentlich bezeugt er, entflammt, die erhellenden, auch brennend-sengenden Strahlen des Wortes Gottes. Er predigt Gottes Liebe zugunsten der Menschen gegen Verdunklungen und Verblendungen, gegen die Götter der Zeit und gegen all die Verstrickungen in Hybris und Gier, in Ungerechtigkeit und Schuld: „Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben“.

Gott sieht unsere Welt, Gott sieht uns, Gott sieht mich; „Du bist ein Gott, der mich sieht (Gen 16, 13) und wir erkennen dich im Angesicht Jesu Christi und in den Gesichtern unserer Mitmenschen in Leid und Glück.

In der „Freiheit eines Christenmenschen“ gibt Paulus das Wort von der Wiederkehr des Glanzes in der Welt weiter. Ein freier Mensch, ja, Herr ist er über alle Dinge, die als Sorge und Angst unfrei machen wollen. In den freien Dienst stellt er sich, sich selbst in Liebe zurücknehmend um Christi und der Gemeinde willen. Mit Christus lebt er durch den Glauben, mit dem Nächsten durch die Liebe; und bleibt in Gottes Liebe.

Und es geschieht, dass die Gemeinde und Kirche einen weiten Raum eröffnet, in dem die Hoffnung der Menschen auf das Kommen Gottes die Herzen bewegt und gelebter Glaube als Fackel der Liebe die Welt verändert.

Denn da ist Gottes Verweis und Gottes Verheißung, „Licht auf dem Weg“, wie die Arie des Weihnachtsevangeliums, Teil V, zu Epiphanias singt: „Dein Wort soll mir die hellste Kerze in allen meinen Werken sein“.

Liebe Gemeinde, da ist das Geschenk der Taufe – und man „sieht´s am Leben der Getauften, was sie von der Taufe halten“. Und da wird die Feier des Abendmahls gelebt– erkennbar wird´s auch im „vernünftigen Gottesdienst“ des Alltags.

Christsein und Christwerden wird so licht mit dem Epiphaniasfest.

Darum antworten auch wir leise oder laut, in Gemeinde und Ökumene: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Vor wem sollte ich mich fürchten!“ (Ps 27, 1). Denn „die Finsternis vergeht, das wahre Licht scheint schon“ (1 Joh 2, 8b), so der heutige Tagesspruch. Resonanz ist er auf die An- und Zusage an Epiphanias: „Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass die Erleuchtung, photismos, entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit und Wahrheit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi“ und wir „im Schein dieses Lichts“ (Eph 5, 9) leben, reden, denken, entscheiden, handeln.  Amen


[1]Georg Kaiser, Kann man nach der Wahrheit des Christentums fragen ?, in: ZThK 1995, 120

[2]J. H. H. Weiler, Ein christliches Europa. Erkundungsgänge, 2004, 83


Predigt in der Peterskirche in Heidelberg von Michael Plathow

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