2. Korinther 9, 6-15

2. Korinther 9, 6-15

„So wertvoll! Gottes Wort ist ein Lebensmittel.“ | Erntedankfest, 3. Oktober 2021 |Predigt zu 2. Korinther 9, 6-15 | verfasst von Uland Spahlinger |

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Der Reichtum der Gemeinde kommt von Gott (2. Kor. 9, 6-15, BasisBibel)

6 Das aber sage ich euch:»Wer spärlich sät, wird spärlich ernten.Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten.«

7 Jeder soll so viel geben, wie er sich selbst vorgenommen hat. Er soll es nicht widerwillig tun und auch nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Denn wer fröhlich gibt, den liebt Gott.

8 Gott aber hat die Macht, euch jede Gabe im Überfluss zu schenken. So habt ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles, was ihr zum Leben braucht. Und ihr habt immer noch mehr als genug, anderen reichlich Gutes zu tun.

9 So heißt es ja in der Heiligen Schrift: »Er verteilt Spenden unter den Armen. Seine Gerechtigkeit steht fest für immer.«

10 Gott gibt den Samen zum Säen und das Brot zum Essen. So wird er auch euch den Samen geben und eure Saat aufgehen lassen. Euer gerechtes Handeln lässt er Ertrag bringen.

11 Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigebig sein könnt. Und aus eurer Freigebigkeit entsteht Dankbarkeit gegenüber Gott, wenn wir eure Gaben überbringen.

12 Denn die Ausübung dieses Dienstes lindert nicht nur den Mangel, an dem die Heiligen leiden. Sie ist auch deshalb so wertvoll, weil sie große Dankbarkeit gegenüber Gott bewirkt.

13 Weil ihr euch in diesem Dienst so bewährt habt, werden sie Gott loben. Denn daran sehen sie, dass ihr euch gehorsam zu der Guten Nachricht von Christus bekennt. Und an eurer Freigebigkeit merken sie, dass ihr mit ihnen und allen Gemeinschaft haltet.

14 Und wenn sie für euch beten, werden sie das voll Sehnsucht nach euch tun. Denn sie haben erkannt, dass Gott euch in so reichem Maße seine Gnade geschenkt hat.

15 Dank sei Gott für seine Gabe, die so unbeschreiblich groß ist!

Liebe Gemeinde,

es ist schon viele Jahre her, da waren meine Familie und ich mit dem – damals – Bayerischen Missionswerk, Neuendettelsau, für vier Jahre nach Papua-Neuguinea entsandt. Missionsdienst, aber eigentlich sollte ich als mobile Fortbildungsinstanz in einem Seket – in Bayern heißt das Dekanat – die Pastoren, Evangelisten, Frauenarbeiterinnen und Gemeindeältesten in Theologie und Gemeindeleitung fit machen. Bibelkunde, Luthers Katechismus, Gottesdienst: das sollten so die Themen sein, aber auch Hilfe beim Bau stabiler Kirchengebäude oder bei der Einrichtung von Wasserversorgung für die Dörfer.

Nötig dazu war vor allem, dass wir die Sprache lernten. Nicht die Sprachen der Stämme, sondern die Umgangssprache, neumelanesisches Pidgin. Eigentlich eine sehr einfache Sprache mit vielen Wörtern aus dem Englischen, ein paar wenigen aus dem Deutschen (das deutsche Kaiserreich hatte dort einmal eine Kolonie) und aus den großen Stammessprachen. Nicht wirklich schwer, aber doch eine ganz eigene Sprachwelt.

Nur wenige Tage nach unserer Ankunft auf der Tropeninsel wurden wir in eine einmotorige Cessna gesetzt und mit unseren zwei kleinen Töchtern 30 Minuten nach Wantoat geflogen, einer alten, zu der Zeit vakanten Missionsstation mitten im Busch. Niemand dort sprach Englisch. Aber alles war gut vorbereitet: es gab einen Lehrer, Aisaia, seine Frau kümmerte sich um unsere Verpflegung und um die Mädchen. Wir lernten aus der Pidgin-Bibel und aus einem Handbuch für Dorfentwicklung; es begann morgens um 9 und ging bis abends um 17 Uhr. Aisaia war sehr genau, er gönnte uns keine Fehler. Er ging mit uns auch auf den Markt und erklärte uns Früchte und Gemüse; auch zeigte er uns seine kleine Hühnerfarm in seinem Dorf.

In sechs Wochen lernten wir die Grundzüge der Sprache, die sich für uns leicht las, weil sich die Worte wie im Deutschen schreiben. Das klang zum Beispiel so, ich lese Vers 7 aus unserem Predigttext: „7Olsem na yupela olgeta wan wan i mas tingting gut pastaim na save gut long wanem samting yupela i laik givim. Nogut wanpela man i bel hevi long givim samting, na nogut em i ting ol man i strong tumas long em i mas givim. Dispela pasin bilong givim em i no gutpela. God i save laikim man i amamas na i givim samting long laik bilong em yet.“[1] Das ist länger als das Deutsche „7 Jeder soll so viel geben, wie er sich selbst vorgenommen hat. Er soll es nicht widerwillig tun und auch nicht, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Denn wer fröhlich gibt, den liebt Gott.“ Pidgin hat weniger Vokabeln und muss daher viel umschreiben. Das muss man lernen, wir hatten sechs Wochen Zeit, danach konnten wir uns dank Aisaias und der anderen Leute Hilfe auf der Station verständigen. Und am letzten Sonntag habe ich meine erste Predigt auf Pidgin zusammengestopselt. Wird schrecklich gewesen sein. Aber die Leute haben sich gefreut. Und der seket presiden (Dekan), der den Gottesdienst leitete, sagte hinterher: „So muss es sein. Wir haben dir unsere Sprache gegeben und du hast uns Gottes Wort zurückgegeben.“ So denkt man in Neuguinea; geben und nehmen müssen immer zu einem Ausgleich kommen. Das Entscheidende aber war: Sechs Wochen Unterricht waren durch eine Predigt quasi abgegolten. Das Wort Gottes, die Predigt, war ihnen so viel wert. (Und das nicht, weil meine Predigt so gut gewesen wäre – das war sie bestimmt nicht.)

Die Verkündigung, das Wort Gottes an sich ist so wertvoll. Das haben wir vorher auch von Paulus gehört. Der Zusammenhang ist kompliziert; im Wesentlichen geht es um Folgendes: Paulus schreibt an die Korinther, vermutlich von Mazedonien aus, und bittet sie, ihn bei der Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem zu unterstützen. Bei den Jerusalemern gibt es eine große Zahl von Armen und Bedürftigen. Die Gemeinde ist allein zu schwach, diese selbst zu unterstützen.

Und nun sagt Paulus: Die Botschaft von Jesus Christus ist von Jerusalem ausgegangen. Leute wie ich haben sie von dort bis zu euch gebracht. Die beste Botschaft der Welt. Ihr habt sie empfangen und verstanden, dass Christen einander helfen. Es ist wie bei der Ernte: wer gut geerntet hat, soll dankbar gegen Gott und freigiebig gegen seinen Nächsten sein. So wird der Dank sichtbar und wirksam. Und das Wort Gottes, die Botschaft von Gottes Güte, ist es allemal wert, dass man dafür aus Dankbarkeit fröhlich gibt: „Denn wer fröhlich gibt, den liebt Gott. Gott aber hat die Macht, euch jede Gabe im Überfluss zu schenken. So habt ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles, was ihr zum Leben braucht. Und ihr habt immer noch mehr als genug, anderen reichlich Gutes zu tun. … Gott gibt den Samen zum Säen und das Brot zum Essen. So wird er auch euch den Samen geben und eure Saat aufgehen lassen. Euer gerechtes Handeln lässt er Ertrag bringen. Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigebig sein könnt“ (2. Kor. 9, 7b-8.10-11).

Das Bild, von dem Paulus ausgeht, stammt aus der Welt der Ackerbauern. Das verstand damals jeder. Lila Kühe – diesen Irrtum gab es nicht. Die Menschen wussten, worum es beim Säen und Ernte ging: um’s Überleben und um’s gute Leben. Alles nicht selbstverständlich, das wussten die Leute auch. Und deshalb: wer reichlich hat, soll teilen. Das ist Gottes Wille, damit es möglichst allen gut geht. Ein sehr aktueller Gedanke, wenn wir uns vor Augen führen, dass mit dem Getreide, das Jahr für Jahr auf der Welt geerntet wird, ALLE Menschen satt gemacht werden könnten. Ein Skandal, dass das nicht geschieht.

Zurück nun zu Paulus: gesät und geerntet hat er die Botschaft von Jesus Christus. Sie ist aufgegangen in Korinth und hat in der Gemeinde gute Frucht getragen. Das ist wertvoll, sehr, sehr wertvoll. „Und jetzt, liebe Korintherinnen und Korinther, jetzt könnt ihr etwas zurückgeben. Ihr könnt – und ihr sollt – freigiebig sein. Und das nicht nur für euch, sondern für Glaubensgeschwister, die weit weg sind und bei denen Not herrscht.“

Der Theologe Jürgen Becker beschreibt den Gedankengang des Paulus so: „Wie also die Völker an dem von Jerusalem ausgehenden Evangelium Anteil erhielten, so sollen diese nun auch den Jerusalemern an ihren Gaben Anteil geben. Paulus will also das wechselseitige Geben und Nehmen in der einen Kirche Jesu Christi betonen. Die Kollekte wird so zu einem Band der Gemeinschaft…“[2] zwischen den Gemeinden, die so weit auseinander lagen, dass sie eigentlich nichts von einander wissen konnten.

Ich habe großen Respekt vor dem Weitblick, den Paulus hier an den Tag legt. Leicht hätte er sich auf die Lösung der vielen Probleme und Bedrohungen konzentrieren können, die seine Missionstätigkeit mit sich brachte: Gefängnis und Folter, Streit in einigen seiner Gemeinden. Manche konnten ihn nicht leiden, andere hielten ihn für einen schlechten Prediger. Mit seiner Gesundheit stand es nicht zum Besten.

Viele andere hätten wahrscheinlich längst aufgegeben. Paulus nicht. Andere hätten vielleicht gesagt: In Athen kümmere ich mich um die Athener, in Ephesus um die Epheser, in Korinth um die Korinther. Paulus nicht. Für ihn ist klar: alle gehören zusammen, weil Gott, weil Christus sie zusammengeführt hat. Gott hat alle reich beschenkt mit seiner Gnade und Liebe, egal ob sie nun Juden oder andere Leute sind. Und daher gibt es eine Verpflichtung: einander zu helfen und Not zu lindern, wo Not auftritt. Gottes gute Botschaft ist das wohl wert. Es ist alles eine Frage der Gerechtigkeit – und der Dankbarkeit. Und deshalb: Gebt nicht mit mürrischem Gesicht, wenn es euch gut geht. „Denn wer fröhlich gibt, den liebt Gott. … Er wird euch so reich machen, dass ihr jederzeit freigebig sein könnt“ (Vv. 7b.11). Ihr könnt es! Deutliche Worte, liebe Gemeinde. Ihr habt die Kraft, ihr habt die Ressourcen. Lasst euch also anstecken zu teilen mit denen, die es nötig haben. So könnt ihr Gott danken für die Ernte, für die Nahrung, aber genau so für alles, was euer Leben reich macht: alle guten Gaben Gottes.

Das scheint bei den Leuten angekommen sein, denn Paulus machte sich später selbst auf den Weg, um die Kollekte persönlich nach Jerusalem zu bringen – eine lange und gefährliche Reise damals.

Angekommen ist: wir gehören zusammen. Die, denen es gut geht, sollen die unterstützen, die in Not sind. An anderer Stelle spricht Paulus vom Leib und den Gliedern, die untrennbar zusammengehören. In meiner kleinen Geschichte vom Anfang geht es um etwas ganz Vergleichbares: Ich hatte darüber zwar nicht nachgedacht, aber die Predigt war die richtige Antwort auf die Hilfsbereitschaft der Leute in Wantoat. Das habe ich aber erst im Nachhinein verstanden.

Und ich glaube auch, dass viele Menschen in unserem Land und in unseren Gemeinden sich diesen Gedanken zueigen gemacht haben: die Spendenbereitschaft für Menschen in Not ist weiterhin ungebrochen. Mit oder ohne Evangelium, aber – und davon bin ich überzeugt – dort grundgelegt.

Und wenn wir gleich Dich, Michi[3] konfirmieren, dann nehmen wir dich als Erwachsenen in diese Gemeinschaft auf, die von Jesus weiß, von Gottes Liebe und von der Kraft des Heiligen Geistes. Klingt vielleicht sehr altmodisch und theoretisch. Aber diese Gemeinschaft macht sich sichtbar. Das sind Leute, die auf einander achtgeben und einander helfen. Wir sind das. Denn wir lassen uns immer wieder erinnern: Gott meint es gut mit uns. Jeden Tag. Deshalb ist Gottes Wort so wertvoll. Deshalb feiern wir in der Gemeinschaft. Gottesdienst und Abendmahl und heute zum Beispiel Erntedank und Deine Konfirmation. Deshalb helfen wir uns gegenseitig.

Toll, dass Du für den Altar das Brot mitgebracht hast, als Bäcker, der du wirst. Du weißt, was da für Arbeit drinsteckt und dass das alles nicht von selbst kommt. Man muss es lernen und machen. Es braucht viele Kenntnisse. Es braucht das Material, das Du verarbeiten kannst. Und es braucht das, was wir nicht beeinflussen können, worauf wir aber vertrauen: Dass Gott seinen Segen dazu gibt. Zum Säen und Ernten, zum Backen und all den anderen Tätigkeiten. Zum Leben.

Wir freuen uns, dass wir Dir heute den Segen weitergeben können. Wir denken an die Christen überall auf der Welt, zum Beispiel in Papua-Neuguinea. Wir bitten für alle, die in Not oder Gefahr sind. Und wir danken Gott, dass es uns gut geht und wir sicher und behütet leben können.

Amen.

Dekan Uland Spahlinger, Dinkelsbühl

uland.spahlinger@elkb.de

Dekan Uland Spahlinger, Jg. 1958, Pfarrer der bayerischen Landeskirche. Seit Mai 2014 Dekan im westmittelfränkischen Dekanatsbezirk Dinkelsbühl.

Von Juli 1989 bis Juli 1993 waren meine Familie und ich im Hochland von Papua-Neuguinea. Zunächst zu viert, 1990 kam unser Jüngster hinzu. Dass wir für die Orientierungszeit und das Sprachtraining quasi isoliert sechs Wochen auf einer Missionsstation lebten, erwies sich als Glücksfall: wir konnten uns danach recht gut verständigen, es war eine solide Grundlage. Mitgenommen haben wir daraus die Erfahrung, dass Sprache die Bedingung der Möglichkeit des Ankommens ist. Das neumelanesische Pidgin wurde für vier Jahre selbstverständlicher Teil unseres Alltags.

[1]      http://worldbibles.org/language_detail/eng/tpi/Tok+Pisin 2 Korin 9:6-7

[2]      Jürgen Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, UTB 2014, Tübingen 1998³, S. 274

[3]    Name geändert

de_DEDeutsch