2. Korinther 9, 6-15

2. Korinther 9, 6-15

Säen und Ernten im Segen | Erntedankfest | 03.10.2021 | Predigt zu 2. Kor 9, 6-15 | verfasst von Rainer Kopisch |

6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.

7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.

8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;

9 wie geschrieben steht (Ps 112,9):

»Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.«

10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.

11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.

12 Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken.

13 Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen.

14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch.

15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Liebe Gemeinde,

Emil Nolde hat 1940 ein Bild gemalt, das heute im Sprengel-Museum-Hannover hängt.

An dieses Bild knüpft sich eine kleine Geschichte von großer Solidarität. Als der Kunstsammler Reinhold Spengler das Bild 1940 von Emil Nolde erwarb, war er beeindruckt von seiner Tiefe. In zdfkultur heißt es dazu: „In Noldes Darstellung des Schöpfers, der sich vor dunklem Nachthimmel über seine Pflanzen beugt – vornehmlich eine in leuchtendes Orange getauchte Blüte – und sie hegt, erkennt der Kunstsammler Reinhold Spengler die Versinnbildlichung der existenz-bedrohlichen Jahre kriegerischer Auseinandersetzung. Gleichzeitig spürt er darin die beständige Kraft Gottes im Hinblick auf die Zukunft. In der Beziehung der Familien Sprengel und Nolde spielt das Bild mit der Schöpferfigur des Gärtners die Rolle eines „Schutzheiligen“.“ Wer schon einmal im Nolde-Museum, Seebüll in Neukirchen war, wird besonders von seinen religiösen Bildern beeindruckt sein. Darunter befindet sich auch sein Hauptwerk, der neunteilige Zyklus „Das Leben Christi“ aus den Jahren 1911 und 12. Reinhold Spengler hat sich seit 1940 mit Emil Nolde solidarisiert. Er sorgt sich dann persönlich für die Auslagerung von Noldes Werken und schützt sie vor weiterer Beschlagnahmung, indem er sie in seiner Fabrik in Hannover versteckt. Soweit die Information auf zdfkultur.

Dieses Bild „Der große Gärtner“ von Emil Nolde und seiner Geschichte trifft zweifach mit unserem heutigen Predigttext des Paulus aus seinem zweiten Brief an die Korinther, Kapitel 9, Verse 9 bis 15 zusammen. Einerseits geht es um Solidarität, für die Paulus wirbt, und andererseits um Gott, den Schöpfer, den wir aus den Zeiten des Alten Testaments kennen. Seine Gestalt steht wie ein Bild im Hintergrund des paulinischen Textes – wie wir gleich sehen werden.

Paulus schreibt: „Ich meine aber dies: Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ Menschen, die das Erntedankfest feiern, wissen, dass wir Gott für unsere Ernten in unserem Leben zu recht danken, denn Gottes reicher Segen ist es, der uns immer wieder zur Kraft unseres Wachstums wird. Paulus denkt besonders an den Segen beim Austeilen und Abgeben. In der Sprüchen Salomos steht im Kapitel 11, in Vers 24 und 25: „Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein andrer kargt, wo er nicht soll, und wird doch ärmer. Wer reichlich gibt, wird gelabt, und wer reichlich tränkt, der wird auch getränkt werden.“

Diese Lebenserfahrung der gelebten Solidarität ist für Paulus Grund genug, den nächsten Schritt zu tun. Paulus zeigt dabei, wie es möglich wird, den göttlichen Segen beim Geben zu spüren: „7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“

Natürlich kennt Paulus den Vers 10 aus dem fünften Buch Mose im Kapitel 15: „Sondern du sollst ihm geben, und dein Herz soll sich’s nicht verdrießen lassen, dass du ihm gibst, denn dafür wird dich der Herr, dein Gott, segnen in allen deinen Werken und in allem, was du unternimmst.“ Im Sinne dieses Verses setzt er fort: „8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; 9 wie geschrieben steht (Ps 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Hier hält es Paulus für wichtig, seine Quelle wörtlich zu zitieren. Paulus stellt damit eine wichtige Brücke zwischen Gott, dem Schöpfer, und seinen Geschöpfen her, indem er wie ein Prophet des Alten Testamentes eine göttliche Zusage gibt: „10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.“ Seine Zuversicht nimmt Paulus aus den Versen 10 und 11 im 55. Kapitel des Buches Jesaja: „Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: „Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ Die Zuversicht des Paulus für seine Leser und Leserinnen lautet: „11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.“

Was aber heißt das für das Projekt der Sammlung für die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem, für das Paulus mit guten Gründen wirbt? Er macht klar, dass es um mehr geht als um den Lebensunterhalt der Menschen in der Gemeinde. Es geht dabei um einen im Alltag praktizierten Gottesdienst mit allen Elementen. „12 Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. 13 Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Als weitere Folge für die Verbundenheit der Judenchristen mit den Heidenchristen durch diese Aktion in Jerusalem sieht Paulus prophetisch: „14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch.“ Ans Ende stellt Paulus den Dank an Gott wie einen Lobpreis. „15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“

Der Apostel Paulus bewegt sich in seinem Brieftext nicht ohne Grund im Horizont der Tradition des Alten Testamentes. Er nimmt alttestamentliche Texte als Gedankenvorlage. Um es noch einmal zu erwähnen: Eine solche Bibelstelle zitiert Paulus sogar, weil sie ihm für seinen Brief wichtig ist. Es ist der Vers 9 aus dem Psalm 112: „Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.“

Paulus wusste es schon: Wir Menschen sind für die Ausführung des Willens Gottes, die Weitergabe seiner barmherzigen Liebe in die Welt zuständig. Daran sollten wir uns jedes Mal erinnern, wenn wir im „Vaterunser“, dem Gebet Jesu, beten: „Dein Wille geschehe.“ Wir müssen uns in Bewegung setzen, um diesen Willen zu erfüllen. Wer denn sonst will es tun, wenn nicht wir, Gottes Kinder.

Liebe Gemeinde,

am heutigen Erntedankfest nehmen wir ausdrücklich den Dank für unsere Ernte in den Mittelpunkt. Der Anblick der verschiedenen Früchte im Schmuck des Altars lässt uns innewerden und darüber nachdenken, wie die von Gott geschaffene Natur unsere Lebensgrundlage ist. Ohne die Aufnahme von Nahrung, die aus Samen hervorgeht, geht es nicht.

Jetzt wird die Frage brisant: Wo geschieht Gerechtigkeit in der weltweiten Verteilung der Ernte nicht? Dort, wo Menschen von der gerechten Teilhabe an der Nahrungsmittelkette ausgeschlossen sind, weil andere Menschen nicht bereit sind zu teilen. Das Auseinanderfallen der Menschheit in Übersättigte und Hungerleider, Reiche und Arme, ist ein Skandal. Der Apostel Paulus kannte diesen Skandal bereits. Er wusste: Der einzige Weg durch dieses skandalträchtige Leben ist der Weg mit Gott. Er ist ihn selbst gegangen und hat viele Menschen dafür gewonnen, diesen Weg durch das Leben mit Gott zu gehen. Die Existenz seiner Gemeinden und seine tüchtigen Mitarbeiter zeugen von seiner erfolgreichen Missionstätigkeit. Er ist nach Jesus der erfolgreichste Schöpfer und Gestalter des christlichen Gottesweges. Dieser christliche Gottesweg kann nur wachsen, wenn sein Same in die Herzen von Menschen fällt.

Wir Christinnen und Christen sind verantwortlich für die praktische Umsetzung der Idee des Gottesweges. Das heißt aber folgendes: Wir müssen ihn selbst beschreiten, um ihn auch für andere Menschen als Lebensweg interessant zu machen. Nur wenn wir die Herzen von Mitmenschen erreichen, kann der Same der Liebe und Gnade Gottes in Solidarität mit den Anderen in ihren Herzen wachsen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht an Gott verzweifeln, wenn Sie die vielen Katastrophen in den Blick bekommen, die in der Welt auf uns und unsere Kinder zukommen. Die Gewissheit, zu Gott zu gehen, kann uns allen helfen, unseren bedrohten Weg durch diese Welt festen Schrittes zu gehen. Natürlich führt unser irdischer Lebensweg in das Sterben. Der Tod gehört zum Leben. Selbst Jesus ist nicht direkt aus seinem irdischen Leben zu Gott entrückt worden. Er ist durch sein Leiden und sein Sterben am Kreuz in den Tod gegangen. Er hat sein Leiden und seinen Tod auf sich genommen, damit wir voller Glauben und Zuversicht auf unserem Gottesweg gehen können und unser Sterben als eine Geburt in das eigentliche, das ewige Leben mit Gott verstehen dürfen. Das wird dann unser persönliches Erntedankfest werden.

Die Kruzifixe auf den Altären sind die Erinnerung an die Erlösung, die Jesus uns gebracht hat. Seine Auferstehung von den Toten bestätigt uns, dass der Gottesweg ins Leben mit Gott führt. Der christliche Gottesweg führt durch das Sterben in das Reich Gottes.

Natürlich mögen Sie recht haben, wenn Sie denken, dass die Angst vor dem Sterben Grund für viele katastrophale Entwicklungen ist, an deren Entstehung Menschen beteiligt sind.

Ein anderer Grund ist sicher die falsche Annahme, dass mit dem Tod unser Leben endgültig beendet ist.

Sie führt dazu, die Grundlagen unseres Lebens zu plündern, um sich ein möglichst langes Leben voller Genüsse zu ermöglichen. Angebote dazu gibt es in der Vielfalt der Begehrlichkeiten.

Auf dem christlichen Lebensweg ist es sinnvoll, wenn wir uns fragen: Was brauchen wir wirklich zum Leben in dieser Welt. Martin Luther hat in der Erklärung des Vaterunsers zur Bitte „Unser Tägliches Brot gibt uns heute“ eine Antwort gegeben, die dem christlichen Gottesweg zu seiner Zeit entsprach.

Es lohnt sich, seine Vorstellung in Ruhe zu lesen und dann in unsere eigene Zeit zu übersetzen. Dabei kann uns die Doppel-Frage leiten: Was will ich in meinem Leben ernten und was will ich dazu säen? Damit kommen wir zurück zur wichtigen Aussage am Anfang unseres Predigttextes, wo Paulus schreibt: „Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ Gott spart nicht mit seiner Liebe zu uns und mit seinem Segen für uns. Bestimmt ist es eine gute Idee, schon früh am Tag zu beten:

Lieber Vater,

begleite mich diesen Tag in Deiner Liebe und mit Deinem Segen,

Lass mich sehen, wo ich von beiden wie eine Saat weitergeben darf.

Lass mich freuen, wo ich die Früchte Deiner Liebe und Deines Segens erleben darf.

Lass mich erleben, wie ich andere Menschen zur Freude und zum Dank helfen darf.

Amen


Zur Erstellung der Exegese des Textes habe ich das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament von Kittel in der ersten Auflage und die Interlinearübersetzung von Ernst Dietzfelbinger in der dritten Auflage benutzt.

Eingesehene Stelle im Internet:

https://geheimnis-der-bilder.zdf.de/sprengel-museum-hannover/emil-nolde-der-große-gärtner

Bildnachweis: Die Verwendung des Bildes geschieht mit ausdrücklicher Zustimmung der Nolde Stiftung Seebüll. Herzlichen Dank.


Rainer Kopisch, Pfarrer in Ruhe der Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, Seelsorger mit logotherapeutischer Kompetenz, letztes selbstständiges Pfarramt: Martin Luther in Braunschweig,

in der Vergangenheit:

langjähriger Vorsitzender der Vertretung der Pfarrer und Pfarrerinnen in der Landeskirche,

Mitglied in der Pfarrervertretung der Konföderation der Landeskirchen in Niedersachsen,

Mitglied in der Pfarrvertretung der VELKD, Mitglied in der Fuldaer Runde.

Seit Beginn meines Ruhestandes vor 15 Jahren schreibe ich Predigten im Portal der Göttinger Predigten. Diese Arbeit ist mein Dank für die Liebe Gottes, die mich in meinem Leben begleitet hat.

Roonstr. 6
38102 Braunschweig
rainer.kopisch@gmx.de

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