2. Mose 34, 29-34

2. Mose 34, 29-34

Predigt für letzten Sonntag n. Epiphanias, IV, | 30.1.2022 | 2. Mose 34, 29-34 | von Suse Günther |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

2. Mose 34,29-34

Als nun Mose vom Berg Sinai herabstieg, hatte er zwei Tafeln des Gesetzes in der Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.  Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte fürchteten sie sich, ihm zu nahen. Da rief sie Mose und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde und redete mit ihnen. Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der Herr mit ihm geredet hatte auf dem Berg Sinai.

Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. Und wenn er hineinging vor dem Herrn, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Ab und zu machen wir ein paar Tage Urlaub auf einem Campingplatz, der unmittelbar am Bodenseeufer gelegen ist.

Jeden Abend bietet sich uns dort das gleiche Schauspiel: Die Sonne geht am anderen Ufer unter in einem unbeschreiblichen Glanz, der sich fast eine Stunde lang auf See, Bergkulissen und eine nahe Stadt ergießt. Sie können sich vorstellen, dass auf einem Campingplatz zu Urlaubszeiten reges Treiben herrscht. Wenn aber diese Stunde des Sonnenuntergangs kommt, dann wird es still. Die Menschen sitzen am Ufer und sind bewegt. Hängen ihren Gedanken nach, lassen sich berühren. Und wenn dann die Sonne wirklich untergegangen ist und die Leute zu ihren Plätzen zurückkehren, dann habe ich den Eindruck, dass das Erlebte immer noch auf ihren Gesichtern nachleuchtet. Die Menschen sind etwas begegnet, das größer ist als sie selbst. Das verändert. Sie sind einem Wunder begegnet. Denn auch wenn sich natürlich ein Sonnenuntergang und die daran beteiligten physikalischen Vorgänge der Lichtbrechung im Wasser erklären lassen, so bleibt doch wunderbar, dass diese Lichteffekte mit Sonne, Bergen, Wasser und Wolken an diesem Ort so zusammentreffen. Wir könnten es nicht selbst machen, es trifft uns. Ich könnte für mich sogar so formulieren: Wir Menschen begegnen für einen kurzen Moment unsers Daseins dem Heiligen, das leuchtet nach.

In unserem Predigttext ist es Mose, der dem Heiligen begegnet, der Gott begegnet. Mose kommt verändert zurück von dieser Begegnung. Sein Gesicht leuchtet, so beschreibt es der Predigttext. Das hebräische Wort „Karan“, das an dieser Stelle benutzt wird, hat zwei Bedeutungen: Zum einen eben „glänzen, leuchten“. Aber zum anderen auch „gehörnt sein“. So als ob der Glanz Gottes, der Mose getroffen hat, wie Strahlen wieder von ihm ausgehen würde. Wie glänzende Hörner, so mag man sich das damals vorgestellt haben. Besonders schön ist das bei den Darstellungen Marc Chagalls zu beobachten, der Mose oft mit zwei Hörnern gemalt hat.

Wir wissen, was dieser Gottesbegegnung vorausging: Mose erhält von Gott die zehn Gebote auf Gesetzestafeln. Er hatte diese Gebote schon einmal erhalten, dann aber, als er vom Berg Sinai zurückkam, sein Volk vorgefunden, als es um ein Götzenbild herumtanzte, um das goldene Kalb: Auch dies ein Wesen mit zwei glänzenden Hörnern. Der menschliche Versuch, das Leuchten Gottes abzubilden, bleibt ungenügend. Diese Hörner verursachen keinen Glanz, der auf andere übergeht, sie setzen nichts in Bewegung. Mose hat dann in seinem Zorn über diesen Götzendienst die Gesetzestafeln zerschmettert. Unserem Predigttext heute geht voraus, dass Mose zum zweiten Mal Gott begegnet und zum zweiten Mal die Gebote erhält. Mose kann Gott nicht direkt sehen. Sondern wie schon damals, bei Mose Berufung am Dornbusch, begegnet Gott Mose verborgen. Gottes Glanz ist zu groß als dass ein Mensch ihn aushalten könnte. Bei der Begegnung auf dem Berg Sinai stellt Gott Mose in eine Felsspalte, um dann an ihm vorüberzuziehen. Mose kann wohl den Glanz Gottes wahrnehmen, nicht aber ihm ins Angesicht sehen. Der Glanz aber geht auf Mose über. Er leuchtet, als er zurückkommt, so dass er sein Gesicht verbergen muss. Mose zieht sich zurück, nachdem er Gott begegnet ist. Eine Decke über dem Gesicht kann man nicht tragen, wenn man um ein goldenes Kalb herumtanzt. Sondern nur in aller Stille, Ruhe, Einkehr. Gott zu begegnen macht erst einmal einsam. Man muss zu verarbeiten suchen, verinnerlichen, was einem da widerfahren ist, bevor man anderen davon weitergeben kann.

Gott zu begegnen berührt in aller Tiefe, im Innersten, bringt innerlich in Bewegung, bevor sich diese Bewegung dann auch im Äußeren Bahn bricht.

Gottes Volk ist von allem Anfang an ein Volk in Bewegung gewesen. Ein Volk unterwegs  zu neuen Ufern. Ob es  Abraham und Sarah auf dem Weg in verheißene neue Land waren oder Mose und das Volk Israel  auf dem Weg aus der Sklaverei. Ob es Noemi und Ruth auf den Wegen zwischen Israel und Moab oder die Israeliten waren auf dem Weg ins Exil und von dort wieder zurück. Ob es Maria und Josef waren unterwegs aufgrund einer willkürlichen Volkszählung und dann auf der Flucht nach Ägypten. Ob es Jesus und seine Jünger waren oder Paulus auf dem Weg zu seinen Gemeinden und viele, viele andere.

Gottes Volk ist niemals angekommen. Wer das Recht für sich einklagen möchte, für alle Zeiten seßhaft zu bleiben und Grenzen um diese Seßhaftigkeit zu ziehen, könnte in der Gefahr stehen, ein goldenes Kalb zu verehren und vom Glanz Gottes unberührt zu bleiben.

Von allem Anfang an besteht Gott auch auf seinem Recht, nicht bildlich abbildbar zu sein. „Ihr könnt mich nicht von Angesicht zu Angesicht sehen, versucht es erst gar nicht, macht mich nicht dingfest“ – so könnte man das erste Gebot übersetzen, das auf den Gesetzestafeln zu  lesen ist, die Mose vom Berg Sinai mitbringt.

Wir brauchen uns auch gar kein Bild von Gott zu machen. Denn Gott selbst hat sein Bild (1.Mose 1,27) in jeden Menschen hineingelegt. Wir sehen den Abglanz Gottes in jedem Menschen, der uns begegnet. Das ist der große Unterschied zu alle den Naturreligionen, die damals praktiziert wurden und von denen heute nur noch die Archäologen sprechen: Unser Gott lässt sich nicht in einem Götzenbild verehren und festhalten, sondern begegnet uns in unsrem Gegenüber immer wieder neu. Gott bleibt in Bewegung und bringt in Bewegung. Er überrascht uns, lässt uns staunen. Leuchten.

Wie wir ihm begegnen und wann? Ich kann es nicht planen. Es bleibt ein Wunder. Was ich lernen kann, ist, eine Begegnung mit ihm für möglich zu halten, mich bereit zu halten. Und mich, wenn es geschieht, auf ihn einzulassen.

Nachdenklichkeit ist das Mindeste, was sich auf den Gesichtern der Menschen abzeichnet, die vom glänzenden Ufer des Bodensees zurückkehren. Nachdenklichkeit, Staunen, Dankbarkeit, Frieden. Das Gefühl auch von Heimat in der Bewegung, vom Angekommensein im Unterwegssein. Vom Einlassen auf Neues. Vielleicht von Geborgenheit im großen Gott?

AMEN


Liedvorschlag : EG 450

Bildnachweis: Suse Günther privat.

Suse Günther, Pfarrerin

1990-2002 Gemeindepfarramt Bruchmühlbach

2002-2009 Krankenhaus Landstuhl

2009-2016 Ev. Krankenhaus Zweibrücken

2017- Kreiskrankenhaus St. Ingbert und dienstliche Aushilfe im Dekanat Zweibrücken

Verheiratet, zwei Töchter

de_DEDeutsch