Predigt zu Lukas 17,5-10

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Predigt zu Lukas 17,5-10

3. Sonntag nach Epiphanias 2022 | Lukas 17,5-10 | verfasst von Marianne Christiansen |

Die Jünger wollen gerne einen größeren Glauben. Jesus antwortet: Glauben kann man nicht messen, so dass man zwischen kleinem und großem Glauben unterscheidet. Ein Gramm Glaube kann Unmögliches bewirken. Aber statt auf euren eigenen Glauben zu starren und seine Größe zu messen, solltet ihr lieber daran denken, euer Leben im Dienst zu leben und nur das zu tun, was euch befohlen ist, ohne euch zu beklagen.

Darum geht es. Und wenn wir nun die Jünger sind – wissen wir dann, was uns befohlen ist?

Ja, das tun wir wohl. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, liebe deine Feinde, tue denen Gutes, die dich hassen, bete für die, die dich verfolgen, gib dem Nackten Kleidung, sättige den, der hungert, heile den Kranken, besuche den Gefangenen; vergebe, gebe nach, verzeihe usw.

Es verwundert nicht, dass die Jünger um mehr Glauben bitten. Angesichts der unerschöpflichen Aufgaben des Alltags ergibt sich der Wunsch nach Glauben. Der kann uns vielleicht das Gefühl vermitteln, dass das alles Sinn macht. Vielleicht lässt der Glaube uns Gott spüren und gibt uns eine Gewissheit, dass Gott mit uns ist. Vielleicht kann er uns Geduld geben, den Mitmenschen und das Leben zu ertragen. Vielleicht kann er uns sogar übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten geben?

Aber wissen wir überhaupt, wovon wir reden, wenn wir vom Glauben reden? Vermutlich nicht. Allein in unserer (dänischen) Sprache gibt es eine Menge von Bedeutungen des Wortes für Glaube – das reicht von religiöser Glaubenslehre über persönliche Überzeugung bis hin zu unsicherer Vermutung über etwas. Und dazu kommen die Bedeutungen, die in der Verwandtschaft des dänischen Wortes ‚tro‘ mit dem deutschen Wort Treue und Vertrauen liegen: Treue, Aufrichtigkeit, Vertrauen, Hingabe – während das deutsche Wort Glaube m.E. verwandt ist mit Liebe: Glaube ist etwas lieb haben, etwas hochschätzen und für wahr halten. Und dazu kommt, dass Jesus aramäisch gesprochen hat und seine Aussagen dann auf griechisch überliefert sind, wo das Wort pistis Bedeutungen hat wie Treue, Verlässlichkeit, Verheißung, Beweis und Vertrauen.

Wir wissen vielleicht nie richtig, wovon wir reden, wenn wir vom Glauben reden. Weder, wenn es um unseren eigenen Glauben geht, noch gar wenn es sich um den Glauben anderer handelt. Und dennoch reden wir vom Glauben wie die Jünger. Der Verfasser des Hebräerbriefes hat vom Glauben geschrieben und ihn so definiert: „Es ist aber Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebr. 11,1). Luther sprach in seinem Katechismus vom Glauben als einer Gabe, die der Heilige Geist durch das Evangelium schenkt: Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.

Glaube ist also etwas, was man sich nicht selbst beschaffen kann, sondern was hervorgerufen wird – von dem, der sich als glaubwürdig erweist und Glauben in uns weckt.

Wir können wenig und viel vom Glauben sagen. Es bleibt, dass die Jünger ihn gerne haben wollen und dass sich viele Mensch en heute Glauben wünschen. Über Glauben wird geforscht, es werden Forschungsergebnisse veröffentlicht, die zeigen, dass Glaube gesund ist und Leben verlängert, dass Glaube sogar nachweislich den Blutdruck herabsetzt. Und noch immer wissen wir nicht, wovon wir reden, Im Predigttext sieht es so aus, dass Jesus das Verständnis der Jünger und unser Verständnis vom Glauben zurückweist, wo Glaube als etwas verstanden wird, das es in kleinen und großen Mengen gibt und Riesenkräfte verleiht. Stattdessen verweist er sie und uns darauf, in einer Art Anstellungsverhältnis zu Gott zu leben, einem Verhältnis, das viel Arbeit bedeutet, nicht viel Dank, aber doch das Bewusstsein, Aufgaben zu haben und nicht selbst Gott oder das Ziel des Lebens zu sein. Vielleicht ist auch dies Glaube.

Jedenfalls sind die Worte Jesu eine Auseinandersetzung mit dem Glauben als einer Eigenschaft oder einer Leistung, die man in größerem oder kleinerem Maße besitzt. Der Glaube ist eine Relation, eine Beziehung.

Der zurzeit viel diskutierte Hollywood-Film Don’t look op endet (spoiler alert!) in meinen Augen schön: Als die Personen schließlich aufgeben und dem Tode und ihrer eigenen Nutzlosigkeit ins Auge sehen müssen, wird die Gabe des Glaubens das Wichtigste: Die Treue, das Vertrauen, die Liebe, die Hingabe. In vielen anderen Filmen und modernen Darstellungen vollbringt der Glaube Wunder und tut das Unmögliche. In diesem Film vollbringt er vielleicht auch ein Wunder, aber das Wunder besteht darin, dass zerbrochene Beziehungen geheilt werden, dass Menschen sich die Hand geben, das Leben und den Tod teilen und dies alles in die Hand Gottes legen, wie das in alten Tagen hieß und vielleicht heute wieder heißt.

Gerade jetzt hoffen wir in der ganzen Welt auf ein Wunder, das das Unheil abwendet, das wir im reichen Teil der Welt über die Erde gebracht haben. Um Glauben zu bitten, um Wunder zu vollbringen, das ist uns nicht fremd – auch weil das leichter wäre als den schwierigen Weg zu gehen durch Verzicht und Lebensveränderungen, ja man kann es ruhig Reue und Buße nennen.

Aber Jesus verweist uns zurück auf den Ruf zu einem Leben als Diener – in einer Beziehung zu Gott und zum Himmel. Das zu tun, was wir können und sollen.

„Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“.

Es ist eine Befreiung am Ende der Tage seiner eigenen Nutzlosigkeit in die Augen zu sehen im Frieden. Wenn wir nach dem Nutzen unseres Lebens beurteilt werden sollten, dann müssten wir Nächte lang wach liegen und evaluieren und Ausschau halten nach den wohlgepflanzten Maulbeerbäumen und gelungenen Weltrettungen.

Nein, wenn alles gesagt und getan ist, dann sind wir noch immer so unnütz wie damals als wir aus dem Mutterleib kamen, und das genügt.

Es ist groß, ein Diener zu sein. Der größte von allen ist Jesus, der selbst damit endet – ganz im Gegensatz zu Weltordnung – dass er die Diener an den Tisch bittet, eine Schürze anzieht und die Jünger bedient, die nie damit aufhören können zu diskutieren, wer den größten Glauben hat, wer der größte von ihnen ist. Er ist unter uns als der, der uns dient und für uns sorgt, uns etwas zum Leben gibt, Worte und Brot und Wein und Wasser.

Wir müssen Gott darum bitten, die Wunder zu vollbringen, um die zu bitten uns die Phantasie fehlt. Und wir müssen um Glauben bitten in all seinen Bedeutungen und um den Mut, als unnütze Diener zu leben so gut wir es können. Glaube ist feste Zuversicht dessen, was man hofft. So lasst uns denn auf das Beste hoffen. Amen.

Bischöfin Marianne Christiansen

Ribe Landevej 37
6100 Haderslev

Email: mch(at)km.dk

 

 

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