2. Petrus 1, 16-19

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2. Petrus 1, 16-19

 


Letzter Sonntag nach Epiphanias,
20. Januar 2002
Predigt über 2. Petrus 1, 16-19, verfaßt von Torsten Milkowski

Liebe Gemeinde,

eine Kerze ist bekanntlich noch kein Licht und doch kann sie es werden.
Ihr fehlt das entzündende Feuer, um mit ihrem hellen Schein ein Licht
zu sein; und ich denke, dass es sich ganz ähnlich mit uns Menschen
verhält: Wir sind zwar Kerzen, aber allzu oft kein Licht. Uns fehlt
das gewisse Etwas, damit wir anderen Menschen zum Licht auf ihrem Weg
werden.

Eine noch so schöne Kerze nützt – wenn sie nicht mit Feuer
angezündet ist – in der Finsternis gar nichts. Aber eine vereinzelte,
kleine Kerze kann mit ihrer Flamme, mit ihrem kleinen Feuer, ein Licht
in dieser Welt sein; ein Licht von der großen Liebe Gottes, die
durch Jesus Christus in unsere Welt hineinkommt. Christus ist das Licht
der Welt (Joh 12,46). Er ist das erhellende Feuer in unserem Leben. Sein
Licht entzündet unser Leben, lässt es leuchten und macht es
hell. Die hier vorne aufgestellte Kerze möchte ich als Zeichen des
in Christus geschenkten Lichtes anzünden, das trotz Dunkelheit um
uns herum jeden Ort, an dem wir stehen, zu erhellen vermag. Gestern, heute
und in Ewigkeit gilt er als das entfachende Feuer des – vielleicht nur
– in uns glimmenden Dochtes unserer Hoffnung auf ein friedvolles, perspektivenreicheres,
menschlicheres und menschenwürdigeres Leben. Das mit Christus in
die Welt gekommene Licht als die uns mutmachende, entzündende und
lebensschaffende Kraft Gottes anzunehmen, seine Macht und Herrlichkeit
als Perspektive für das eigene Leben zu entdecken, dazu fordert uns
der Predigttext an diesem Sonntag heraus. Ich lese ihn aus dem zweiten
Petrusbrief 1,16-19 (nach der Übersetzung Martin Luthers, revd. Fassung
von 1984) vor.

Liebe Gemeinde, wir sehen die hier vorne brennende Kerze und hören
die starken Worte des Briefes nachklingen: „Nein, nein und nochmals
nein, wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt. Wir sind Christus
nachgefolgt. Wir halten sein Licht in unseren Händen. Er hat unser
Herz durch seine Liebe entzündet. Seine Kraft und Herrlichkeit –
sein Kommen – haben wir in dieser Welt verkündet!“ Wir sprechen
nicht von Jesus Christus wie von einem mit Erfolg gekrönten Märchen.
Wir kennen Christi Kraft und Herrlichkeit nicht aus einer klugen oder
weisen Fabel. Im Gegenteil, so sagt der Autor dieses Briefes: „Wir
haben Christus als Sohn Gottes selber gesehen. Wir haben seine Herrlichkeit
in unserem Leben selber erfahren, denn wir schenkten der Stimme aus dem
Himmel auf dem Berg der Verklärung unseren Glauben. In Christus sahen
wir schon damals den Sohn Gottes, der durch seinen Tod bis heute unser
Leben mitbestimmt.“

Aus diesem Grund reden und hören wir bis heute von Christus als
den Herrn, der am Kreuz schon damals den Menschen zur einzigen, zur letzten
und lebendigen – vor allem aber zur erfahrbaren – Hoffnung auf ein von
Gott geliebtes und erfülltes Leben geworden ist. Denn Christi Tod
am Kreuz hat damals wie heute aus der Dunkelheit eines mit „fabelhaften“
Stricken gefesselten Lebens befreit. Damals wie heute eröffnet Christus
uns seine tragfähige Perspektive auf das von Gott gewollte Leben;
ein in Christus von allen Ketten der Finsternis befreites Leben. In unserem
Herrn ist die umhüllende Nacht schon jetzt vorbei, in ihm bekommen
wir den Trost für unser Leben. Seine Herrlichkeit, seine Kraft, sein
Kommen bestimmen das mit seiner Liebe beschenkte Leben.

Und ein letztes Mal blicken wir (sofern wir dem Kirchenjahr folgen),
nachdem der Festtagstrubel vorbei ist und der Alltag uns längst wieder
hat, an diesem Sonntag auf die Weihnachtsbotschaft zurück: Eine bleibende
Botschaft, in der wir die Liebe Gottes in einem Kind in Windeln gewickelt,
in einer kahlen Felsgrotte das finstere und trübe Licht unserer Welt
erblickend bestaunen, um in diesem kleinen und unscheinbaren Baby den
wunderbaren, eingeborenen Sohn Gottes zu erkennen. Diesem zu Bethlehem
geborenen Kind gilt die Stimme des Vaters im Himmel, von der in unserem
Predigttext die Rede ist, wenn es dort heißt: „Das ist mein
lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (2 Petr. 1,17). Gott spricht
diesen Satz unmittelbar seinem eingeborenen Sohn zum Zeitpunkt seiner
Taufe zu. In der Taufe stellte sich Gott als Vater an die Seite seines
Kindes und rückt mit dieser Zusage das Leben Christi in das richtige
Licht. Und ein zweites Mal ertönt die Stimme Gottes aus dem Himmel
auf dem Berge der Verklärung (siehe Lk 9,35). Auch dort spricht der
Vater diese Worte seinem geliebten Sohne zu und hält ihn so an seiner
Seite, bevor der schwere Gang ans Kreuz beginnt. Der Vater geleitet den
Sohn durchs Leben. Seine Zusage begleitet Christus das ganze Leben. Dem,
der selber für uns am Kreuz zum Licht des Lebens geworden ist, wird
Gottes zugesagtes Wort zum Licht im Leben.

Nicht von ungefähr sandte Gott als Vater seinen Sohn in die bei
uns Menschen herrschende Dunkelheit hinein. In einem kärglichen Viehstall
geboren, erlebte Christus die Nacht der Welt. Selbst das tiefste, das
lebensfeindlichste Tal des Tod durchschritt er am Kreuz hautnah. Doch
dort, wo der Tod das Leben beendet, bricht Christus als Sohn Gottes dem
Leben eine neue Bahn. Denn im Tod am Kreuz war der Vater dem Kind aus
der Krippe gnädig und sah in ihm seinen geliebten Sohn. Noch in der
tiefsten Nacht hatte Gottes Wohlgefallen kein Ende. Darum rief der Vater
den Sohn vom Tod hindurch ins Leben. Gott bleibt – dies sehen wir an seinem
Sohn – in größter Lebensnot dem zugesprochenem Worte treu:
Was Gott zuspricht, das hält er gewiss (Ps 33,4). Darum dürfen
und wollen wir an seinem Wort, welches sich in Christus verheißend
als das die Nacht hindurchbrechende Leben erwiesen hat, festhalten. In
Christus gab Gott uns sein Wort, gab er uns die Zusage, das Licht auf
dem Weg des Lebens zu sein. Hoffnungsvoll erscheint im von Gott geliebten
Sohn die Treue Gottes über allem trostlosen Leben und bricht in der
Dunkelheit für uns die neue Bahn.

Doch wo und wie scheint sein Licht auf unserer Lebensbahn? Wo und wie
können wir die von Gott in Christus eröffnete Hoffnung als Lebenswirklichkeit
erfahren? Erscheint nicht die Hoffnung auf ein freies, die Nacht durchbrechendes
Leben viel zu optimistisch? Bestimmt nicht das im Gegensatz zu der in
Christus gelegten Hoffnung stehende Unrecht, der Terror oder das Schicksal
unsere Lebenswelt, der wir häufig machtlos gegenüber stehen?
Lehrt nicht persönliches Unglück, Krankheit oder auch der Tod,
unter dem Strich von einer ganz anderen Realität zu reden? Oft schon
haben Menschen sehnlichst danach gefragt, wo die Herrlichkeit Christi
angesichts des vielen Leidens in dieser Welt abbleibt. Vielleicht haben
Sie sich auch einmal gefragt, warum der in Christus ergangene Zuspruch
in dieser Welt so schnell verhallt. Täglich stürzen Fragen über
Fragen auf den Menschen herein: Hier die Politik, dort die Genetik bzw.
Ethik. Wo anders kommt die blanke Frage um das Überleben in den Blick.
Menschen ohne Lohn und Brot, bei uns die Arbeitslosigkeit, Familienstreit
oder noch ganz anderer Ärger. Selbst vor den Kirchentüren macht
eine kalte, kahle Wirklichkeit nicht halt. Wo, so frage ich, bleibt da
das Leben im Licht? Wo findet sich das Leben mit Gottes Verheißung?
Was ist mit der in Christus zugesagten, lebendigen Hoffnung? Wo finde
ich den Ort, an dem das Dunkel um mich herum durchbrochen ist?

Der eine wird sagen, den Ort gibt es nicht und sieht auf das Leben wie
auf die eine Seite der Medaille: Trostlos resignierend bilanziert er das
Leben. Mag so sein Leben summieren, wer will. Der Brieftext vor mir ermutigt
mich, das Leben gerade nicht von dieser hoffnungslosen Warte aus zu betrachten.
Im Gegenteil, der Text lädt dazu ein, die Münze des Lebens einmal
umzudrehen und mit dem Umdrehen, die altbekannten, hoffnungslosen Perspektiven
auf das eigene Leben fallen zu lassen. Der Text macht mir Mut dazu, die
traurige Bilanz des eigenen Lebens loszulassen und auf die Worte aus dem
alten Psalmengebet zu hören, an dem sich auch der Autor unserer Predigtperikope
orientiert, wenn es bei ihm heißt, dass Gottes Wort die Leuchte
– nämlich „ein Licht auf meinem Weg“ (Ps 119,105) – im
Dunkeln dieser Welt darstellt. Und ich glaube, der Schreiber des Briefes
hat damit bis heute Recht: Wo Gottes Wort in unserem vergangenen wie auch
zukünftigen Leben aufleuchtet, dort wird das Wort zum Licht des Lebens.
Durch Christus gilt sein Wort für uns als Wort zum Leben. Christus
ist das Licht in meinem Leben. Nicht Resignation und Hoffnungslosigkeit
brauchen den eigenen Standort zu bestimmen, sondern Gottes Wort, das inmitten
der Nacht um mich herum meines Fußes Leuchte ist. Denn dort, wo
Gott sein liebendes Wort durch Christus in die Nacht der Menschen hineinspricht,
erscheint das in Christus zugesagte Leben als Morgenstern am Horizont.
In seinem Sohn geht die Herrlichkeit des Lebens über uns Menschen
auf.

Gottes Wort wurde in Christus lebendig und erweist sich in Kreuz und
Auferstehung als ein fest und treu verheißenes Wort: Ein Wort, das
in Liebe den Blick auf die vielleicht verkorkste Vergangenheit lenkt und
zugleich die Hoffnung auf eine neue Zukunft schenkt; eine Zukunft, die
trotz aller Nacht von Gottes Liebe erhellt ist. Selbst einen glimmenden
Docht der in Jesus Christus begründeten Hoffnung auf Leben wird der
Herr nicht auslöschen (siehe Jes 42,3). Im Gegenteil, in Treue trägt
Christus das Licht in unsere Welt hinaus und spricht als Gottes Wort das
Ja zu unserem Leben. Gott selber kommt durch seinen Sohn in unsere tiefe
Nacht hinaus und streckt die Hand entgegen, um jeden Menschen selbst durch
den Tod hindurch zum Leben zu geleiten. Gott selber führt uns Menschen
an seinem ausgestreckten Arm ins Leben. So die Hand dem Menschen in Jesus
Christus zur Hilfe gereicht, geht Gottes Ja zum Leben im Herzen der Menschen
auf. Und weil Gottes Wort in Christus die Dunkelheit des Todes besiegt
hat, durchbricht in ihm der erste Glanz des Tages die hereingebrochene
Nacht.

Ein erster Glanz erstrahlt im Stern von Bethlehem, der inmitten stockdunkler
Nacht die frohe Botschaft für das Leben verkündet. Als Morgenstern
wirft Christus sein Licht in Kreuz und Auferstehung schon voraus. Im Osterfest
bricht Christi volle Herrlichkeit als Licht für unser Leben mitten
in die Welt hinein und bereitet der Finsternis endlich ihr Ende. Er ist
unsere Zuversicht, er ist unsere Perspektive, mit der wir in der langen,
elenden und vielleicht unruhigen Nacht zur lebendigen Hoffnung für
das Leben finden. Die ersten Strahlen am Morgen wärmen die Herzen
und lassen die von Gott in Christus geweckte Hoffnung in uns aufstrahlen.
Mit der Hoffnung auf dies wunderbare Licht für unser Leben können
wir getrost durch die nächste Nacht dem neuen Tag entgegen gehen.

Amen.

Dipl.-Theol. Torsten Milkowski
Gottfried-Wilhelm-Lehmann-Straße 6
14627 Elstal
Tel.: 033234/ 74580
E-Mail: tsmilkowski@aol.com

 

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