2. Petrus 1, 16-21

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2. Petrus 1, 16-21

 


Letzter Sonntag nach Epiphanias,
20. Januar 2002
Predigt über 2. Petrus 1, 16-21, verfaßt von Heinz Janssen

„…any private interpretation?“ (2. Petrus 2,20, The Bible,
Oxford 1982)
Umstrittene Schriftauslegung

Predigttext (nach M. Luther, Rev. 1984):

(16) Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt,
als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen
unseres Herrn Jesus Christus;
sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
(17) Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis
durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
(18) Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen,
als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
(19) Um so fester haben wir das prophetische Wort,
und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet
als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort,
bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
(20) Und das sollt ihr vor allem wissen,
dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist.

(21) Denn es ist noch nie eine Weissagung
aus menschlichem Willen hervorgebracht worden,
sondern getrieben vom heiligen Geist
haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Liebe Gemeinde!

Mit dem letzten Sonntag nach Epiphanias schließt sich der weihnachtliche
Festkreis. Der Wochenspruch, ein Prophetenwort aus dem Jesajabuch (Jes
60,2), ruft uns noch einmal das wunderbare Kommen Gottes in Erinnerung:
Über dir geht auf der HERR/GOTT, und seine Herrlichkeit erscheint
über dir.

I. In der Mitte des Predigttextes heißt es (2.Petr. 1,19): Ihr
tut gut daran, dass ihr auf das prophetische Wort achtet als auf ein Licht,
das da scheint an einem dunklen Ort… – und in der heutigen Schriftlesung
aus dem Matthäusevangelium (17,1-9) hörten wir von einer Stimme
aus der Wolke von Jesus sagen: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen
habe… – Worte, die auch in unserem Predigttext vorkommen.

Es ist der Abschnitt aus einem Brief, mit dem der Apostel Petrus auf
kritische Einreden gegen die christliche Predigt reagiert.

Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan
haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus
– diese
Worte klingen wie eine Rechtfertigung, wie eine Verteidigung. Tatsächlich,
die Apostel, die Botschafter des Evangeliums von Jesus Christus, mussten
ihre Botschaft gegenüber kritischen und zweifelnden Anfragen rechtfertigen,
verteidigen. Es galt auf Einwände zu reagieren, argumentativ darauf
zu antworten, Einwände etwa in dem Sinn: Ihr könnt uns ja viel
von Jesus erzählen, von seiner Bedeutung, dass Gott ausgerechnet
ihn erwählt habe, dass er der Messias, der Hilfe und Heil bringende
König sei. Ihr könnt uns ja viel erzählen und predigen.
Wer sagt uns denn, dass eure Botschaft nicht Spekulationen, schöne
Phantasien und ganz menschliche Wunschträume sind, mit denen ihr
euch selbst und uns nur etwas vormacht, uns und euch in Illusionen wiegt
und damit eine – gerade in ethischer Hinsicht – unverantwortliche Weltflucht
betreibt? – Sind das nicht auch unsere Einwände heute? Du Mann oder
Frau der Kirche kannst mir ja viel erzählen. Und wer oder was gibt
dir auf der Kanzel eigentlich das Recht, von Gott und seinem Wort, von
Jesus und seiner göttlichen Mission, sogar in Gottes und Jesu und
des Heiligen Geistes Namen zu reden? – Wie reden wir von Gott, Du und
ich?

Kurze Stille

II. Mich beeindruckt, dass sich die Apostel in dem, was sie predigten,
in Frage stellen ließen und ebenso sachlich wie engagiert Stellung
nahmen, Antwort gaben, sich bemühten, Rechenschaft abzulegen von
dem, was sie in ihrem Apostelamt leitete. Hier sind sie uns Vorbild!

Die stärksten und treibenden Gründe für die Wahrhaftigkeit
des Boteseins der Apostel, der Jünger und Jüngerinnen Jesu,
waren nicht, was sie spekulierten, phantasierten oder erträumten,
sondern was sie an und mit Jesus erlebt hatten. Sie waren Augenzeugen.
Was sie an Jesus von Nazareth und in der Gemeinschaft mit ihm in Raum
und Zeit erfahren hatten, wurde zur Grundlage ihres Glaubens. Dieses Erleben
haben sie weitergegeben, auch an jede und jeden von uns in dieser Kirche.

Die Apostel haben in der Begegnung mit Jesus eine Bestätigung und
Bekräftigung der prophetischen Botschaft gefunden, die sie aus ihrer
Bibel kannten. Jesus legte ihnen diese Botschaft, das Wort Gottes, aus.
Die Bibelauslegung war für sie keine beliebige, keine „private“
Angelegenheit. Was Jesus zu den Inhalten der Bibel sagte, erhellte, beleuchtete
ihnen das Wort Gottes und ließ es sie erkennen. Darum ist dem Apostel
Petrus der Aufruf an die Gemeinden so wichtig: Ihr tut gut daran, dass
ihr auf das prophetische Wort achtet als auf ein Licht, das da scheint
an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe
in euren Herzen. – Der dunkle Ort ist unsere Welt. Dunkel ist sie, solange
Gottes Herrlichkeit ihr noch verborgen ist, d.h. solange wir blind sind,
nicht sehen, nicht erkennen, wie Gott in der Welt wirkt.

Orgelchoral zu EG 72 O Jesu Christe, wahres Licht

III. Kommen wir doch über Glauben und Leben miteinander ins Gespräch.
Wenn der Glaube Gestalt annimmt in unserem Lebensalltag, in den persönlichen
und gesellschaftlichen Herausforderungen, dann wird es hell, und die Wirkung
des Glaubens an Gott wird sichtbar.

Die Apostel konnten Botschafter Gottes sein, weil sie aus der Bibel schöpften,
weil die Botschaft jenes Ersten Testaments sie in Bewegung setzte und
sie in der Begegnung mit Jesus verstanden, worauf es im Leben ankommt.
Dies gab ihnen eine innere Sicherheit, sie konnten sich noch bestimmter
auf die Wahrheit der biblischen Botschaft berufen und mit kritischen Einwänden
engagiert umgehen. Freilich müssen sich diejenigen, die sich auf
die Bibel berufen, kritisch fragen lassen, denn die Bibel im Namen Gottes
gegen Gott, die Menschen und seine gesamte Schöpfung zu missbrauchen,
ist bis heute möglich und darum eine ernste Gefahr. Gut, im heutigen
Predigttext daran erinnert zu werden, dass bei der Bibelauslegung kein
einzelner Mensch die ganze Wahrheit hat. Dies bedeutet, in jeder Lebenssituation
nach der Wahrheit zu suchen, die Botschaft der Bibel in Beziehung zum
Leben zu setzen und miteinander um ihre Auslegung zu ringen. So sind wir
eine Gemeinde, die auf das Wort Gottes hört und es bewahrt daraus
zu lernen und wieder von neuem zu hören. Ja, wir tun gut daran, darauf
zu achten, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in unseren
Herzen.

Amen.

Exegetisch-homiletische Hinweise: „Simon Petrus, ein Knecht
und Apostel Jesu Christi, an alle, die mit uns denselben teuren Glauben
empfangen haben“ – so beginnt der 2.Petrusbrief. Und kurz vor Beginn
unserer Perikope ist zu lesen: „Ich halte es aber für richtig…,
euch zu erwecken und zu erinnern (V.13). Den Gemeinden der frühen
Christenheit wollte dieser Brief, der wie der Jakobus- und Judasbrief
und die Johannesbriefe zu den sog. „Kirchenbriefen“ gehört,
den verlässlichen Grund des Glaubens in Erinnerung rufen und sie
in den Auseinandersetzungen um die christliche Lehre stärken.

Wegen der dicht aneinandergefügten theologisch-dogmatischen Aussagen
lasse ich den am Gottesdienst Teilnehmenden den Predigttext in die Hand
geben. Um einmal zu veranschaulichen, wie jede Übersetzung bereits
Auslegung der Bibel ist und jedes Hören ihrer Botschaft in ein Übersetzen
(„Transfer“) in die persönliche bzw. gesellschaftliche
Lebenssituatuation münden will, stelle ich synoptisch auch die „Gute
Nachricht Bibel“ – Übersetzung (1997) daneben:

(16) Wir haben uns nicht auf geschickt erfundene Märchen gestützt,

als wir euch ankündigten, dass Jesus Christus, unser Herr, wiederkommen
wird, ausgestattet mit Macht. Vielmehr haben wir ihn mit eigenen Augen
in der hohen Würde gesehen, in der er künftig offenbar werden
soll.
(17) Denn er empfing von Gott, seinem Vater, Ehre und Herrlichkeit – damals
als Gott, der die höchste Macht hat, das Wort an ihn ergehen ließ:

„Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt.“
(18) Als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren,
haben wir diese Stimme vom Himmel gehört.
(19) Dadurch wissen wir nun noch sicherer,
dass die Voraussagen der Propheten zuverlässig sind,
und ihr tut gut daran, auf sie zu achten.
Ihre Botschaft ist für euch wie eine Lampe, die in der Dunkelheit
brennt,
bis der Tag anbricht und das Licht des Morgensterns eure Herzen hell macht.

(20) Ihr müßt aber vor allem folgendes bedenken: Keine Voraussage
in den Heiligen Schriften darf eigenwillig gedeutet werden;
(21) sie ist ja auch nicht durch menschlichen Willen entstanden.
Die Propheten sind vom Geist Gottes ergriffen worden
und haben verkündet, was Gott ihnen aufgetragen hatte.

Lieder: EG 440,1-4 All Morgen ist ganz frisch und neu, EG 272
Ich lobe meinen Gott, EG 70,1+3 Wie schön leuchtet der Morgenstern,
EG 73, 5 Halt dich im Glauben an das Wort, EG 66,8 Jesus ist kommen, die
Ursach zum Leben

 

Heinz Janssen
Pfarrer an der Providenz-Kirche zu Heidelberg,
Evang. Pfarramt Providenz
Karl-Ludwig-Str. 8a
69117 Heidelberg
providenz@aol.com

 

 

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