2. Petrus 3, 8-13

2. Petrus 3, 8-13

 


Ewigkeitssonntag, 24. November
2002
2. Petrus 3, 8-13, verfaßt von Dieter Trautwein †

Bevor es zu spät ist

„Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb in
der Nacht, an welchem die Himmel zergehen werden mit großem Krachen;
die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke,
die darauf sind, werden verbrennen.“ (Aus 2. Petrus 3, 8-13)

Eine Künstlerin schreibt mir: „Eine Auseinandersetzung
mit Bibelstellen ist heutzutage in meinen Augen überflüssig
bei so lebenswichtigen Themen wie der Zerstörung unserer Erde.“
Viele werden so denken. Aber genügt es, atemlos und ohne Rückbindung
irgend etwas gegen die Zerstörung unserer Erde zu tun? Ersticken
wir nicht zu schnell am eigenen Ohnmachtsgefühl? Müßten
wir nicht möglichst gleichzeitig und gemeinsam zur Besinnung kommen?

Einer meiner theologischen Lehrer war sich noch sicher:
„Die Erde ist weitergelaufen und wird weiterlaufen…“ Aber
wer kann heute noch die Bilder vom letzten Tag Gottes leichthin abtun,
die Bilder von einem Gericht, bei dem Himmel und Erde erkrachen und im
Feuerball enden? Sehr einfach, begrenzt und zerbrechlich ist das Haus
der Welt, in der wir leben. Die Schrecken von Hiroshima, Nagasaki und
Tschernobyl sind präsent, auch wenn wir sie verdrängen. Noch
ist die Drohung mit Giftgas nicht gebannt. Im Vorderen Orient wird ein
Weltbrand geschürt. Der Klimatod wird ein Hitzetod sein. Viele Zeichen
des Untergangs rücken uns auf den Leib. Mit einer tausendjährigen
Verzögerung, die uns im Blick auf Kinder und Kindeskinder beruhigen
könnte, ist nicht zu rechnen.

Darin gebe ich der Künstlerin recht: Wir müssen
zweifeln, ob apokalyptisch aufgeladene Bibelstellen uns heute noch innerlich
packen und zur Umkehr bewegen. Geht die Lesung von „des Herrn Tag,
der kommen wird wie ein Dieb … mit großem Krachen“ bei uns
nicht genau so ins Leere wie die eindrucksvollen Umweltkatastrophen-Szenarios?
Wir haben ein dickes Fell gegenüber den apokalyptischen Weichmachern
und Angstschockern. Wir arrangieren uns mit der Angst. nach der Erkenntnis
der Lernpsychologie lernen wir nur, wenn uns ein Problem sehr weht tut.
Ist es dann aber nicht gänzlich zu spät, noch etwas tun zu wollen
gegen die Zerstörung unserer Erde?

Da könnte es doch sein, daß eine Besinnung auf
die Geduld Gottes mehr bewirkt als die Schreckensmeldungen. Die Auseinandersetzung
mit der Bibelstelle vom Ewigkeitssonntag ist dann sicher nicht überflüssig:
„… er hat Geduld mit euch und will nicht, daß jemand verloren
werde, sondern daß alle Menschen zur Buße finden.“ Jetzt
werde ich in meiner Ungeduld und Angst erst einmal aufgehalten und sogar
aufgefangen. Lebenswichtige Erinnerung: Gott „will nicht“ die
Vernichtung, schon gar nicht unsere Selbstvernichtung. Er ist nicht mit
jener heimlichen Todessehnsucht im Bunde, der alles egal ist. Er hat keine
Freude daran, einen vernichtenden Schlußstrich zu ziehen. Der Gott
des 2. Petrusbriefes bleibt deutlich beschrieben der Vater Jesu Christi,
der Freude hat über jeden Menschen, der innehält und umkehrt.
Wir dürfen verweilen in dieser Freude und Geduld Gottes. Je mehr
wir davon gepackt sind, desto eher lernen wir es, geduldig anzuarbeiten
gegen uns selbst. Gegen die Trägheit des Herzens, gegen die Gewinnsucht,
die Buße mit Einbuße verwechselt, statt zu begreifen, daß
der Reichtum eines neuen Himmels und einer neuen Erde winkt.

Das Warten auf den neuen Himmel und die neue Erde, „in
denen Gerechtigkeit wohnt“ hat eine anspornende Faszination. Dieses
Warte kann auf Friedhöfen und an Gräbern die Trauer darüber
zulassen, daß der Tod so viel Macht hat, darüber, daß
wir ein neues Leben nicht selber machen können. Aber wir können
„dann dastehen im heiligen Wandel und frommen Wesen.“ Mit diesen
altmodischen Begriffen kann nichts anderes gemeint sein als ein Leben,
das die verheißene Gerechtigkeit vorwegnimmt. Kein Greifen nach
den Sternen, aber ein Zupacken und Eingreifen, das sich mit möglichst
vielen Gleichgesinnten solidarisiert und sich den Zerstörungen der
Erde widersetzt.

Im Vorgriff auf die kommende Gerechtigkeit als Reichtum
rücksichtsvoller Beziehungen zwischen Gott und Mensch, Mensch und
Mitschöpfung, wird Zug um Zug der Schrecken des Endgerichts entmachtet.
Der Kampf hat ein Endziel, das sich schon jetzt zu erfüllen beginnt.
Mitten in einem Leben auf Abruf wird der Berufung gelebt, unentwegt aufzustehen
gegen das Unrecht und seine Zerstörungen. Unser Text sieht den neuen
Himmel und die neue Erde eng verbunden. In beiden wohnt die gleiche Gerechtigkeit
eines lebenden und beschützenden Umgangs. Auf diesen neuen Lebensstil
warten wir nur dann richtig, wenn wir ihn keinen Tag aufschieben.

Aus: DAS, 25.11.1990
In Gedenken an Dr. Dieter Trautwein, der im November 2002 verstorben ist.

 

de_DEDeutsch