2. Weihnachtstag, 26.12.2019

Home / Bibel / Neues Testament / 01) Matthäus / Matthew / 2. Weihnachtstag, 26.12.2019
2. Weihnachtstag, 26.12.2019

Predigt zu Matthäus 1:18-25a, verfasst von Rolf Wischnath

Bei Matthäus heißt es in Kapitel 1

Mit der Geburt Jesu Christi aber verhielt es sich so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt. Noch bevor sie miteinander geschlafen hatten, zeigte es sich, dass Maria schwanger war vom heiligen Geist …. Dies ist geschehen, damit in Erfüllung gehe, was der Herr durch den Propheten Jesaja gesagt hat: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären“ (Jesaja 7, 14).

Bei Lukas heißt es in Kapitel 1:

Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Mann aus dem Hause Davids mit Namen Josef, und der Name der Jungfrau war Maria. Und er trat bei ihr ein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über dieses Wort und sann darüber nach, was dieser Gruß wohl zu bedeuten habe. Und der Engel sagte zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott: Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Da sagte Maria zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß. Und der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes genannt werden.

 

Predigt

I Das Toledische Glaubensbekenntnis

Die Lehre von der Jungfrauengeburt, die von Matthäus und Lukas bezeugt wird, wurde einst von nur siebzehn Bischöfen in ihre klarste Fassung gebracht. Es war im siebten Jahrhundert, als die Kirchenversammlung zu Toledo zusammentrat. In der Nacht vom 7. auf den 8. November 675 wurde es geschrieben und gelesen: das „Toledische Glaubensbekenntnis“1 mit den tiefsten Gedanken und den klarsten Formulierungen über eines der Hauptgeheimnisse des Christentums, das der Menschwerdung des Sohnes Gottes durch die Jungfrau Maria:

Maria sei überschattet, ja umnachtet worden vom Heiligen Geist, und in dieser „Umnachtung“ habe von den drei Personen der Dreieinigkeit „die Person des Sohnes für die Befreiung des Menschengeschlechts einen wahren Menschen ohne Sünde von der heiligen und unbefleckten Jungfrau Maria angenommen, von der er in einer neuen Ordnung und in einer neuen Geburt geboren wurde; in einer neuen Ordnung, weil der in seiner Gottheit Unsichtbare sich im Fleisch sichtbar zeigt; in einer neuen Geburt aber wurde er geboren, weil die unberührte Jungfrau keinen Verkehr mit einem Mann kannte und ihm die durch den Heiligen Geist befruchtete Materie des Fleisches zur Verfügung stellte.“

II Maria – das verlobte Mädchen

Auf den traditionellen Bildern der Weihnachtsnacht wird Maria meist dargestellt als ehrwürdige Frau, erwachsen und reif und um ihre Verantwortung in der Mutterschaft wissend.

Aber diese Vorstellung und Darstellung der Maria trifft nicht zu. Denn wenn man der Erzählung von der Jungfrauengeburt aus Lukas 1 folgt, dann ist durch die Bezeichnung, die Maria in dieser Ankündigungsgeschichte bekommt und die Luther mit der Wendung „mit Maria seinem vertrauten Weibe“ übersetzt, eins klar: „vertraut“ heißt „verlobt“. Maria war versprochen und „verlobt“ – mit Josef, von dem eigenartigerweise im Neuen Testament kein einziges Wort überliefert ist. Aber eben er war mit Maria „verlobt“. Und in der damaligen Zeit war das normale Verlobungsalter, in dem die Eltern die jeweilige Verlobung anzettelten, zwölf oder dreizehn Jahre. Auch Maria war darin wohl keine Ausnahme. Sie war keine „reife Frau“, sondern ein herangewachsenes Kind, ein Mädchen wohl gerade in der Endphase ihrer Pubertät, so gerade erwachsen Dem Alter nach jünger als unsere Konfirmandinnen. Jedenfalls noch am Anfang eines erwachsenen Lebens.

III Der Skandal der sexuellen Missbräuche

Ein kurzer scharfer Blick auf einen Sachverhalt – wenn man hier von einem „Sachverhalt“ sprechen darf –, der einen mehr als verlegen macht, ja einen in den raren Zustand der Fassungslosigkeit versetzen kann:

Auch das vergangene Jahr 2019 war ein Jahr weiterer Aufdeckungen sexueller Missbrauchsskandale in den Kirchen. Die vom Rat der Ev. Kirche in Deutschland beauftragte Hamburger Bischöfin Fehrs, die sich in besonderer Weise mit den Missbrauchsfällen befassen soll, hat auf der Synode von über 700 Vergehen – auch in der Ev. Kirche – gesprochen. Wie soll man von diesen schrecklichen Missgriffen her es begreifen, dass Maria zur Zeit ihrer Schwangerschaft ein so junges Mädchen war? Es lässt sich nur annähernd begreifen, wenn man sich vor Augen führt, dass Mädchen in der patriarchalen Gesellschaft nur allzu wenig galten und dass erst nach der Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert eine moderne, demokratische Gesellschaftsordnung – langsam, langsam, viel zu langsam – wachsen konnte, und dass in diesem langen Prozess die sexuelle Ausbeutung der Frauen und insbesondere der Mädchen wenigstens in einigen Ländern auch geächtet wurde. Noch weit entfernt sind wir davon, dass diese Ächtung, die zu den Menschenrechten gehört, überall durchgesetzt wäre – auch überall in den Religionen. Aber das Recht auf sexuelle, gewaltlose Selbstbestimmung gehört zum Mindestmaß der Frauenrechte.

IV Das Wichtige der Jungfrauengeburt

Aber nun sind die Weihnachtsgeschichten bei Lukas und Matthäus auch darin unglaublich, dass sie eben Maria als Jungfrau darstellen. Und die Bischöfe von Toledo sprechen aus, was die Bibel sagt, aber so direkt nicht ausspricht: Maria war eine Jungfrau, deren „unberührte Jungfräulichkeit noch keinen Geschlechtsverkehr mit einem Manne kannte“, nicht einmal eine Berührung. Bei jüdischen Auslegern ist „Jungfrau“ sogar ein junges Mädchen, das noch nicht menstruiert.

Bitte verschließen Sie nunmehr nicht völlig Augen und Ohren, wenn das Stichwort „Jungfrau“ und „Jungfrauengeburt“ fällt. Vieles, ja unzählig vieles ist missbräuchlich und abwegig zu diesem Glaubenssatz gesagt und gezetert, gedoktert und dogmatisiert worden. Entscheidend ist daran, dass mit dem Dogma von der „Jungfrauengeburt“ etwas Wichtiges gesagt wird:

Nämlich, dass der unsichtbare, ewige Gott herausgetreten ist aus seiner Wirklichkeit. Sie ist für unsere Sinne unzugänglich und unverfügbar. Hier erkennen wir nichts, aber auch gar nichts- aus eigener Vernunft und Kraft: Aus dieser göttlichen Wirklichkeit heraus ist der ewige Gott in der Kraft des Heiligen Geistes in Leib und Leben des Mädchens Maria eingezogen, um aus ihr heraus Mensch zu werden. Gott selber hat Maria einzigartig einbezogen in die Geschichte seiner Zuwendung zur Welt, seiner Liebe zu den Menschen. Der ewige Gott selber wird in der Kraft des Heiligen Geistes (im Leib der Maria) Mensch. Der Ewige zieht ein in ihren Leib, um geboren zu werden als Mensch in der Zeit – als einer von uns. So wird Gott Mensch, ohne aufzuhören Gott zu sein. Das ist der Kern der Lehre von der Jungfrauengeburt. Das ist das Wichtige, das auch heute noch wichtig ist.

Und so ist unsere immer noch weihnachtliche Zeit, in der das geschehen ist, letzte Zeit: Sie endet nicht, weil Gott selber in menschlicher Zeit und Gestalt kommt und in ihr gegenwärtig ist. Wie am Anfang aller Zeit, „als die Erde wüst und leer war, und es finster war auf der Tiefe“ (1. Mose 1,2) geschieht hier in der Mitte der Zeit die Zeugung eines Menschen ganz von Gott aus: In ihm kommt Gott selbst in die Zeit, um diese Welt in Ewigkeit zu retten. Er bricht „den Fluch der speichelflüssigen Hexe Zeit“, von der Friedrich Nietzsche einmal spricht. Es ist die Hexe, die unsere Zeit tödlich frisst. In dieser Zeit, in der Mitte der Zeit, in der Zeitenwende wird Gott Mensch wird, aus Maria der Jungfrau. Es ist darum durchaus angemessen, wenn in der katholischen Kirche von Maria als der „Mutter Gottes“ gesprochen wird, auch wenn sie durch die Jungfrauengeburt nicht selber göttlich wird, wie die Protestanten zu Recht betonen.

V Jungfrauengeburt – wie soll ich das glauben?

Aber lässt sich das nun alles heute noch so glauben? Soll ich glauben, dass Maria schwanger wird ohne den Samen eines Mannes? Oder gehören diese eigenartigen Lehren auf den Müllhaufen der Theologiegeschichte, weil der moderne Mensch damit in seinem Leben gar nichts mehr anzufangen weiß?

Ich sehe es so: Die biologische Frage will ich nicht beantworten. Ich weiß es nicht. Ich muss diese Frage auch nicht beantworten. Aber die Lehre von der Jungfrauengeburt ist unbedingt zu bewahren, zu fördern und zu erneuern. Sie ist ein Symbol. Ein Symbol ist ein Zeichen, das einen tieferen Sinn andeutet. Ein Symbol ist ein Sinnbild. Und eben das ist die Rede von der Jungfrauengeburt. Sie ist Zeichen für den besonderen Lebensanfang Jesu‚ so wie das leere Grab am Ostermorgen ein Symbol für die Auferweckung des Gekreuzigten ist. Aber auf was deutet sie hin, was symbolisiert die Jungfrauengeburt? Sie weist darauf hin, dass am Anfang dieses Kindes und in seiner Geburt nicht der Mensch steht, sondern der ewige Gott.

Wenn gesagt wird: Gott selber habe diesen Jesus von Nazareth höchst selbst gewollt, Gott selber sei in dessen Leben in unsere dunkle Zeit gekommen, dann ist mit dem Symbol der Jungfrauengeburt ausgedrückt:

VI Die unerhebliche Bedeutung des Mannes bei dieser Zeugung

Nicht die Klugheit, die Frömmigkeit, die schneidige Tüchtigkeit oder das unwiderstehliche sexuelle Begehren eines Mannes ist hier auslösender Faktor. Oder etwas direkter gesagt: Nicht der eitle und immer so wundervoll großspurige und potente Mann ist die „Krone der Schöpfung“. Der Mann spielt hier nicht wie oft bei so vielen gewollten und ungewollten Zeugungen die erste Geige. Er ist ausgeschaltet.

Und darum ist es an der Zeit, dass auch die kirchliche Bewegung älterer und jüngerer Männer das Dogma, das Symbol von der Jungfrauengeburt neu entdeckt: als ein männerzurechtweisendes Dogma. Dieses Dogma bereitet der männlichen Umnachtung im unwiderstehlichen sexuellen Begehren ein Ende. Und es warnt den eingebildeten Mann. Mich auch. Geradezu katechismusartig hat vor geraumer Zeit das eher konservative Wochenmagazin FOCUS das Dogma von der Jungfrauengeburt für die Männer erklärt. Zitat:

Maria mit dem Ei des Erlösers, das nach christlichem Glauben vom Heiligen Geist befruchtet wurde, birgt eine geradezu männermordende Botschaft: Man braucht die Kerle gar nicht. Das ganze Machogehabe ist aufgeplusterte Wichtigtuerei. Die Menschheit braucht die Männer nicht, um erlöst zu werden. Theologisch gesprochen: Die Kirche braucht nur Gott – und nichts dazwischen. Eine gefährliche These für den Bestand der Machos und ihrer Klerisei.“

Besser kann es der abendliche Prediger auch nicht sagen. Und das, was im FOCUS steht, ist richtig: orthodox d.h. rechtgläubig – und evangelisch aus gutem Grund:

VII Kränkung und Demütigung, Partnerschaft und Selbstbestimmung

Wir Männer sind keine Priester, die Gott vermitteln – auch nicht, wenn wir riesige priesterliche Titel und Gewänder tragen. Die beiden Geschichten von der Jungfrauengeburt sind dadurch auch Kränkung, Demütigung der Männer – auch meine Demütigung. Und sie ist Antwort auf die Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter:

War am Anfang (nach der alten biblischen Schöpfungsgeschichte) der Mann das erste Werk des Schöpfers vor der Frau, so hat hier in der Zeitenwende, bei der Erschaffung des neuen Menschen zur Erlösung der Welt, die Frau das Primat. Hier hat sie allen Vorrang und alles Vorrecht vor dem Mann. Hier steht sie im Vordergrund. Und zwar in der Gestalt der jungen, heranwachsenden Frau, in Maria – der Jungfrau. Also in einer Gestalt, die nicht wenige Männer so begehrlich und hinreißend finden, dass sie sich zum Missbrauch hinreißen lassen und vor allem junge Frauen in ihrer leiblichen und seelischen Würde verletzen und sie oft in einen unfassbaren, schrecklichen Schatten rücken, der ihnen dann ein Leben lang nachgeht.

Maria aber steht dafür als Zeichen, dass es in der Schöpfung Gottes und erst recht seit Christi Geburt keine unterjochenden, verletzenden und niederreißenden Begehrlichkeiten des Mannes nach der Frau geben darf. In einem jungen Mädchen, für das hier die junge Maria steht, würde sich der Mann ja an Gott selber vergreifen. Die Jungfrau Maria steht aber auch dafür, dass es prinzipiell keine Unterwerfung und Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann geben darf. Sondern nur – wirklich: nur! – die von Gott gewollte Partnerschaft und Selbstbestimmung

VIII Der menschgewordene Gott

Wenn es so verstanden wird, wird auch deutlich, dass der christliche Glaube nicht in Tatsachenspekulationen aufgeht. Das Symbol von der jungfräulichen Zeugung hat den Sinn, uns zu sagen: Gott in seiner Souveränität ist in die Tiefe gegangen. Er stellt sich auf unsere Seite, auf die Seite des Menschen – in der Menschwerdung seines Sohnes. Wir glauben, dass ER in dieser Erniedrigung uns herausholt aus unseren Erniedrigungen. In dieser Weise bringt er uns heim als die mit ihm versöhnte Welt und Menschenschar. Als der menschgewordene Gott begleitet er unseren Lebensweg – den Weg zu ihm, durch den Tod ins Leben.

Wer sich da in biologischen Behauptungen über die Beschaffenheit des Unterleibes der Maria oder die Potenz, beziehungsweise Impotenz des heiligen Josef verliert, ist meist ein religiöser Voyeur. Oder wer auf der anderen Seite ,,vom Pferd fällt“, indem er sich in historischen Spekulationen etwa über eine mögliche römische Vergewaltigung der Maria ergeht2, zeigt , dass er den Blick für elementare Wahrheiten der Heiligen Schrift und des Lebens aus dem Blick verloren hat: die Wahrheit, die das Evangelium bekundet und weit über das hinausgeht, was wir von uns aus sezieren, greifen und begreifen können. Schon die siebzehn Väter und Bischöfe von Toledo haben hierzu das Notwendige gesagt:

Diese Jungfrauengeburt kann weder von der Vernunft erfasst noch an einem Beispiel gezeigt werden; denn wenn sie von der Vernunft erfasst werden könnte, wäre sie nicht wunderbar; wenn sie an einem Beispiel gezeigt werden könnte, wäre sie nicht einzigartig!“

IX Der wahre Gott – der wahre Mensch

Ich plädiere also für die Beibehaltung und Ehre des Dogmas von der Jungfrauengeburt. Im Nizänischen Glaubensbekenntnis, das wir eben gesprochen haben, heißt es:

Für uns Menschen und zu unserem Heil ist Er – nämlich der wahre Gott in seinem Sohn Jesus Christus – vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“.

Diese Sätze sind zu Recht in das Bekenntnis aller Christen – der Orthodoxen wie der Katholiken wie der Protestanten – gestellt worden. Sie sind die Substanz des Dogmas, des Symbols von der Jungfrauengeburt und von der Menschwerdung Gottes. Diese Sätze des Nicänischen Bekenntnisses rufen uns zu, Männern wie Frauen, ihrem ganzen Tiefsinn und in ihrer ganzen Feierlichkeit:

Mensch, für Dich ist der ewige Gott Mensch geworden durch die Mutter Maria. So bist auch Du Mensch durch Jesus Christus gerettet. Denn von dessen Anfang in der Krippe bis zu seinem Ende am Kreuz hat Gott auch dein Leben mit all seinem Leiden und seinen Verfehlungen getragen. Und in seiner Auferstehung hat er es gewandelt – hin zum ewigen Leben, das dir nicht mehr verloren gehen wird.

Und nichts weniger ist auch dir, du …. Mensch, hier am …… in …… des zweiten Weihnachtstages verheißen. Und so bist auch du schon jetzt Gottes geliebtes Kind um des Kindes willen, das die Jungfrau Maria zu Bethlehem in ihrer eher schwachen menschlichen Kraft, aber dennoch in der ganzen Kraft des göttlichen Geistes geboren und zur Welt gebracht hat. Amen.

 

____________

Lied: Gelobet seist du, Jesu Christ / EG 23, 1 – 3

Gebet

Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist,

unbegreiflich sind die Wege deines Erbarmens,

unerforschlich ist die Tiefe deiner Zuneigung,

unbedingt ist Dein Weg zu uns Menschen.

 

Wir danken Dir für das Evangelium,

von der Jungfrau Maria und ihrem Sohn Jesus,

das Du auch uns heute hast wieder hören lassen.

Und wir bitten dich:

Lass uns Vertrauen, Ehrfurcht und Liebe

zu ihm, Jesus Christus, finden.

Und Vertrauen, Ehrfurcht und Liebe

brauchen wir auch für uns und füreinander.

Wandle unsere Klagen in Dank und Anbetung,

denn von dir und durch dich kommt alles,

und alles läuft auf dich zu.

Schenk uns Dein Kommen

In unserer Zeit – jetzt an diesem Tag und Abend,

an welchem wir die Weihnachtszeit

beschließen.

Amen. [aus der Agende Kurhessen-Waldeck]

Vater unser ….

Lied: Gelobet seist du Jesus Christ / EG 23, 4 – 7

 

____________

Anmerkung zur theologischen Grundlegung der Predigt:

Predigt, Lesung, Lieder und Gebete dieses Gottesdienstes stehen in ihrem Zusammenhang in der Folge einer theologischen Grundentscheidung. Sie liegt darin, dass ich die altkirchliche Zweinaturenlehre als eine tiefe, unaufhebbare und auch aktuelle Wahrheit ansehe.

So habe ich die Lieder danach ausgesucht, ob sie in Klarheit das unverzichtbare „vere deus et vere homo“ (wahrer Gott und wahrer Mensch) jener Lehre zum Ausdruck bringen. Natürlich – sofern man hier „natürlich“ sagen darf – gilt das einzigartig von Martin Luthers „Gelobet seist du, Jesu Christ“, das im Anschluss an die Predigt gesungen wurde.

Kern und Stern der Zweinaturenlehre sehe ich so: Das Kind zu Bethlehem steht ganz auf der Seite Gottes und ganz auf der Seite des Menschen. Es kommt mithin „ganz von oben“ und „ganz von unten“. Die Bezeugung der Jungfrauengeburt (Matthäus 1 + Lukas 1) gilt (nicht ohne das „vere homo“) vorrangig dem „vere Deus“. Die Verkündigung des Kindes in der Krippe (Lukas 2), des Mordplans des Herodes und der Flucht nach Ägypten (Matthäus 2) bezeugen vorrangig (nicht ohne das „vere Deus“) das „vere homo“.

Gegen

  • eine oft vertretene Angebotschristologie [„Gott schenkt dir zu Weihnachten sein Herz. Aber annehmen und aufmachen musst du dein Geschenk schon selbst!“]
  • oder eine liberale Vorbildchristologie [„In Jesus hat Gott uns ein Beispiel gegeben. Wo wir handeln wie Jesus, wird es Weihnachten!“]
  • oder eine verkürzte politische Revolutionschristologie [„Zu Weihnachten beginnt Gottes Kampf gegen die Unterdrücker. An diesem Kampf müssen wir uns unbedingt beteiligen. Denn Gott hat keine anderen Hände als unsere.“]

gilt es meines Erachtens, den Zusammenhang der altkirchlichen und der reformatorischen christologischen Grundentscheidungen neu zu erschließen: als Entscheidung

für

  • das „vere Deus et vere homo“ (wahrer Gott und wahrer Mensch) – hier exemplarisch dargelegt an der Lehre von der Jungfrauengeburt?
  • das „sola gratia“ (gerettet und gerechtfertigt allein aus Gnade),
  • einen nachhaltigen Vorrang der Indikative vor den Imperativen in der Predigt,
  • einen zeitgemäßen Bezug, durch den der Glanz und das Überraschende der Inkarnation verdeutlicht wird.

1 11. Synode von Toledo (675), Glaubensbekenntnis – in: H. Denzinger – P. Hünermann, Enchiridion symbolorum …., 37. Aufl., Freiburg 1991, S. 246.

2 Zuletzt G. Lüdemann

 

____________

Dr. Rolf Wischnath war reformierter Pfarrer in Soest und Berlin und Generalsuperintendent (1995 – 2004) der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg. Er ist Honorarprofessor der Universität Bielefeld.

 

Prof. Dr. Rolf Wischnath

E-Mail: rolf.wischnath@t-online.de

de_DEDeutsch