Gottes Rechenschieber

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Gottes Rechenschieber

Predigt zu Matthäus 20,1-16, verfasst von Andreas Kern |

Jesus erzählte den Leuten dieses Gleichnis (Matthäus 20,1-16 – Hoffnung für Alle): Am Ende wird es in Gottes himmlischem Reich so sein wie bei einem Grundbesitzer, der frühmorgens in die Stadt ging und Arbeiter für seinen Weinberg anwarb. Er einigte sich mit ihnen auf den üblichen Tageslohn und schickte sie in seinen Weinberg. Gegen neun Uhr morgens ging er wieder zum Marktplatz und sah dort noch einige Leute stehen, die keine Arbeit hatten. ›Geht auch ihr in meinen Weinberg‹, sagte er zu ihnen. ›Ich werde euch angemessen dafür bezahlen.‹ Und so taten sie es. Zur Mittagszeit und gegen drei Uhr nachmittags machte sich der Mann erneut auf den Weg und stellte weitere Arbeiter ein.Als er schließlich um fünf Uhr ein letztes Mal zum Marktplatz kam, fand er dort immer noch ein paar Leute, die nichts zu tun hatten. Er fragte sie: ›Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?‹ ›Uns wollte niemand haben‹, antworteten sie. ›Geht doch und helft auch noch in meinem Weinberg mit!‹, forderte er sie auf. Am Abend beauftragte der Besitzer des Weinbergs seinen Verwalter: ›Ruf die Arbeiter zusammen und zahl ihnen den Lohn aus! Fang bei den letzten an und hör bei den ersten auf!‹ Zuerst kamen also diejenigen, die gegen fünf Uhr eingestellt worden waren, und jeder von ihnen erhielt den vollen Tageslohn. Dann traten die vor, die schon früher mit der Arbeit begonnen hatten. Sie meinten, sie würden nun mehr bekommen, aber auch sie erhielten alle nur den vereinbarten Tageslohn. Da beschwerten sie sich beim Grundbesitzer: ›Die Leute, die du zuletzt eingestellt hast, haben nur eine Stunde gearbeitet, und du zahlst ihnen dasselbe wie uns. Dabei haben wir uns den ganzen Tag in der brennenden Sonne abgerackert!‹ ›Mein Freund‹, entgegnete der Grundbesitzer einem von ihnen, ›ich tue dir doch kein Unrecht! Haben wir uns nicht auf diesen Betrag geeinigt? Nimm dein Geld und geh! Ich will nun einmal auch dem Letzten genauso viel geben wie dir. Darf ich mit meinem Besitz denn nicht machen, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich so großzügig bin?‹ Ebenso wird es einmal bei Gott sein: Dann werden die Letzten die Ersten sein, und die Ersten die Letzten.«

Ich habe was mitgebracht: meinen Rechenschieber aus der Schule. Das muss so in der 8. oder 9. Klasse gewesen sein, und meine Schulzeit ist lange genug her, dass es da noch keine Computer gab. Für das Malnehmen oder Teilen von Zahlen haben wir tatsächlich solche komischen Geräte genutzt: Rechenschieber. Kennt heute kaum noch ein Mensch, so etwas. Ich musste auch erst wieder ein bisschen üben für diese Vorführung.

[ Rechenschieber vorführen, (mit älteren Kindern?) Beispiele berechnen:
2 mal 3 ist einfach, aber 2½ mal 3½ ?
9 geteilt durch 3 ist einfach, aber 9 geteilt durch 3½ ?
Das geht mit dem Rechenschieber genauso einfach! ]

Wir alle haben schon mal selbst gerechnet, was Am Ende rauskommen wird, oder? Wer ehrlich ist, der wird zugeben: Das tut er oder sie jeden Tag!

Wenn ich die Spritpreise vergleiche und die Tankstelle mit dem um 2 Cent günstigeren Preis ansteuere, rechne ich mir aus: bei 50 Litern 1 Euro gespart, sehr schön! Beim HVV kaufen wir die Gruppenkarte, wenn wir zu Zweit oder zu Dritt nach Hamburg unterwegs sind – schon wieder gespart, diesmal mehr als 1 Euro! Und genauso bei den Sonder-Angeboten aus den vielen Prospekten, bei den Rabatt-Gutscheinen und den Payback-Punkten: Wir rechnen aus, was wir gewinnen (oder zu gewinnen hoffen), wenn wir das in Anspruch nehmen. Viele von uns spielen Lotto oder schließen Wetten ab, im Wettbüro, im Internet oder an der Börse – und meinen tatsächlich, dass sie dabei gewinnen würden, irgendwann.

Denn natürlich ist es uns allen auch schon passiert, dass wir uns vertan haben bei der Berechnung unseres Vorteils. Dass unsere Erwartungen sich nicht erfüllt haben, dass da ein Denkfehler drin war oder ein Problem, das wir nicht vorausgesehen haben: Wir haben am Ende nicht das erhalten, was wir gedacht haben. Wir haben den Vorteil nicht voll ausschöpfen können, den Gewinn nicht erzielt.

Der Volksmund hat für solche Mathematik schöne Ausdrücke gefunden:

Bei der sprichwörtlichen Milchmädchenrechnung werden wesentliche Dinge vergessen. Da kommt natürlich ein Ergebnis raus, das sogar richtig berechnet ist – aber wenn ganz am Anfang was nicht stimmt, stimmt auch das Ergebnis nicht.

Und die Rechnung ohne den Wirt machen, das heißt: Ich rechne schon mal aus, wie viel ich wohl bezahlen muss am Ende– aber ohne einen wichtigen Partner, der seine Zahlen mitbringt, geht das oft daneben: Es kommt etwas ganz anderes heraus als ich dachte.

In unserer Gleichnis-Geschichte rechnen die Menschen auf ihre menschliche Art: Die vom frühen Morgen an gearbeitet haben, die haben vergessen, was sie als Lohn abgemacht hatten mit dem Weinbergbesitzer. Zur Erinnerung: Abgemacht war der damals übliche Lohn für einen ganzen Tag Arbeit, das war ein Silbergroschen oder Denar. Nehmen wir mal an, dass das heute 100 Euro wären. Wer heute als Ungelernter in der Landwirtschaft Mindestlohn erhält, kommt mit Überstunden auf etwa diesen Betrag. Davon wird man nicht reich, aber man ist auch nicht ganz schlecht dran.

Der Weinbergbesitzer hat also mit denen, die er am Morgen eingestellt hatte, einen fairen Lohn abgemacht. Das war keine Zumutung. Er hat sie nicht ausgenutzt, schlecht behandelt, sondern die übliche und akzeptierte Größenordnung eingehalten.

Das Ärgernis, der Skandal entsteht, weil die, die den ganzen Tag in der heißen Sonne gearbeitet haben, abends nun danebenstehen und sehen, was die bekommen, die nur eine Stunde mitgemacht haben: Die bekommen den ganzen Tageslohn, einen Denar!

Klar, ich würde auch sofort rechnen: Ich hab viel mehr Stunden gearbeitet, 9 oder 12 lange Stunden – also müsste ich dann wohl 9 oder 12 Tages-Löhne gezahlt bekommen!

Aber da habe ich offenbar die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Gott müsste wie ich rechnen, habe ich gedacht. Tut er aber nicht!

Hier sehen wir, was Jesus uns und denen, die seine Erzählung hören, zeigen will: Im Himmel wird nicht gerechnet. Und wenn doch, dann in Dimensionen, die wir nicht nachvollziehen können.

Gott rechnet nicht – oder eben ganz anders. Für sein Himmelreich hat er einen anderen Rechenschieber als wir Menschen. Auf Gottes Rechenschieber gibt es nämlich keine Zahlen, die der Größe nach in logarithmischen Skalen angeordnet sind.

Auf Gottes Rechenschieber steht überall nur drauf: Genug.

Genug zum Leben.

Genug zum Lieben, Genug zum Frieden, zum Heilen und zum Heil.

Genug zum Versöhnen, Genug zum Teilen, Genug zum Verschenken.

Ja, es stimmt: Menschen – auch in den Kirchen – haben immer versucht, Gottes Heil und Gottes Liebe zu berechnen. Aber das ist beides nicht berechenbar! Weil Gottes Liebe nämlich unendlich ist! Weil seine Güte keine Schwellenwerte kennt und seine Barmherzigkeit keine Listen führt. Sie sind alle absolut, außerhalb unserer menschlichen Vorstellungskraft und all unserem Verstehen komplett entzogen – also unberechenbar.

Jesus möchte, dass wir verstehen: Gott ist einer, der jedem das schenkt, was er braucht.

Nun frage ich natürlich gleich wieder: Wer weiß denn, was ich brauche, was für mich genug ist? Darf ich da vielleicht auch ein Wörtchen mitreden? Oder bestimmt das wer anders?

Ich kann gerne versuchen mitzureden. Aber ich merke irgendwann: Je lauter ich sage, was ich will, desto kümmerlicher ist das Ergebnis. Gottes Genug ist für mich genug: Das lerne ich wohl eher, wenn ich nicht so viel fordere, sondern ein wenig bescheidener bleibe.

Ich kann mit meinem Rechenschieber – oder wir heute mit Computern – die Welt und das Geld schön berechnen. Ich möchte, dass die Ingenieure die Elbbrücken nach Hamburg sehr genau und im Detail berechnen, bevor ich da rüberfahre mit der Bahn oder im Auto. Dafür sind die Rechenschieber damals und die Computer heute phantastisch gute Instrumente!

Aber sobald wir versuchen, die Liebe zu berechnen, stellen wir fest: Das funktioniert nicht. Wer die Treue, den Frieden oder das Heil berechnen will, der wird jämmerlich scheitern.

Wer aber darauf vertraut, dass Gott Genug gibt, gewinnt Frieden und Heil.

Die Erzählung von Jesus beginnt mit Am Ende. Am Ende werden wir alle von Gott so ausgezahlt, dass wir unendlich reich sind. Das lernen wir in dieser Erzählung. Gott belohnt uns, wenn wir uns auf ihn einlassen. Wer in seinem Weinberg mitarbeitet, erhält den vollen Lohn.

Am Ende: Damit ist, so meine ich, nicht das Ende meiner Zeit gemeint. Dass ich Genug habe, dass Gott mich liebt und mir Leben schenkt, das spüre ich doch auch in meinem täglichen Leben. Und ich kann das ausstrahlen in meine Umgebung, kann es in der Nähe und in der Ferne wirksam werden lassen: Weil Gottes Rechenschieber nur Genug kennt, bin ich reich entlohnt, reich beschenkt. Weil Gott mich liebt, habe ich Genug, selbst wenn ich davon täglich etwas abgebe.

Vielleicht heißt es Himmelreich, weil wir da alle reich sind? Überlegen Sie mal! Und dann rackern Sie mit in diesem Weinberg! Amen.

de_DEDeutsch