5.Mose 8, 7-18

Dankbarkeit | Erntedank 2022 | 02.10.2022 | Predigt zu 5.Mose 8, 7-18 | Sibylle Reh |

(Kanzelgruß)

5.Mose 8, 7-18

7 Denn der HERR, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, 8 ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, 9 ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. 10 Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. 11 So hüte dich nun davor, den HERRN, deinen Gott, zu vergessen, sodass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst. 12 Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13 und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14 dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, 15 und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war, und ließ dir Wasser aus dem harten Felsen hervorgehen 16 und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit er dir hernach wohltäte. 17 Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. 18 Sondern gedenke an den HERRN, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.

Liebe Gemeinde, wie jedes Jahr feiern wir Erntedankfest, wie der Name schon sagt, ein Fest, das dazu da ist, mal Danke zu sagen für das, was wir haben, und nicht über das zu jammern, was wir nicht haben.

Dankbarkeit in Stein.

In meinem Heimatdorf Herberhausen bei Göttingen gibt es einen Gedenkstein, der auf einem Hügel oberhalb des Dorfes steht. Die Inschrift habe ich, seit ich lesen kann, so oft gelesen, dass ich sie noch immer auswendig kann.

„Wir wollen einen Altar bauen, der Ebenezer heißen soll, Daran kann man die Worte schauen: Gott führet seine Kinder wohl. So findet hier die Losung statt: wohl dem, der Gott zum Führer hat.“

Daneben gibt es einen weiteren kleinen Stein mit einer Erklärung: 1852 gab es nach mehrjähriger Missernte eine reichliche Kartoffelernte, und die dankbaren Bauern setzten diesen Gedenkstein.

Dieser Stein wird seitdem Kartoffelstein genannt. Der Kartoffelstein muss den Bauern stets wichtig gewesen sein, denn nach Beschädigungen, sei es durch Blitzschlag oder Vandalismus, wurde er immer wieder erneuert und besteht nun seit 1966 in wetterfestem Muschelkalk.

Wo zeigen wir eine solche Dankbarkeit heute noch?

Auch wenn sich in diesem Jahr mehr Angst vor der Zukunft und dem kalten Winter in die Dankbarkeit mischt, leben wir dennoch in einem Land, in dem seit Jahrzehnten kaum einer hungern und frieren musste. Es ist ein reiches Land, in dem Milch und Honig fließt.

Wer etwas hat, vergisst oft, dass es nicht selbstverständlich ist. Auch wer sich sein Geld selbst erarbeitet hat, brauchte dafür Voraussetzungen, die außerhalb seiner Möglichkeiten lagen: geistige und körperliche Gesundheit zum Beispiel; Beziehungen, in die er / sie hineingeboren wurde; Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein.

Das Alte Testament bringt all diese Gefühle in Zusammenhang mit der Geschichte vom Auszug aus Ägypten. Manchmal sogar noch in die Zeit davor. „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer, dem Verhungern nah“ (5.Mose 26,5) heißt es in einem Glaubensbekenntnis aus der hebräischen Bibel. Dieser Vorfahr, der gemeint ist, ist Jakob, der auch Israel heißt. Er zog mit seinen Kindern während einer Hungersnot nach Ägypten.

Dort wurden seine Nachkommen versklavt und konnten viel später mit Gottes Hilfe fliehen.

Gott selber rettete sie am Schilfmeer durch eine Wasserwelle vor der Verfolgung der Ägypter, geleitete sie durch die Wüste, versorgte sie dort mit Wasser, Manna und Wachteln, und führte sie schließlich in das Land, in dem sie später lebten, ein Land, in dem Milch und Honig fließt.

Die Propheten erinnerten das Volk immer wieder daran, dass es seinen Anfang in der Wüste hatte, dass fruchtbares Land nicht selbstverständlich ist, sondern ein Geschenk Gottes.

Selbst Mose, der Prophet, der das Volk führte, hat keine Kraft aus sich selber. 12 Frauen brauchte er, um zur Welt zu kommen und zu überleben: Die mutigen Hebammen Schifra und Pua, die sich dem Befehl des Pharao widersetzten, alle männlichen Neugeborenen der Ägypter zu töten, die Mutter, die ihn auf die Welt brachte und ihn in einem Weidenkorb versteckte, die Schwester, die half, und die Tochter des Pharao, die ihn rettete und großzog.

Später musste er in die Wüste fliehen, weil er einen ägyptischen Aufseher getötet hatte, der einen Mann aus seinem Volk schlug. Die 7 Töchter Jitros retteten ihn dort und nahmen ihn auf.

Später sprach Mose auch nie direkt zum Volk.

Er hatte eine schwere Zunge, sein Bruder Aaron war sein Sprachrohr.

Mose war nur durch Gott Prophet, der Führer des Volkes, nicht aus eigener Kraft.

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer, sagt Mose den Israeliten.

Wenn ich auf meine Familiengeschichte blicke, kann ich da Anknüpfungspunkte finden. Der zweite Weltkrieg, die Folgen und die deutsche Teilung haben meine Familie ziemlich durcheinandergewirbelt und an neue Orte ziehen lassen. Ich selber bin auch nicht hier aufgewachsen, sondern wegen der Arbeit meines Mannes hergezogen. Ich denke, das geht vielen von ihnen ähnlich.

Einige müssen vielleicht mehrere Generationen zurückgehen, um sich daran zu erinnern, wann ihre Vorfahren hier angekommen sind, vielleicht bis zu den Hugenotten.

Auf jeden Fall bin ich selber mit der Geburt in dieses Land (auf die Welt), gekommen geboren zu werden war nicht meine eigene Leistung, sondern ein Geschenk.

Im Predigttext heißt es:

Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. 11 So hüte dich nun davor, den HERRN, deinen Gott, zu vergessen.

Liebe Gemeinde, das tun wir jetzt, wenn wir das Erntedankfest feiern! (Wir vergessen nicht). Ich möchte aber zuletzt doch noch auf die Ängste eingehen, die viele von uns haben. Die guten Jahre scheinen für viele vorbei zu sein. Viele haben Angst vor dem Winter, vor den hohen Energiepreisen. Was bis vor kurzem für alle gereicht hatte, scheint jetzt nicht mehr zu reichen. Daran ist vor allem der Krieg schuld. Mir fehlt die Fantasie, wie der Krieg jetzt noch beendet sein werden könnte, außer durch die völlige Erschöpfung aller Parteien. Deshalb hoffe ich und bete um Gottes Hilfe, dass es doch noch eine Lösung gibt. Denn jeden Tag sterben dort mehr Menschen, wird das Land unbewohnbarer. Die hohen Lebensmittelpreise und Energiepreise sind nur die Auswirkungen, die bis hier zu spüren sind.

Aber noch eine große Gefahr für unser sicheres Leben hier und an anderen Orten dieser Erde geht vom Klimawandel aus. Das Klima ändert sich, und damit ändert sich auch das Leben, so wie wir es kennen. In anderen Ländern sterben schon Menschen durch den Klimawandel.

Doch wir haben noch eine Möglichkeit einzugreifen, indem wir unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen senken und die Energie klug anwenden, um das Land, das Gott uns gab zu bebauen, zu bewahren.

Liebe Gemeinde, immer wenn in der Bibel von Dankbarkeit die Rede ist, da geht es auch ums Abgeben, Teilen. Wer etwas hat, gibt etwas ab. Das ist zum Glück in der Natur des Menschen schon angelegt. Jedes Kleinkind, sobald es den Löffel halten kann, versucht es seine Eltern zu füttern. Fast jeder Mensch füttert gerne Stockenten, obwohl das gar nichts nützt, denn die Enten gehören uns nicht. Aber es ist ein befriedigendes Gefühl, Tiere zu füttern, Nahrung abzugeben. Teilen ist also schon in der Natur des Menschen angelegt. Trotzdem braucht es manchmal eine Erinnerung, damit wir es wieder gerne tun. Manchmal brauchen Menschen einen kleinen Schubs, eine kleine Aufforderung anderen zu Helfen. Am schwersten fällt es natürlich, Menschen zu helfen, die wir nicht sehen.

Auch Steuern und Abgaben sind eine Form des Teilens, nur sehr abstrakt. Im Alten Testament werden im Zusammenhang mit Erntefesten schon eine Abgabe aus den Erstlingsfrüchten erwähnt. Aber auch unsere Gesellschaft ist solidarisch, aus den Erstlingsfrüchten, die im Alten Testament die Priester mal gut und mal schlecht verwalten, sind längst Steuern und Sozialabgaben geworden, die auch mal gut und mal schlecht verwaltet werden, die aber notwendig sind in einer solidarischen Gesellschaft. Im Großen und Ganzen zahle ich ganz gerne Steuern, denn nur wenn ich etwas habe, werden mir auch Steuern abgezogen. Ein Gemeindemitglied einer früheren Gemeinde sagte mir mal: “Ich habe viel Kirchensteuern gezahlt, ich hätte gerne noch mehr gezahlt, denn das hätte bedeutet, ich hätte noch mehr verdient.”

Liebe Gemeinde, zum Schluss möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen. Ein weiser Mann wurde einmal gefragt, wie denn die Hölle aussehe. Er sagte: „Die Hölle, das ist so, als ob alle um einen großen Topf mit dem herrlichsten süßen, duftenden Brei herumsitzen. Allerdings sind die Löffel, die man braucht, um an diesen Brei in dem großen Topf zu gelangen viel zu lang, man kann sie nicht zum Mund führen. Und so bleiben alle um diesen großen Topf herum hungrig.“

„Wie sieht dann der Himmel aus?“

„Der Himmel, das ist so, als ob alle um einen großen Topf mit dem herrlichsten süßen, duftenden Brei herumsitzen. Allerdings sind die Löffel, die man braucht, um an diesen Brei in dem großen Topf zu gelangen viel zu lang, man kann sie nicht zum Mund führen. Aber im Himmel, da füttern sich die Leute gegenseitig.“

Kanzelsegen
(Amen)


Sibylle Reh
Strausberg

sreh@gmx.de

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