1.Kön.17,1-16

1.Kön.17,1-16

Nicht aufgeben! | Sonntag, 18. Juli 2021 | Predigt zu 1.Kön.17,1-16 | verfasst von Eberhard Busch |

Grundlegend für die zehn Gebote in unsrer Bibel ist das erste. Es lautet: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ (Ex 20,2f) Wie der holländische Theologe Heiko Miskotte sagte, wiederholen alle andren Gebote das Eine: „Bleib bei deinem Befreier!“ Für die Anerkennung dieses ersten Gebots setzt sich der Prophet Elia ein. Dafür steht er. Dafür kämpft er. Dafür leidet er. Jesus hat sich auch dafür eingesetzt – als er sagte „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geldgott-Mammon“ (Mt 6,24). Zur Zeit des Elia dient „man“ dem Regengott, genannt Ba’al. Den verehrt der König Israels, namens Ahab, und darin folgt ihm das Volk. Leider. Der Gott, dem der Prophet Elia dient, hat nicht bloß einen anderen Namen als jener Ba’al. Er ist anders. Im Verhältnis zu ihm sind der Geldgott und der Regengott pure Götzen. Und das geschieht mitten in Gottes von ihm geliebten Volk, dass man falschen Göttern folgt.

Prüfen wir uns, was wir über alles lieben und ehren! Götzen sind all die Wünsche, die wir uns in die Wolken schreiben; der lebendige Gott ist der, der umgekehrt uns in seiner Hand hat. Götzen sollen uns all das liefern, was wir haben wollen; zum wahren Gott beten wir: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“ (Mt  6,10). Götzen sind Bilder, die wir uns von einem Höchsten machen;  Gott ist der Schöpfer, der uns gemacht hat zu seinem Bild. Übrigens sind Götzen Figuren, die wir auch abschaffen können, etwa weil sie uns nicht mehr zeitgemäß sind, um sie dann flugs durch modernere zu ersetzen. All dem hat der Prophet Elia widersprochen, mit dem einen Satz „So wahr der HERR, der Gott Israels lebt“, bleibt bei diesem eurem Befreier!

Solche kritischen Töne hören wir Menschen freilich nicht so gerne. Ist der Umgang mit all jenen Figuren uns nicht heilig? Müssen wir nicht richtig befreit werden von ihnen? Götzen habe allezeit Hochkonjunktur. Aber gut, lassen wir es einmal aufs Exempel ankommen: du Regengott Ba’al, lasse es regnen, damit die Erde fruchtbar werde! Jedoch, da kommt heraus, dass jener Regengott nicht kann, was sein Name sagt. „Ein Wörtlein kann ihn fällen“, mit Martin Luther zu reden. „So wahr der Gott Israels lebt“, kann Gott seine Hand zurückziehen von dem uns nötigen Regen. Wie Massen von Menschen heute unsre gute Erde missbrauchen, muss erneut das unentbehrliche himmlische Nass ausbleiben. In einem neuen Uno-Bericht steht: „Die Wüsten wachsen weltweit und die Aussichten sind dramatisch: Über 700 Millionen Menschen könnten in den nächsten 30 Jahren zur Flucht gezwungen sein“ – wegen Wassermangel. Und Gott redet dabei ein ernstes Wort mit uns: wegen unsrer Torheit, dass wir seinem Ruf nicht folgen.

Nach unserem Bibeltext ist deswegen der eine Elia zur Flucht gezwungen. Zuweilen kann man im Eintreten für die Wahrheit auch ganz allein dastehen. So, wie Greta Thunberg zunächst ganz allein ihr Plakat hochhielt „Schulstreik fürs Klima“. Elia muss fliehen, weil man ihm die Schuld anlastet für die sich ausbreitende Trockenheit. Ist er daran schuld? Nein, ganz und gar nicht. Er hat ja nur angekündigt, was eintreten wird, „so wahr der Gott Israels lebt.“ Man kann ja auch nicht einen Briefträger haftbar machen für den schlimmen Inhalt eines Briefs, den er gebracht hat. Oder, wie das Sprichwort sagt: „Man schlägt den Sack und meint den Esel.“ Genau das widerfährt dem Propheten Elia. Er soll dafür büßen, dass Gott, der Gott Israels, zur Übertretung des ersten Gebots durch König Ahab und Genossen sagt: Ihr und ihr allein seid die Ursache für die eingetretene Schieflage. Ihr bereitet euch selbst Unglück, wenn ihr andren Göttern folgt außer dem Einen, der uns aus dem Verderben führt.

Dergleichen ist seit Urzeiten oft passiert, dass man Unheilspropheten und Unheilsprophetinnen zum Verstummen bringen wollte. Man beseitigt die Mahner, die vor einem grotesken Fehler warnen, man macht die lächerlich, die uns einen Spiegel vor Augen halten, und schon scheint das Problem beseitigt zu sein. Sind sie verstummt, so stört uns ihr Einspruch nicht länger. Adolf Hitler hat 1941 während eines Mittagessens gespottet: „Ich kümmere mich nicht um Glaubens-Sätze, aber ich dulde nicht, dass ein Pfaffe sich um irdische Sachen kümmert”. So wollte er Mahner ausschalten. Weg mit denen, die sich an das Alte und Neue Testament halten! Für sie gehört es zu den so genannten Glaubenssätzen, dass sie sich sehr wohl um „irdische Sachen“ kümmern?! Sie müssen den Entwicklungen widersprechen, die die Menschen ins Unglück führen – „so wahr der Gott Israels lebt“. Das hat Elia getan.

Deshalb ist er seines Lebens nicht mehr sicher. Er flieht nach Transjordanien. Doch damit gerät er, wie man so sagt, aus dem Regen in die Traufe. Genauer: er gerät aus der einen Dürre in die nächste Dürre. Nicht nur das Volk darbte unter der Knute jenes Königs Ahab, Elia muss auch darben. Er muss sich mit unter das Nein stellen, das Gott jetzt zu seinem Volk spricht. Er sitzt nicht in einer Zuschauerloge und betrachtet aus sicherer Distanz, wie Gott mit ernsten Worten zu Anderen redet. So machen es falsche Propheten. Gott versetzt vielmehr ihn auf die gleiche Stufe wie die Hungernden und Dürstenden drüben auf der Gegenseite. Er hat keinen Vorteil von seinem Mahnen. Er muss mit den Betroffenen leiden. Elia setzt sich an einem Rinnsal nieder und so wie Leute in der Dritten Welt nährt er sich von Speiseresten, von Abfallprodukten, die aus dem Schnabel der Raben fallen. So, wie sich heute so viele Hungrige vom Müll der Reichen am Leben halten. Ein Philosoph im 19. Jahrh. nannte das aber die Zukunft aller Menschen: Ein letzter Mensch an der letzten Kartoffel.

In dieser Situation ist Elia auf den göttlichen Beistand angewiesen und ist es erst recht, als aufs Mal der Bach versiegt und jene Raben verschwinden. Doch ganz in der Nähe der ärgsten Not erfährt er es am eigenen Leib, dass Gott ganz nah bei denen ist, die in Not sind. Ist er nun, soweit das Auge reicht, von Mitmenschen verlassen, so ist er doch nicht gottverlassen. Gott ist ihm nahe. Der steht ihm bei. Damit er durchhält. Damit er nicht aufgibt. Damit er bei seinem Befreier bleibt. An dieser Stelle hat Felix Mendelssohn-Bartoldy in dem Oratorium „Elias“ Psalm 96 in Töne gesetzt: „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“ (v11). Wo dem Armen nichts bleibt als die Hilfe Gottes, da ist er doch kein Habenichts. „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, so bist du, Gott, doch bei mir“ (Ps 23,4). Das hat der Prophet in der Bedrängnis gelernt. Denn selbst ein begnadeter Prophet wie Elia hat nie ausgelernt: dies, was Paul Gerhardt in einem Gedicht gesagt hat. „Wenn gar kein einziger auf Erden,/ dessen Treue du darfst traun,/ alsdann will er dein Treuster werden / und zu deinem Besten schaun.“

Dadurch ist Elia auch ein Lehrer für Andere. Er wird es zuerst für die arme Witwe, zu der er gesandt wird – gesandt, als er nun ganz auf dem Trockenen sitzt. Ist es nicht die völlig falsche Adresse, bei der er jetzt vorspricht? Sie sitzt selber auch auf dem Trockenen. Ihr geht es eben so wie manchen in unsren argen Zeiten. Sie bereitet sich mit ihrem Sohn auf ihren Hungertod vor, mit einer Henkermahlzeit aus etwas Mehl und einem Rest Öl.  Etwas von der Art, was Elia an jenem Rinnsal von den Raben bekommen hat. Und, o Schreck, sie ist eine Heidin, eine, die abseits vom Volk Gottes lebt. Kennt sie überhaupt diesen Einen, der sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit geführt hat? Zur Beschämung der Mitglieder seiner Gemeinde tut sie praktisch das, was diese Anderen jetzt praktisch nicht tun, auch wenn sie den Einen kennen. Sie gibt ihr Letztes her, so dass ihr nichts übrig bleibt außer der Gegenwart „unsres Vaters, der du bist im Himmel“. Sie hat nichts mehr, um sich selbst durchzubringen. Wenn sie jetzt noch am Leben bleibt, dann nicht aus eigenem Vermögen. Dann allein aus Gottes Güte.

Und „die hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.“ (Johannes Zwick) Elia sagt nämlich zu der armen Frau:  „Fürchte dich nicht, denn so spricht der HERR, der Gott Israels: das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln.“ Zugegeben, sie hat gar nicht viel in ihrem Topf und ihrem Krug. Und das Wenige teilt sie sogar noch mit dem hergelaufenem Fremden. Sie weist den illegal eingedrungenen Flüchtling nicht ab. Sie lädt ihn ein an ihren Tisch  – damit der ihr Unbekannte auch am Leben bleibt. Der Fremde braucht auch Nahrung. In diesem Moment macht sie eine fabelhafte Entdeckung:  Indem sie teilt, wird das Wenige nicht weniger. Indem sie abgibt, überleben beide die Krise. Sie hat nun nichts mehr für sich allein.  Und sie, die Arme, wird reich, indem sie das Ihre zusammen mit dem Anderen hat.

Das ist es, was nun die Witwe bei dieser Gelegenheit lernt. So ist diese uns ihrerseits unbekannte Frau wahrhaftig ein Hoffnungszeichen: Der Eine, der Israel aus dem Elend herausgeführt hat in die frische Luft des Lebens, der will, dass kein Mensch vergebens lebt. Der will, dass ein jeder genug bekommt, genug, um zu leben. Dadurch wird „unser Vater im Himmel“ geehrt und dadurch wird unsrem Nächsten geholfen.

Eberhard Busch

37133 Friedland

ebusch@gwdg.de

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