Predigt zu 1 Kön 17,1–16

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Predigt zu 1 Kön 17,1–16

Täglich Brot | 7. Sonntag nach Trinitatis | 18.07.2021 | Predigt zu 1 Kön 17,1–16 | verfasst von Christoph Kock

I.Vom Abgang zum Anfang

Der Abgang ist drehbuchreif. Passend für einen Mann, der sich mit leisen Tönen schwergetan hat. Elia verabschiedet sich. Doch sein Schüler Elisa will ihn nicht gehen lassen, fürchtet den Verlust, kann ihn aber nicht verhindern:

„Und als sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wettersturm gen Himmel.“ (2. Könige 2,11)

Ein großer Bahnhof für einen großen Propheten. Die Bibel macht klar: Es geht direkt zu Gott. Elia, sein Name ist Programm: „Mein Gott ist der Herr, der Gott Israels.“ Das bedeutet Elijahu, sein Name auf Hebräisch. „Mein Gott ist der Herr“. Kurz und knapp. Für Gott hat sich Elia mit seinem König Ahab angelegt. Einen Justizmord entlarvt. Die Machtfrage gestellt: Wer kann es regnen lassen? Wer kann Feuer vom Himmel schicken? Wer steht für Gerechtigkeit ein? Nicht Baal, sondern der Gott Israels. Für diesen Gott hat Elia gestritten, gelitten, gekämpft, getötet. Kompromisslos und gewaltbereit, einsam und auf der Flucht. Und Gott hat für seinen Propheten gesorgt. Ihn bewahrt und gestärkt. Aber der Eifer seines Propheten ist Gott nicht ganz geheuer. So schickt Gott ihn auf einen langen Weg, zum Berg Horeb. Dort ist Gott Elia am nächsten gekommen. Doch nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer, sondern in einem stillen, sanften Sausen. In der Stille ist Gott am stärksten. Auch wenn Gott Katastrophen kann. In den Zwischentönen gewinnt Gott Kontur, für und mit Elia. So wie am Anfang ihrer Geschichte, im ersten Buch der Könige, Kapitel 17.

II. Grenzgänger

Und es sprach Elia, der Tischbiter, aus Tischbe in Gilead zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.

Da kam das Wort des HERRN zu ihm:

Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen.

Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.

Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande.

Da kam das Wort des HERRN zu ihm:

Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.

Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach:

Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke!

Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach:

Bringe mir auch einen Bissen Brot mit!

Sie sprach:

So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben.

Elia sprach zu ihr:

Fürchte dich nicht! Geh hin und mach‘s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir‘s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen.

Denn so spricht der HERR, der Gott Israels:

Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden.

Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag.

Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Elia.

III. Mein Gott und dein Gott

Am Anfang steht eine Dürre. Elia kündigt sie seinem König an – und verschwindet vorsichtshalber. Es ist gefährlich, seine Macht in Frage zu stellen. Wer mit einer schlechten Nachricht daherkommt, geht ein Risiko ein. Die Dürre wird zeigen, wie begrenzt die Macht des Baal ist und damit auch des Königs, der ihm Altäre bauen lässt. Wer einen Gott Gott sein lässt, der Kinderopfer verlangt, trocknet sein Land aus. Der König hat eine falsche Entscheidung getroffen und sein Volk wird darunter leiden. Das wird sich wiederholen. Heute zeichnet sich immer deutlicher ab, wie eine Dürre von menschlichem Handeln beeinflusst und verstärkt wird. Was kompliziert erscheint und intensiv erforscht wird, ist für die biblische Erzählung eindeutig gottgegeben. Sie lenkt den Blick darauf, was mit Elia geschieht und geht zu gleich an eine Grenze:

Gott sorgt dafür, dass Elia sich versteckt, versorgt durch einen Bach und durch Raben, die Fleisch und Brot zu ihm bringen. Für jüdische Ohren überraschend, kümmern sich doch als unrein geltende Vögel um den Gottesmann. Als Elia die angekündigte Dürre einholt und der Bach vertrocknet, schickt Gott ihn weiter. Ins Ausland. Ins Baal-Land. Nun soll eine Witwe ihn versorgen. Frau mit Kind, ohne Mann. Dienstbereit für Fremde? Wer weiß das schon. Die Frau weiß wohl von Elias Gott, aber nichts von ihrer Aufgabe. Als Elia Brot von ihr will, sagt sie: „So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr. Öl und Mehl reichen gerade fürs letzte Brot. Dann droht der Tod.“

Der „Mein Gott ist der Herr“ heißt antwortet:

„Fürchte dich nicht. Gott sorgt fürs tägliche Brot. Für mich, aber auch für dich und deinen Sohn.“

Elias Gott lebt, das ist wahr. Das widerspricht der Furcht, die der Tod und seine Vorboten verbreiten. „So wahr dein Gott lebt“, sagt die Witwe zu ihrem Gast. Aber wer dieser Gottesmann ist, bleibt für sie undurchschaubar. Der Fremde will von dem, was nicht reicht, etwas abhaben. Und doch kommen sie alle drei über die Runden. Tag für Tag. Was für ein Wunder. „Fürchte dich nicht.“ Der Gott Israels lebt.

IV.Leere Töpfe

So essen sie. Tag für Tag. Ob sie irgendwann an einem Tisch gesessen haben, wer weiß. Elia wohnt bei ihr, im Zimmer die Treppe hinauf. Eine Nachbarschaft über Grenzen hinweg, in der Not zu beiderseitigem Nutzen. Ein Wagnis sind sie beide eingegangen, haben Vertrauen riskiert. Elia hat Gott vertraut, dass er bei der Fremden an der richtigen Adresse ist, und sie hat ihm vertraut, ihr letztes Brot gebacken, und es war nicht ihr Ende.

Wenn das so einfach wäre! Sonst versiegen Quellen – und Gottes Wort ist fern. Das Mehl im Topf geht zuneige – und nichts bleibt übrig. Und dann? Der Tod wird Realität. Wie jetzt in Madagaskar.[1]

Die schlimmste Dürre seit vierzig Jahren hat im Süden Madagaskars zu einer Hungersnot geführt. Es hat in den letzten drei Jahren kaum geregnet. Sandstürme haben Ackerland verdeckt, Ernten verdorben. Besonders betroffen sind Kinder. Viele sind unterernährt, es ist ihnen anzusehen. Frauen verkaufen ihre Töpfe. Weil sie keine Chance mehr sehen, darin etwas für sich und ihre Kinder kochen zu können. Weil sie ihre Dörfer verlassen, in den Norden gehen, um an Lebensmittel zu gelangen. Weil das Leben sie verlässt. Leere Töpfe. Keine Hoffnung. Armut und Klimawandel in tödlicher Allianz. Die Menschen brauchen Wunder. Oder Hilfe. Kaum voneinander zu trennen. Was jetzt nötig wäre: Spendenaufrufe von Unicef, Welthungerhilfe und den kirchlichen Hilfswerken stoßen auf Gehör. Transporte werden vor marodierenden Banden geschützt und kommen an. Felder können bewässert werden und liefern ihren Ertrag. Die Liste ist lang. Reaktionen auf diese Nachricht fallen unterschiedlich aus: „Die Leute sind selbst schuld. Warum haben sie so viele Kinder“, postet einer auf tagesschau.de. Andere weisen darauf hin, wie wenig CO2 diese Leute mit den vielen Kindern verursacht haben, im Vergleich zu den wenigen Leuten mit den vielen SUVs. Die Diskussion ändert nichts daran, dass die Töpfe leer sind.

V.„So wahr Gott lebt“

„So wahr dein Gott lebt“, sagt die Frau zu ihrem Gast. Mit dem täglichen Brot legt der lebendige Gott eine Spur, die schnell verwischt werden kann. Das geschieht im Fortgang der Geschichte: Der Sohn der Witwe wird krank und stirbt. Sie bereut, Elia aufgenommen zu haben, und sagt zu ihm: „Was hab ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes? Du bist zu mir gekommen, dass meiner Sünde gedacht und mein Sohn getötet würde.“ Was immer sie auch mit sich herumträgt. Was gewesen ist und sie belastet. Es kommt nicht ans Licht, fällt aber ins Gewicht. Als ob Elia zur Abrechnung geschickt worden ist, im Namen eines unbarmherzigen Gottes.

Elia zieht sich mit dem toten Jungen zurück und klagt Gott an: „HERR, mein Gott, tust du sogar der Witwe, bei der ich ein Gast bin, so Übles an, dass du ihren Sohn tötest?“. Elia fleht um dessen Leben: „HERR, mein Gott, lass das Leben in dies Kind zurückkehren!“ Kein Schrei, kein Fordern, eher ein Flüstern. „HERR, mein Gott, lass das Leben in dies Kind zurückkehren!“ Elias Glaube, Elias Gott und dieses eine Kind. Und Gott hört die Stimme Elias, erhört sein Gebet, und das Leben kehrt zurück. Als die Witwe ihren Sohn wieder hat, sagt sie zu ihrem Gast: „Nun erkenne ich, dass du ein Mann Gottes bist, und des HERRN Wort in deinem Munde ist Wahrheit.“ Gott ist angekommen. In der Fremde.

Gottes Wort ist wahr. Weil sich Gott Leben abringen lässt. Wo Gottes Wort hinkommt, dürfen keine Kinder sterben. Es ist Zeit, Gott daran zu erinnern, mit Worten und mit Taten.

Amen.

 

Lieder:

EG 420

EG.RWL 648

Baustein für die Begrüßung:

„Vorsicht, Starkregen!“, titelt eine Zeitung.[2] Keller laufen voll, zu viel Wasser. In anderen Regionen fehlt es. Dürre und Hitze bestimmen das Bild, verbunden mit Armut führt das zu Hunger. Klimawandel in Aktion? Sehr wahrscheinlich.

Heute hören wir vom Propheten Elia. Wie Gott ihn in einer Dürre bewahrt und wie er Gott dazu bringt, ein Leben retten. Vergangene Worte, die jetzt wirken, um der Zukunft willen.

 

Baustein für die Fürbitten:

Gott, wir leben in Gegensätzen.

Bei uns gibt es Lebensmittel im Überfluss.

Was nicht verkauft wird,

landet meist im Müll.

Woanders fehlen sie.

Menschen hungern.

Wir bitten dich:

Gib uns ein offenes Herz

für die Not anderer.

 

Extreme Wetter nehmen zu.

Überschwemmung und Dürre

sind Kehrseiten derselben Medaille:

Was Menschen tun hat Folgen,

weit über den Tag hinaus.

Klimawandel in Aktion.

Wir bitten dich:

Gib uns einen wachen Blick

für das, was wir verändern können,

und den Mut,

es auch zu tun.

 

Gott,

was du uns zu sagen hast,

verbirgt sich in alten Worten.

Gib ihnen die Kraft,

unsere Gegenwart zu verändern,

uns mitzunehmen in die Zukunft,

die du für uns und für deine Welt im Blick hast.

 

Pfarrer Dr. Christoph Kock

Wesel

E-Mail: christoph.kock@ekir.de

 

Dr. Christoph Kock, geb. 1967, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2007 Pfarrer an der Friedenskirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel.

[1]                https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/madagaskar-duerre-101.html (12.05.2021)

https://www.tagesschau.de/ausland/madagaskar-hungersnot-107.html (26.06.2021)

[2]                Rheinische Post vom 08.07.2021.

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