Offenbarung 21,6

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Offenbarung 21,6

Die Quelle – Erste Predigt zur Predigtreihe „Von der Quelle bis zum Meer“ – Wasser in der Bibel | 14. Sonntag nach Trinitatis | 05.09.2021 | Offenbarung 21, 6 | Berthold W. Haerter |

Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben, umsonst. – Offenbarung 21,6

Liebe Gemeinde

  1. Eine Zeit der Katastrophen

Wer die Welt aufmerksam verfolgt, ist zurzeit immer wieder tief erschüttert.

In diesem Sommer scheint eine Katastrophe auf die andere zu folgen.

Bisher sind wir oft nur Zaungäste.

Es begann mit Hagel und Hochwasser.

Während wir in der Schweiz nur kleinere Schäden zu beklagen haben, sind Gebiete in Deutschland hart getroffen und Existenzen vernichtet worden.

Wirkliche Sommertage beschränken sich bei uns vielleicht auf eine Woche, aber in Südeuropa herrschten Temperaturen, die das Leben an die Grenze des Möglichen brachten.
Dazu kam es wegen der Trockenheit und Hitze zu Waldbränden, die Kulturland und tausender Menschen Heimat zerstörte.

Ein Klimatologe meinte, das seien nicht Vorboten des Klimawandels, sondern wir seien bereits mittendrin.

Im Frühjahr lehnten wir als abgeklärtes und aufgeklärtes Volk ein Klimagesetz ab.

Nun steigen aus ziemlich erklärbaren Gründen die Covid 19-Ansteckungen wieder an, was eine erneute Katastrophe möglich machen könnte.

Am meisten erschüttert uns aber, was einem ganzen Volk widerfährt.

Die wenigen Bilder von Afghanistan sind furchtbar.

Menschen befinden sich in grösster Angst und Not.

Wir schauen zu und fragen uns, wie hochentwickelte Länder, die bis vor kurzem noch als Schutzmächte etwas Sicherheit gaben, wie diese, trotz Geheimdiensten, nicht im Entferntesten erahnten, was sich hier in wenigen Tagen zutrug und nach dem 31.8. noch weiter geschehen wird.

Die Folgen für die Menschen und die Welt überblickt niemand.

Wir erleben heute vor allem verzweifelte Menschen.

Mitten in dieser immer gefährlicher werden Welt hören wir diesen Satz aus der Offenbarung.

Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben, umsonst. Offenbarung 21,6

  1. Dürstende

Ja, Dürstende sind wir wohl alle.

Wir dürsten nach Gerechtigkeit.

Gott sei Dank gibt es diese ansatzweise in unserer Demokratie.

Das Gesetz zur „Ehe für alle“, über das wir bald abstimmen werden, fragt jeden von uns persönlich an: Was halten Sie für gerecht?

Schauen wir über den Tellerrand unserer Schweiz hinaus, dann wird Gerechtigkeit nicht weit entfernt mit Füssen getreten.

Die Sorgen um die Menschen in der Welt, die gezwungen sind, in Diktaturen zu leben, nehmen zu.

Als Christ denke ich in Worten Paul Gerhardts:

„Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsere Not.“ (Befiehl du deine Wege, Strophe 12)

Dürstende sind wir auch nach Frieden und Verständigung unter den Völkern.

Vor 32 Jahren, nach dem Fall des eisernen Vorhanges, glaubten wir einem friedlichen Miteinander entgegen zu gehen.

Heute bekämpfen sich alte und neue Grossmächte, nicht immer sichtbar, aber brutal.

Wenn einer die Vorherrschaft über ein Gebiet aufgibt, sind andere – oft skrupelloser – schon da.

Dass wir dürsten nach einer gesunden und nicht menschlich zerstörten Schöpfung, ist jedem verständlich.

Aber das Eis in Grönland schmilzt beängstigend schnell, wie auch unsere Gletscher in der Schweiz.

Der Weltklimarat warnt, wir sind auf einem gefährlichen Weg.

Schaute man im August abends an den Himmel, sah man mehr Flugzeuge als Sternschnuppen.

Wer ist bereit auf Flugreisen zu verzichten?

Ein Wissenschaftler meinte, dass sFr 200 für ein Retourflugticket nach Mallorca viel zu billig ist, bei den Umweltschäden, die wir dabei anrichten.

Durst haben auch wir Glaubenden.

Zunehmend werden wir wegen unseres Glaubens angefragt.

Wir müssen uns verteidigen, ja rechtfertigen, dass wir an einen Gott glauben, dessen Sohn Jesus Christus uns die Vergebung immer wieder neu schenkt.

Eine Vergebung von dem, was wir als Sünde bezeichnen und die wir in unserem Leben selbst wahrnehmen.

Dinge, in die wir hinein verstrickt sind, und Dinge, die wir denken und auch Handlungen, bei denen wir wissen: Sie sind nicht im Sinne Gottes.

‚Warum müsst Ihr Euch befreien lassen, lebt und geniesst doch einfach’, meinte letzthin jemand zu mir.

Arbeiten, um seine Bedürfnisse zu befriedigen?

Karriere machen, und alles möglichst zu meinen Gunsten gestalten?

Geniessen, Familie und wenn man Zeit hat, und das ist ja eher selten, dann kann man auch noch ein wenig Gutes tun?

Das sind nicht unsere Lebensideale!

Als Christen dürsten wir danach, dass Menschen die Augen geöffnet werden und sie entdecken, wie sie selbst ihren Durst immer nur kurzfristig befriedigen.

Wir haben aber auch selbst Durst nach Gott, dass er uns stärken möge auf unserem Weg, dass er uns lebendiges Wasser schenke, damit wir auftanken können und mit mehr Glaubensgewissheit und weniger Zweifel durchs Leben schreiten.

Wir wünschen uns mehr Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein, da wir doch mit Gott auf dem richtigen Weg sind!

Höre ich dann diesen Satz aus der Offenbarung:

Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben, umsonst. Offenbarung 21,6

Dann klingt das wie eine Vertröstung auf’s Danach.

Aber wir leben jetzt und dürsten jetzt nach Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsschutz und Glaubenssicherheit!

  1. Auf dem Weg

Haben Sie schon einmal eine Quellenwanderung gemacht?

Wir sind im Unterengadin einmal zur Quelle im Val d’Assa gewandert.

Es ging steil bergauf, erst auf einem Weg, dann durchs Geröll.

Auch als Christ ist das Leben oft anstrengend und hart, jeder von uns hat da seine eigene Geschichte.

Wir gingen gegen die Fliessrichtung des Baches zur Quelle.

Offensichtlich kommt man so auch als Christ nur zur Quelle, in dem man auf seinem Lebensweg immer wieder gegen den Strom geht.

Ganz oben dann, in fast unwegsamem Gelände sahen wir das Wasser pulsierend aus dem Fels kommen.

Dieses Ziel ist in der Offenbarung als „Sein bei Gott“ gemeint, das uns am Ende unseres Lebensweges erwartet.

Aber wie wir beim Wandern immer wieder Wasserstellen fanden, wo wir uns mit hohler Hand am Quellwasser erfrischen konnten, nicht immer einfach zu erreichend, so haben auch wir jetzt schon Möglichkeiten, Quellwasser zu trinken.

Die Situation der Christen, denen der Seher Johannes diesen Text aus seinem Verbannungsort Patmos schickte, war nicht rosig.

Sie hatten eine Christenverfolgung, vom Kaiser angeordnet, gerade hinter sich und die nächste Welle rollte schon wieder an.

Sie waren kleine, zerstreute Gruppen.
Der spätere Traum des Kaisers Konstantin, dass man unter diesem Zeichen des Kreuzes siegen könnte, war für diese Christen unvorstellbar.

Sie brauchten Zuspruch für’s Danach und für’s Leben im Jetzt.

Sie brauchten Wasserstellen mit Quellwasser auf dem Weg zur Quelle, zu Gott.

  1. Quellenwanderung mit Jesus Christus

Genau diese Wasserstellen, um uns zu erfrischen, sie sind uns zugesagt.

Jesus selbst sagt: Wenn jemand Durst hat, komme er zu mir und trinke! (Joh 7, 37)

Wir trinken immer dann, wenn uns Jesus Christus bzw. wenn uns Gott im Leben begegnet.

Wir trinken immer dann, wenn wir uns im Leben bewusst werden:

Hier handelt Gott an mir.

Hier will er mir etwas schenken für mein Leben.

Das ist im Gebet möglich.

Das kann sich im Singen ereignen.
Das kann in Gottesdiensten geschehen, auch wenn diese manchmal – sehr selbstkritisch – eher in  PET-Flaschen abgefülltes und etwas abgestandenes Quellwasser enthalten, mit wenig sprudelnder Lebendigkeit.

Aber nehme ich als Dürstender die Welt wahr als eine Welt, in der Gott ist, dann entdecke ich seine Wasserstellen mit seinem Wasser, die mir helfen den Weg zur Quelle zu gehen.

Da sind es Erfolge, die mich beglücken.

„Das ich diesen Gipfel noch erklettern kann in meinem Alter“, erfreute sich ein Freund, als er das Gipfelkreuz sah.

„Dass ich diese Wanderung erleben durfte, das gibt mir wieder Lebenskraft.“

„Dass ich dieses Ferienerlebnis hatte, das tut mir gut.“

Die Erinnerungen an Wasserstellen, an denen ich Quellwasser getrunken habe, stärkt mich auf meinem Weg, ja lässt mich auch immer wieder meinen Weg geniessen.

Es ist der Weg zur Quelle, den jeder geht, dorthin, wo ich die Zusammenhänge erkenne und begreife, was ich als Dürstender oft nicht verstehe, dass Gott vom Anfang bis zum Ende, vom Alpha bis zum Omega, in diese Welt und in unser Leben immer wieder Quellwasser hinein gibt.

Wir als Dürstende müssen „nur“ unsere persönlichen Wasserstellen suchen und finden.

  1. Wandern mit Ziel

Liebe Gemeinde,

Wanderungen haben in der Regel ein Ziel.

Quellwanderungen suchen die Quelle.

Wir kommen ihr immer näher.

Manchmal fühlen wir uns der Quelle nahe.

Manchmal haben wir das Gefühl: Diesen Weg schaffe ich nie.

Gott verspricht, wir erreichen die Quelle.

Wir erreichen das neue Sein.

Ja, das Ankommen wird uns einmal geschenkt, umsonst.

Jetzt aber sind wir alle noch auf dem Weg.

Manchmal ist er mühsam.

Manchmal sind es Durststrecken.

Manchmal gehen wir gegen den Strom.

Manchmal erhalten wir so viel Quellwasser, dass es erquickt.

Das ermöglicht uns einen schönen genussreichen Lebensabschnitt.

Gott lässt uns nicht verdursten.

Ja, er stärkt uns auch, um zu handeln, um uns für Gerechtigkeit, den Schutz der Schöpfung und für den Frieden und die Menschen einzusetzen.

Das Wasser des Lebens erreicht uns im Leben immer wieder.

Wasserstellen mit Quellwasser gibt es für jeden.

Machen wir uns auf die Suche nach ihnen und seien wir dankbar für jede, die uns stärkt.

Einmal aber, dann, am Ende unseres Weges erwartet uns DER,

„der all unsern Durst stillt aus der Quelle des Lebens umsonst.“ (Lukas Spinner: Wasser-Predigten, Zürich 1991, Seite 32.)

AMEN


Fürbitte und Unser Vater

Unser Gott,

wir sind Dürstende.

Wir sehen die Not so vieler und dieser Welt.

Wir wünschen uns eine Welt, in der alle von Deinem Wasser trinken und keiner mehr kämpfend, egoistisch, vernichtend, sich über andere Menschen erhebend, sein muss.

Wir wissen,

dass man dein Quellwasser suchen muss und dass Du uns immer wieder Wasserstellen entdecken lässt.

In der Stille erinnern wir uns an Zeiten und Orte, in denen Du uns erfrischt hast.

(Pause)

Danke Gott,

diese Erfahrungen mit lebensstärkenden Geschehen,

in denen wir Dich entdecken,

Sie machen uns bewusst, dass Du mitten unter uns bist

und dass Du Dein Versprechen hältst,

dass wir die Quelle, Dich, erreichen werden, als Glückliche und Gesättigte.

Durch Jesus Christus versprichst Du uns, es ist ein Geschenk.

Unser Gott,

aus diesem Glauben heraus beten wir für diese Welt:

Heute vor allem für die Menschen in Afghanistan.

Aber auch für Deine ächzende und von den Menschen zu stark ausgenutzte Schöpfung.

Wir beten um Verständigung und einen Frieden, der sich auf dieser Welt vervielfältigt.

Wir bitten Dich Gott,

lass uns unsere Wasserstellen mit Deinem Quellwasser immer wieder entdecken,

stärke uns als Dürstende in schweren Zeiten

und lass uns die glücklichen Zeiten, in denen Du uns immer wieder Wasser in Fülle schenkst, lass uns diese geniessen.


Wilckens, Ulrich: Das Neue Testament übersetzt und kommentiert, Hamburg und Zürich, 1971.

Jeschke, Mathias: Meeresgeschichten der Bibel, Stuttgart 2004.

Spinner, Lukas: Wasser-Predigten, Zürich 1991.

Micheel, Rosemarie: Unfassbares entdecken, Visionen aus der Offenbarung des Johannes, Neukirchen-Vluyn, 1994.

Teschner, Klaus: Siehe, ich mache alles neu! Auslegungen zur Offenbarung des Johannes, Neukirchen-Vluyn, 1994.

Berthold W. Haerter geb. 1963

Pfarrer der Zürcher Landeskirche

Nachdem in der Lockdown-Zeit eine Predigtreihe zu Hiob Interesse weckte, behandelte ich in der Folgenden „Begegnungen im Lukasevangelium“ und nun das Wasser in der Bibel „Von der Quelle bis zum Meer“. Das Interesse ist geblieben.

Oberrieden/Schweiz

Berthold.haerter@bluewin.ch

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