Predigt zu Titus 2,11-14

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Predigt zu Titus 2,11-14

Von der Nacht, in der Hirten unsere Lehrmeister werden  | Christnacht 2021 | 24.12.21 | Predigt zu Titus 2,11-14 | verfasst von Katharina Wiefel-Jenner |

Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und erzieht uns, dass wir absagen dem gottlosen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands, Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.

Kommt! Hört! Der Lobgesang der Engel klingt in der Ferne. Als die Stille der Nacht am geheimnisvollsten war, brach Gott sein Schweigen. Als die Dunkelheit undurchdringbar war, erblickte das Kind das Licht der Welt. Seht! Da liegt es. Wir müssen es uns ansehen. Es liegt in einer Futterkrippe. Den Atem der Tiere hat es im Ohr. Es liegt auf Heu und auf Stroh, in Windeln gewickelt und eingehüllt in Marias staunenden Blick. Es ist das Kind der Maria. Es ist unser Kind. Für uns ist das Kind der Maria geboren. Kommt! Seht! In der Mitte dieser Nacht ist es geboren.  Erschienen ist die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.

Folgen wir der heilsamen Gnade Gottes in dieser Nacht! Endlich ist sie erschienen. In der einen Nacht als der Morgenstern endlich aufging, hat sich alles verändert. Die Hirten hatten jede Nacht darauf gewartet, dass Gottes Verheißungen wahr werden. In dieser Nacht haben sie von den Engeln gelernt, wie die Herrlichkeit Gottes klingt. Die heilsame Gnade Gottes hüllte sie in dieser besonderen Nacht in Sternenlicht und zeigte ihnen, wie sie sich gegen die Einflüsterungen aus ihren Albträumen und Nachtgespinsten wehren können. Sie mussten treu bleiben und fürsorglich. Sie mussten die Schwachen vor den Starken schützen. Sie mussten gerecht teilen. Sie sollten aufeinander achten und füreinander einstehen. Die heilsame Gnade Gottes hat sie gelehrt, mit der Liebe zum Kind die Verlockungen des Unrechts abzuweisen. Die Engel auf dem Feld haben ihnen in den höchsten Tönen das Lied von Gottes Gerechtigkeit vorgesungen und in der Nacht haben sie ein für alle Mal ergriffen, wie der Friede aussieht. So zart und fein wie das Kind. Aber auch so elend, nackt und bloß, wie das Kind in seinem Krippelein. In dieser Nacht sahen sie ihre Zukunft. Das Kind der Maria war ihre Zukunft. Es hat die Tür zum schönen Paradeis wieder aufgeschlossen. Sie mussten nicht länger warten.

Heute Nacht zeigt die heilsame Gnade Gottes nun uns die Zukunft. Sie will, dass wir in die Schule der Hirten gehen. Sie sind unsere nächtlichen Freunde und Lehrmeister. So schickt sie uns in dieser Nacht nach Bethlehem. Wenn wir ihren Lehren folgen, verändert uns diese Nacht. Das Herz werden wir wie die Hirten auch in Kälte und Finsternis offenhalten. Den Flügelschlag der Engel werden wir wie sie mit wachen Sinnen spüren. Das kleine, neugeborene Kind macht in dieser geheimnisvollen Nacht aus uns bessere Menschen. Es macht uns zu Menschen, die wie Hirten treu für die Schöpfung sorgen und wachsam für den Ruf der Engel sind. Es macht uns zu Menschen, die wie Maria staunen. Zu Menschen, die wie Josef besonnen handeln und gerecht denken. Die Geburt des Kindes macht uns zu Bewohnern Bethlehems, die wenigstens einen kleinen Raum für das Kind freihalten. Mit der Geburt des Kindes werden wir zu den Bürgerinnen Bethlehems, die Maria Obdach geben, obwohl sie nichts von Gottes Plänen ahnen. Damit wir bessere Menschen werden, dafür ist das Kind in der Mitte dieser Nacht geboren. Damit wir von aller Ungerechtigkeit erlöst sind, liegt das kleine Kind in der Krippe und die Engel verkündigen den Hirten und uns große Freude. Das ist Gottes Weihnachtsgeschenk für die Welt. Erschienen ist die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.

Herbei! Kommt! Nehmen wir das Kind in Empfang. Es ist unser Kind, unser Christkind. Gott hat es uns geschenkt, damit uns die Liebe rettet. Wir werden durch die Liebe des Kindes gerettet. Wir werden durch unsere Liebe zu ihm heil. Wenn wir das Kind betrachten, weicht das, was uns in der Dunkelheit verzweifeln lässt. Das Weinen verstummt, wenn wir dem Atem des Kindes lauschen. Sehen wir unser Kind mit Freuden an, verblassen unsere Narben. Wir sollen unser Christkind in die Arme schließen, es küssen und in den Schlaf singen. Das Kind braucht unsere Liebe und wir brauchen das Kind. Mit seiner Hilfe werden wir neu erlernen, wie die Welt von der Liebe zehrt. Durch das Kind lernen wir, wie sehnlich Gott unsere Liebe sucht. Mehr müssen wir in dieser Nacht nicht lernen. Aber auch nicht weniger. Drücken wir das Kind vorsichtig an unser Herz. Spürt ihr, wie sehr sich Gott nach unserer Heilung sehnt? Ohne unser Christkind könnten wir es nicht entdecken, wie sehnsüchtig Gott auf unsere Liebe wartet. Stillen wir Gottes Sehnsucht. Antworten wir der Liebe des Kindes! Kommt! Denn die heilsame Gnade Gottes ruft. Die Hirten, Maria, Josef, die Engel und die ganze Schöpfung rufen: Kommt und lasst uns Christus ehren.

Amen.

Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin

wiefel_jenner@hotmail.com

 

Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.

 

 

 

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