Johannes 21,15-19

Home / Bibel / Neues Testament / 04) Johannes / John / Johannes 21,15-19
Johannes 21,15-19

„Hast du mich lieb? Folge mir nach!!Misericordias Domini | 01.05.2022 | Joh 21,15-19 | Andreas Pawlas |

Als Jesus mit seinen Jüngern das Mahl gehalten hatten, spricht er zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!

Joh 21,15-19

Liebe Gemeinde!

Ob der Hl. Apostel Petrus vielleicht gerade sehr beschäftigt war, als ihn diese Frage Jesu traf: „Hast du mich lieb?“ Es könnte doch sein, daß unser Petrus beim gemeinsamen Mahl mit dem Auferstandenen gerade dabei war, sich das Tuch zum Mundabwischen aus der Tasche zu fingern und dann kommt da mit einem Male diese Frage: „Hast du mich lieb?“ Und ich könnte mir sogar vorstellen, daß der große Kirchenvater diese Frage eigentlich nur mit halbem Ohr gehört hat, weil er doch so sehr mit der Suche nach diesem Mundtuch beschäftigt war.

Vielleicht kennen wir ja sogar ein solches Hören und doch Nicht-Hören aus ähnlichen Situationen. Wenn wir etwa dabei sind, kurz vor einem aufziehenden Gewitterguss noch schnell die letzten Rasenkanten fertig abzustechen und dann käme da mit einem Male die Frage auf uns zu: „Hast du mich lieb?“ Wer unter uns würde da nicht sagen: „Einen Moment mal, ich bin gleich fertig, ich komme gleich ins Haus und dann können wir reden.“

Oder wie ist das, wenn wir beim Supermarkt an der Kasse stehen und sehr damit zu tun haben aufzupassen, dass sich nicht schon wieder jemand vordrängelt, wenn da mit einem Male die Frage käme: „Hast du mich lieb?“ Da würden wir doch sagen: „Bitte einen Moment, gleich bin ich dran, und dann reden wir draußen vor dem Geschäft weiter.“

Und wie ist das, wenn wir beim Arzt mit unseren Dauerschmerzen schon volle drei Stunden im Wartezimmer gesessen haben und jetzt gleich, gleich soll die Sprechstundenhilfe hereinkommen und uns zum Arzt mit der lindernden Spritze aufrufen, wenn da mit einem Male die Frage käme: „Hast du mich lieb?“ Würden wir da nicht auch sagen: „Moment, ich bin doch gleich fertig und dann höre ich gern zu.“

Nun schweigt sich natürlich die Überlieferung darüber aus, ob Petrus damals wirklich das Tuch zum Mundabwischen gesucht hatte, als ihn die Frage unseres Herrn traf: „Hast du mich lieb?“ Aber in einem bin ich mir ganz sicher: nämlich dass Christus ganz genau weiß, wie beschäftigt wir Menschen nun einmal immer so sind. Und sicherlich weiss er auch genau, wer unter uns vielleicht sogar jetzt im Augenblick hier in dieser Kirche tausend andere Dinge im Kopf hat, als das, was nach Gottes Willen wirklich wichtig ist zu hören, nämlich die Frage: „Hast du mich lieb?

Ja, wir alle wissen genug davon, wie sehr uns die Last der alltäglichen Routinearbeiten, der normale Ärger, unsere Lieblingsgedanken, unsere Dauerschmerzen, unsere lähmenden Traurigkeiten ziemlich gefangen halten.

Insofern ist mir garnicht klar, ob es da überhaupt reichen kann, dreimal angesprochen zu werden, wie der gute Petrus – der ja immer wieder stellvertretend für die christliche Gemeinde steht, der ja immer wieder stellvertretend für uns alle wahrgenommen wird. Allerdings, allein die Tatsache, dass Petrus und wir schon dreimal zur Antwort gebeten werden, müsste für uns eigentlich ziemlich deprimierend sein.

Aber für mich schimmert aus dieser Tatsache, dass Petrus von Christus derart gefragt wird und auch immer wieder angesprochen wird, trotzdem ein großer Trost hindurch. Nein, nicht deshalb, weil sich auch bei mir langsam das Thema Altersschwerhörigkeit breit macht. Sondern weil es genau dieser Petrus ist, dem von unserem Herrn eine solche Frage gestellt wird.

Denn, was dieser Petrus für einer ist, das haben wir doch im Passionsbericht hören müssen. Dieser Petrus, das war doch der, der so große Reden geführt hatte, daß er Jesus nachfolgen wolle bis in den Tod. Aber dann, dann wurde Jesus gefangen genommen und alle liefen weg, auch Petrus. Wir kennen es alle aus den Passionsberichten, dass sich Petrus erst später wieder in die Nähe von Jesus schlich.

Aber als Jesus dann unschuldig als Verbrecher hingerichtet werden sollte, da verleugnete ihn Petrus dreimal. Ja, ausgerechnet dreimal sagte Petrus, dass er mit diesem Jesus nichts zu tun hätte. Und dann, dann krähte auch noch der Hahn. Und dieser Hahnenschrei – ich habe es in Jerusalem selbst gehört, wie dort am Ort des Verrates noch heute die Hähne durchdringend zu krähen wissen – und dieser Hahnenschrei, der ging dem Petrus durch Mark und Bein. Und er, der versagt, enttäuscht und gelogen hatte, weinte bitterlich.

Wenn auch Petrus immer wieder für die christliche Gemeinde steht, da finden es vielleicht manche ein bißchen überzogen, sich schnell ebenfalls in die Schar der Versager oder Lügner einreihen zu lassen. Aber vielleicht ist es auch ganz anders. Denn möglicherweise kennen wir das alle irgendwie schon, dass wir Christus schon große Versprechungen gemacht hatten, und dann doch erbärmlich wenig davon gehalten hatten. Denken wir doch einmal an so manche unserer guten Vorsätze und was dann aus ihnen geworden ist. Ist da nicht so Manches in unserem Leben, das da eigentlich für uns durchaus beschämend oder peinlich ist? Aber genau darum ist es für mich doch so tröstlich, daß Jesus Christus, dass unser auferstandener Herr, der das alles genau weiß und uns doch so genau kennt, dass dieser Jesus Christus uns nicht fallen läßt, wie eine heiße Kartoffel, sondern uns trotzdem fragt: „Hast du mich lieb?“

Ich weiß jetzt wieder nicht, wie es für einen jeden von uns weiter geht, wenn wir auf die Frage „Hast du mich lieb?“ Christus eine Antwort geben. Vielleicht sagt mancher nach genauer Überlegung, „Ich weiß das garnicht so richtig, ob ich Christus lieb habe.“ Es könnte durchaus sein, dass wir beim Nachdenken über diese Frage mit einem Male entdecken, an was und an wieviel wir in dieser vergänglichen Welt mit unserem ganzen Herzen hängen, und das darum auch nicht aufgeben wollen. Das Nachdenken über diese Frage könnte darum mit einem Male aufdecken, wieviel Vergängliches, ja, wieviel entsetzlich Belangloses unser Herz fest im Griff hat.

Aber es könnte ja auch ganz anders sein. Ja, es könnte auch ganz anders sein, dass in der tiefen Besinnung über diese Frage Jesu mit einem Male alles dieses Belanglose von uns abfällt, und dass wir dann doch gern auf die Frage Jesu „Hast du mich lieb?“ oder „Hast du mich lieber als die anderen?“ genauso wie Petrus antworten: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe.“

Und was wird dann Jesus sagen? Mir ist nun nicht klar, ob er einem jedem sagt „Weide meine Lämmer!“, also ob ein jeder von uns dann so direkt den Auftrag erhält, Hirte zu sein, Hirte für die Seelen, Bischof für eine Schar von Christen. Allerdings denke ich mir, dass bei dieser Frage keiner von uns völlig allein auf dieser Welt steht. Hat nicht jeder von uns Menschen, für die er sich in Gottes Namen verantwortlich fühlt, sei es als Eltern oder Großeltern, als große Geschwister oder Onkel oder Tanten, als Nachbar, Kollege oder Klassenkamerad? Darum könnte es doch durchaus sein, dass dieser Auftrag Jesu „Weide meine Lämmer!“ in je unterschiedlicher Weise wirklich einem jeden von uns gilt.

Wohlgemerkt, es ist dabei vomWeiden“ die Rede, also vom liebevollen und behutsamen Weisen auf den rechten Weg, Weisen zum rechten Leben. Definitiv ist da nicht von irgendeinem Erschlagen mit der Bibel oder von ewiger Besserwisserei die Rede.

Was mich jetzt noch stark beschäftigt, ist der zweite Teil dieses Bibelwortes. Unter einem Weiden von Lämmern, da kann ich mir ja noch eine ganze Menge vorstellen. Aber dann ist da mit einem Male, die Rede vom Altwerden und vom Dahin-gehen, wohin-man-nicht-will. Dabei ist das eigentlich nichts Unbekanntes. Denn ist das nicht genau die Erfahrung von uns Älteren, die wir alle kennen? Immerhin hätte ich mir persönlich nie träumen lassen, einmal von unserem Herren hierher in dieses kleine Dorf geschickt zu werden. Aber was hat das nun mit dem Weiden von Lämmern zu tun? Und überhaupt, was hat das Altwerden und das Dahin-gehen, wohin-man-nicht-will, mit dem Weiden von Lämmern zu tun, mit dem Leiten von Seelen?

Oder ist etwa das eigene Vorbild, das ganz persönliche sich allein nach Gottes Willen zu richten, viel stärker, als tausend gute Argumente, um andere Seelen zu ermuntern? Und sollte vielleicht sogar am Ende das eigene Sterben, der eigene Tod mit dazu gehören? Sollte es etwa für mich persönlich möglich sein, Gott mit meinem Tod zu preisen? Ist es wirklich vorstellbar, in einer Zeit, die nichts so sehr fürchtet wie den Tod, Gott mit dem eigenen Tod zu preisen? Sollte es also für mich möglich sein, mein Leben in Gelassenheit, Dankbarkeit und Gottvertrauen, eben in der festen Hoffnung auf die Auferstehung, in Gottes gute Hand zurückzugeben, und ihn auf diese Weise mit meinem Tod preisen?

Nun weiß ich ja garnicht, ob ich so werde sterben können. Ich weiß auch nicht, ob nicht vielleicht die Angst vor Schmerzen, die Sorge um meine Lieben und die Gedanken an manche Schuld und manches Unvollendete mich verkrampfen und verkämpfen lassen. Aber eins hoffe ich ganz fest und ich hoffe und bete darum, wenn ich dann an meinem Krankenhausbett unseren Herrn Jesus Christus stehen sehen werde und er mich ernst und eindringlich fragt: „Hast du mich lieb?“, daß ich dann auch wirklich antworten kann: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe.“ Und daß ich dann in dieser bedingungslosen Liebe zu unserem Herren bestimmt Gott preisen kann, ob ich nun noch weiter leben oder sterben soll.

Diese bedingungslose Liebe zu unserem Herren, dieses bodenlose Gottvertrauen, das uns befreit zu Dankbarkeit und Freude, das schenke unser Herr Jesus Christus uns allen, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

 ___

Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas        
Eichenweg 24  
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop

Andreas.Pawlas@web.de

de_DEDeutsch