Adventspredigt

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Adventspredigt

Liebe Gemeinde!

Adventszeit ist Vorbereitungszeit. Im Evangelium zum 3. Advent hörten
wir die Anfrage Johannes des Täufers an Jesus: Bist du, der da kommen
soll? Der Täufer rief das Volk auf umzukehren in Vorbereitung auf
das Kommen Jesu.

Für die Predigt hören wir heute ein Sendschreiben des Sehers
Johannes aus der Offenbarung. Er rief ebenso am Ende des 1. Jahrhunderts
die christlichen Gemeinden in Kleinasien auf umzukehren, nun aber in Vorbereitung
auf das Wiederkommen Jesu Christi. In einer Berufungsvision hatte er von
dem lebendigen Herrn den Auftrag erhalten, die Gemeinden wachzurütteln
und zu stärken in ihrer Bedrängnis und für die Auseinandersetzungen
mit den politischen und religiösen Gegnern.

Lesung des 5. Sendschreibens aus Offenbarung 3,1-6:
V. 1: Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die
sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke:
Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot.
V. 2: Werde wach und stärke das andere, das sterben will, denn ich
habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.
V. 3: So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte
es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich
kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich
über dich kommen werde.
V. 4: Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben;
die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind`s
wert.
V. 5: Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan
werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens,
und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.
V. 6: Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Der Stadt Sardes ging es in ihrer Geschichte wie der christlichen Gemeinde.
Früher waren beide lebendig und bedeutend gewesen. Sardes war Königsstadt,
der Palast wunderschön gelegen an einem Berghang. 560 v.Chr. herrschte
dort Krösus, der bis heute bei uns durch seinen sprichwörtlichen
Reichtum bekannt ist. Im Jahre 17 n. Chr. zerstörte ein Erdbeben
die Stadt und trotz des Wiederaufbaus blieb sie ohne Bedeutung.

Von der christlichen Gemeinde heißt es: Du hast den Namen, daß
du lebst, und bist tot. Der Ruf einer ehemals lebendigen Gemeinde ist
verloren gegangen. Ist das ein Kennzeichen für viele christliche
Gemeinden?

Was heißt: eine Gemeinde ist tot oder eine Gemeinde lebt?
Heißt Leben einer Gemeinde:
-aufzählbare Aktivitäten?
-Zahl der Gemeindeglieder und Gottesdienstbesucher?
-ein einigermaßen erhaltenes Kirchengebäude?

In Gemeindeberichten aus der DDR-Zeit – aber auch aus dem Jahrhundert
zuvor – ist zu lesen, daß Gottesdienste ausfielen, weil niemand
gekommen war. Ein Todesurteil für die Gemeinden! Die zerfallenen
Dorfkirchen geben davon Zeugnis, daß keiner im Dorf mehr Interesse
hat am Gottesdienst in dem Gebäude, das einst die Vorfahren dafür
errichtet hatten.

Die äußeren Merkmale sind sicher nicht die entscheidenden.
Das Leben einer Gemeinde ist da, wo Gottes Geist wirkt: Es ist überall
da, wo Menschen auf das Wort Gottes hören, wo gebetet wird, wo Vertrauen
und Hoffnung gegen Mißtrauen und Resignation gelebt werden, wo die
Liebe zum Nächsten das Handeln bestimmt wo nicht der Neid und Egoismus
das Miteinander der Menschen zerstören..
Auch wenn das alles nicht in Zahlen gemessen werden kann, hat es doch
Auswirkungen auf Öffentlichkeit und Gesellschaft.

Damals wie heute muß sich das Leben einer christlichen Gemeinde
vielen Auseinandersetzungen stellen. Im ersten Jahrhundert wurde von allen
Bürgern des römischen Reiches verlangt, den Kaiser als Gott
zu verehren. Wer nicht mitmachte, wurde zum Märtyrer. Viele machten
Zugeständnisse oder schlossen Kompromisse. Damit verlor der Glaube
sein Profil, er hat seine Wirkung nicht erfüllt. Heute beanspruchen
andere „Götter“ unser Denken und Handeln vollkommen: der
Beruf, das Geldverdienen, die verplante Zeit. Gemeinde und Glaube kommen
zu kurz. Die Kirche scheint keine Wirkung mehr zu haben

Die Gemeinde in Sardes bekommt trotz des drohenden Todes noch eine Chance:
sie erhält den Auftrag: Werde wach und stärke das andere, das
sterben will! Eine müde, kraftlose und erstarrte Gemeinde – und Kirche!
– sie kann wach werden und neue Kräfte bekommen!

Eine solche Erneuerung kommt nicht aus dem eigenen Willen und Beschluß,
sondern von dem Geist, der Leben schafft und mit seiner Lebensenergie
Gemeinden und Menschen erfüllt. Das geht von dem aus, „der die
sieben Geister hat und die sieben Sterne“. Damit hat er die sieben
Gemeinden in seiner Hand, so daß sie „ihren Karren an ihren
Stern binden“ (Jörg Zink in einem Rückblick auf sein Leben).
Die sieben Gemeinden in Kleinasien haben je ihren Geist, der die geistlichen
Kräfte weckt und die Gemeinde belebt.

Ein Beispiel aus einer Dorfgemeinde: Sie hatte jahrelang keinen Gottesdienst
in ihrer Kirche. Das Gebäude und die Gemeinde zerfielen. Zu einer
Gemeindeversammlung, in der es um die Erhaltung der Kirche ging, kamen
wenige alte Gemeindeglieder und meinten einstimmig, wir brauchen keine
Kirche mehr. Sie kann abgerissen werden. Die Denkmalspflege sicherte notdürftig
das Dach und die abdriftende Außenwand. Nach einem Jahrzehnt kam
die Enkelgeneration und sagte: Wir haben eine Kirche, sie soll wiederhergestellt
werden. Wir wollen darin Gottesdienst feiern. Wir sammeln Geld und bauen
sie wieder auf. Das war erstaunlich für mich: jahrelang war die Gemeinde
tot gesagt, und plötzlich ist wieder Leben da!

In der Offenbarung wird die Weltgeschichte als Ablauf dargestellt, der
einen neuen Himmel und eine neue Erde zum Ziel hat. Dieses Ziel ist nur
in Kampf und Auseinandersetzung zu erreichen zwischen den Kräften,
die von Gott wegzerren und gegen Gott wüten, und den Kräften
des Geistes, die zum Überwinden und Standhalten ausrüsten.

In dem Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes wird das endzeitliche
Ziel in drei Bildern beschrieben. Nur in Bildern können wir versuchen,
uns vorzustellen, wie Gottes Welt sein wird:

– Als erstes: Wer durchhält und überwindet, soll mit weißen
Kleidern angetan werden. Die Sieger werden strahlend weiße Kleider
erhalten als Zeichen dafür, daß sie zu Gottes Welt des Lichtes
gehören werden. Weil die Welt des Lichtes mit der Taufe beginnt,
haben Christen das weiße Gewand im übertragenen Sinn schon
angezogen. Doch es erhält im Lauf des Lebens Dreckflecke, es bleibt
nicht weiß. Auch Christen behalten keine saubere Weste in den Auseinandersetzungen
und Versuchungen des Lebens, sie werden schuldig an Gott und den Mitmenschen.
Entscheidend ist, dass sie das geschenkte Kleid nicht ausziehen und wegwerfen,
sondern darauf vertrauen, daß es durch “ Christi Blut und Gerechtigkeit“
(EG 350) wieder stahlend weiß und erneuert wird. Diese Deutung führt
allerdings über das hinaus, was der Seher Johannes schrieb.

– Das zweite Bild ist das Buch des Lebens. In ihm sind die Namen der
Menschen aufgeschrieben, die bei Gott nicht vergessen werden. Ihre Namen
sind unauslöschlich. Jeder ist wichtig. Deshalb sollen wir uns selbst
und unser Christsein nicht wegwerfen. Jeder zählt, weil Gott auf
jeden zählt.

– Das letzte Bild: Wer mit Jesus einhergeht in weißen Kleidern,
sich zu ihm bekennt und damit zu seiner Taufe steht, zu dem wird auch
Jesus stehen: Er wird seinen Namen vor Gott und seinen Engeln bekennen.

Diese Bilder, die uns Gottes Welt vorstellen, ermutigen uns, unser Christsein
zu leben.

Unsere Geschichte erreicht ihr Ziel, wenn Jesus wiederkommt.
Das ist unplanbar und nicht berechenbar, denn er wird kommen wie ein Dieb
in der Nacht. Zeit und Stunde kann keiner vorher wissen.
Die Christen im ersten Jahrhundert haben mit dem baldigen Ende der Zeit
gerechnet.
Wir leben nun schon über die Jahrhunderte hinweg nicht mehr in der
damaligen Naherwartung, aber in dem Bewußtsein: am Ende der Zeit
wird unser Herr kommen. Nach den Terrorakten in den USA (New York) sind
die Szenarien des apokalyptischen Weltuntergangs bewußt gemacht
worden. Sie erzeugen Angst und Unsicherheit. Aber der christliche Glaube
macht gewiss, dass wir nicht im Chaos untergehen, weil Jesus Christus
auf uns zukommt. Das lässt uns gelassener auf die Zukunft zugehen,
und es rüttelt uns wach, unsere Kräfte für das Leben einzusetzen.

Advent ist die Vorbereitungszeit auf die Ankunft Jesu in einem doppeltem
Sinn: Wir feiern Weihnachten, weil in Jesus Gott uns nahe gekommen ist
: er wurde der menschliche Gott an unserer Seite, Mensch wie wir. Zugleich
erwarten wir von dem göttlichen Kind eine Zukunft, die unsere Welt
verändert in einen neuen Himmel und eine neue Erde, weil dieser Jesus
das Leben von der Todesbedrohung befreit hat. Daraus schöpfen wir
die Kräfte der Erneuerung für uns selbst, für die Gemeinden
und die Welt.

Amen.

Charlotte Hoenen, Superintendentin i.R.
Lieskau
E-Mail: rhoenen@t-online.de

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