Amos 5,21-24

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Amos 5,21-24

Festliche Gottesdienste – reine Heuchelei! | Estomihi | 11.02.2024 | Amos 5,21-24 | Klaus Wollenweber |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

„Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen, –   es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar -, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Liebe Gemeinde,

gerade heute so ein biblischer Text! Muss das sein? Wir haben doch heute den Sonntag im Karneval, im Fasching. Der biblische Text nimmt uns alle Freude mit den Karnevalsliedern, den Sitzungen und den Rosenmontagszügen vor der sich anschließenden Passionszeit. Dürfen wir nicht mal feiern, lachen, tanzen, singen, fröhlich sein? Gehört zum christlichen Glauben, mit betrübter Mine still und gehorsam im Gottesdienst zu sitzen und in der Predigt für unsere Fröhlichkeit mit Verkleidung und unser Lachen beschimpft zu werden? Denn das Beisammensein mit Singen, Beten und Hören auf das Wort Gottes hat keinen Sinn und Nutzen; jedenfalls findet dies alles bei Gott kein Wohlgefallen, meint der Prophet Amos. Wenn Gott unseren Gottesdienst mit Orgelmusik, Liedern, Predigt und Gebeten grausam beurteilt, müssten wir dann nicht jetzt beschämt, frustriert und vielleicht auch innerlich empört nach Hause gehen?

Liebe Gemeinde, bevor wir uns jetzt gemeinsam in diesen Ärger über den für heute vorgeschlagenen biblischen Text hineinsteigern, schauen wir einmal genauer nach der Situation, in der der Prophet Amos solche vernichtenden Worte spricht. Damals, zur Zeit des Propheten, gab es im Nordreich Israels große und berühmte Gottesdienste in Bethel, in Gilgal und in Beersheba. Da war etwas los in den Tempeln mit Singen, Beten und Opfern, mit Jubel und mit Hören auf die Musik und mit den feierlich gelesenen oder gesungenen hebräischen Texten aus der Thora. Man feierte und freute sich festlich und laut. Nur: Da draußen in den Dörfern, in den Häusern auf dem Lande, dort hatten die Menschen nichts zu lachen! Denn dort ackerten und ernteten die Bauern und Tagelöhner das Korn und die Früchte unter dem Druck der städtischen Bewohner von Gilgal, Bethel und Beersheba. Diese unterdrückten sie offensichtlich – auch mit Gewalt. Sie nahmen den Bauern ihre Ernte weg und beuteten die Dorfbevölkerung regelrecht aus.

Nennt man das Recht und Gerechtigkeit? fragt der Prophet. Sollte Gott sich von der unrechten Lebenshaltung der Stadtbewohner durch herrliche Tempelfeste ablenken oder gar bestechen lassen? Der Prophet zeigt den Widerspruch zwischen dem fröhlichen, feiernden Gottesdienst einerseits und dem Umgang mit den Menschen auf dem Land andererseits. Wo Recht und Gerechtigkeit wie Bäche in dem Wüstensand versiegen, da ist jeder gottesdienstliche, festliche Vorgang reine Heuchelei. Jeder Gottesdienst ist leerer Schein, ist Schau und farbige Fassade ohne Gehalt. Das predigt der Prophet; denn die Besucher und Besucherinnen eines Gottesdienstes müssen ihr Leben im Alltag mit dem Gottesdienst in Einklang bringen, wenigstens überprüfen.

Liebe Gemeinde, diese prophetischen Worte von damals gelten bis in unsere Zeit hinein heute. Ich entdecke beim Propheten zwei Hoffnungsaussagen: einmal die Worte „es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar“, und zum anderen „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“. Unter „rechte Brandopfer“ verstehe ich für uns Christen heute: aufrichtiges Hören auf Gottes Wort, sich zu dem Gott des Lebens zu bekennen und diesen Glauben im eigenen Alltag umzusetzen. Vorbild dieser Botschaft ist die Lebensweise Jesu Christi.

Überprüfen wir also unsere Beteiligung am Gottesdienst und unser Hören auf Gottes Wort an unserer alltäglichen Lebensweise mit dem Blick auf Recht und Gerechtigkeit. Das „Recht“ soll existieren wie Trinkwasser für jeden Menschen, was jedoch in unserer Welt längst nicht selbstverständlich ist. „Gerechtigkeit“ soll herrschen wie ein nie versiegender Bach, der das Land zum Blühen und Wachsen bringt, so dass alle davon leben können. In welchen Ländern ist dies so? Auf unsere städtische Situation heruntergebrochen frage ich beispielhaft, ob wir uns ernsthaft Gedanken machen über unsere Verantwortung für das Verhältnis von Reichtum und Wohlstand zu Armut und Verwahrlosung? Die Reichen in der Welt werden trotz Rezension immer reicher und die Armen – vor allem in Süden der Welt – immer ärmer. Unsere Gottesdienste am Sonntag haben die Chance, Recht und Gerechtigkeit im Sinne Jesu Christi zu verkündigen und diese frohe Botschaft im Alltag mit Freude zu gestalten. Der Prophet Amos fordert uns heraus, unsere Lebensführung in der Kirche und in der Gesellschaft zu bedenken und zu überprüfen. Sind unsere kirchlich-gottesdienstlichen Feiern ehrliche Danksagung an den Gott des Lebens für das, was er in Jesus Christus für uns getan hat? Kann es sein, dass unsere Gottesdienste am Sonntag oftmals von uns zu einer Selbstdarstellung unserer eigenen Frömmigkeit umgemünzt sind?

Mit solchen Fragen im Hinterkopf wirkt jetzt das schroffe Nein Gottes aus dem Mund des Propheten sehr herausfordernd zu unseren gottesdienstlichen Bemühungen: „Ich verachte eure Festtage und Versammlungen. Ich kann eure fetten Dankopfer nicht sehen und das Geplärr eurer Lieder nicht hören!“ Haben wir uns eigentlich als Gemeindeglieder schon mal gefragt, wie produktiv wir mit unseren Veranstaltungen für andere gesellschaftliche Gruppen sind. Wir benötigen viel Zeit für Sitzungen, Besprechungen, um Projekte zu planen und schließlich in Gang zu bringen. Und dann ist es doch frustrierend, wenn nach stundenlangen Sitzungen nur ein kleines Ergebnis herauskommt! Wie in öffentlich-gesellschaftlichen Gruppen, so ist es auch in kirchlichen Bereichen. Machen wir uns da nichts vor! Seelsorge am und mit Menschen und stille, zeitaufwendige Arbeit mit einzelnen Menschen in der Kirchengemeinde kommen zu kurz, – da können wir noch so ansprechende Gottesdienste am Sonntag gestalten.

Der Prophet Amos ermahnt uns und erinnert uns bei aller verständlichen karnevalistischen Freude und Selbstdarstellung daran: Gott lässt sich nichts vormachen! Er lässt sich auch nicht durch attraktive Aktionen und erfolgreiche Projekte betören, wenn es zur gleichen Zeit anderen Menschen in unserem Umfeld schlecht geht. Gott geht oftmals mit uns streng um und eröffnet andere Wege, als wir es uns ausdenken, wünschen und schon vorstellen. Wir können uns selbst keine Garantien und Sicherheiten für den richtigen Glauben und das Leben mit Recht und Gerechtigkeit bauen. Weder erwerben wir dies durch schöne Gottesdienste mit Beten, Singen und Hören noch durch Danksagung, Geldopferspenden und öffentliche Anerkennung.

Liebe Gemeinde, wir Menschen in der Nachfolge Jesu Christi sind berufen zum Anwalt für Recht und Gerechtigkeit in unserem Umfeld und in der Welt. Anwalt sein heißt: sich in die andere betroffene Person hineinzuversetzen, für sie einzutreten und ihr zur Eigenverantwortung zu verhelfen. Frage ist und bleibt, ob wir es schaffen, Anwalt der schwachen Menschen zu werden; – ebenfalls: Anwaltsein der zerstörten Schöpfung und der vergifteten Luft ist heute gefordert. Wo sind wir Anwalt für Recht und Gerechtigkeit im Blick auf die Natur, den Artenschutz und die Auswirkungen des Klimawandels? Ich frage, ob unsere Gottesdienste uns dazu Mut machen, uns dazu neu aufmuntern, uns Kraft zur Veränderung geben, so dass wir aufstehen und handeln. Ich bin überzeugt: Dieser nie versiegende Bach der Zuversicht und Tat wird uns in unserem Umfeld Lebensfreude bereiten.

Ich weiß nicht, ob mir dies gelingt. Ich vertraue jedoch dem Wort Jesu, dass die Suche nach Recht und Gerechtigkeit nicht vergeblich ist. Gott selbst wird sein Recht der Gnade und Barmherzigkeit auch mit Hilfe unseres gottesdienstlichen Bemühens durchsetzen, – mit unserem Singen, Beten und Hören. Dazu schenkt er uns Mut und Kraft im Alltag. So wird unter uns Recht und Gerechtigkeit wirklich strömen wie Wasser aus einer sprudelnden Quelle, und sie werden existieren und daherkommen wie ein niemals versiegender Bach. In der gottesdienstlichen Gemeinde können wir zur Ruhe kommen, aufatmen und Freude tanken. Wir dürfen schöne Feste feiern; wir können uns freuen und mit der Orgel- oder Posaunenbegleitung aus vollem Herzen singen. Und dann ist unser Gottesdienst im Alltag keine trübsinnige Angelegenheit. Denken wir daran, dass genauso wie unser Leben auch unser Glaube mit Singen, Lachen und Freude nicht steif und formell sein kann, sondern authentisch mit und von unserer täglichen Lebendigkeit existiert.

Amen – das ist gewisslich wahr!

Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen

Lied EG Nr.159    Fröhlich wir nun all fangen an …

Alternative: Lied „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht …“

Lied „Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen …“

Bischof em. Klaus Wollenweber

53129 Bonn

E-Mail: Klaus.Wollenweber@posteo.de

Viele Jahre Gemeindepfarrer in der Ev. Kreuzkirchengemeinde Bonn; ab 1988 theologischer Oberkirchenrat in der Ev. Kirche der Union (EKU) Berlin ( heute: Union Ev. Kirchen (UEK) in Hannover ); ab 1995 Bischof der „Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz“ mit dem Amtssitz in Görlitz / Neiße  (heute: „Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ (EKBO) ); seit 2005 im Ruhestand wohnhaft in Bonn. Häufig aktiv in der Vertretung von Pfarrerinnen und Pfarrern in Bonn.

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