Amos 5,21-24

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Amos 5,21-24

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Sonntag vor der
Passionszeit, Estomihi

5.3.2000
Amos 5,21-24

Andreas Pawlas


„So spricht der Herr: Ich bin euren Feiertagen
gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr
mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und
mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr
deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme
aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender
Bach.“

Liebe Gemeinde!

Muß einem da nicht einfach die
Luft wegbleiben, wenn einem solche Worte hier im Gottesdienst um
die Ohren geschlagen werden? Regt sich da nicht automatisch bei uns
Gottesdienstbesuchern so etwas wie Widerstand, Ärger oder Empörung?
Oder wer möchte sich da nicht am liebsten schnell die Ohren zuhalten?

Vielleicht bezweifelt aber auch der eine oder
andere flink, ob dieser doch recht alte Prophet Amos, wenn er sich mit solchen
Beschimpfungen gegen Feiertag und Gottesdienst wendet, Gottes Wort und Weisung
überhaupt richtig wiedergibt. Was aber auf jeden Fall feststeht, ist doch,
daß wir heute nun einmal zum Gottesdienst am Feiertag zusammengekommen
sind!

Aber wie ist das, wenn der Amos uns nun doch
unverfälscht und glasklar Gottes Wort auf den Kopf zugesagt hätte?
Was hieße das, wenn nun eine solche vernichtende Verdammung aller
Feiertage und Gottesdienste vom lebendigen Gott tatsächlich
so gemeint wäre? Müßten wir uns dann nicht schleunigst erheben
und nach Hause gehen?

Aber liebe Gemeinde! Jetzt keine Verwirrung!
Bleiben Sie ruhig sitzen. Lassen Sie sich nicht erschrecken durch den ersten
abweisenden Eindruck, den dieses scharfe Wort unseres Herren auf uns macht.
Nein, sondern lassen Sie sich jetzt einladen, Herz und Ohren zu öffnen, um
das wirklich zu verstehen, was Gott uns mit diesem eindringlichen
Prophetenwort hier und jetzt in unsere Leben hinein sagen will.

Allerdings müssen wir uns, um das richtig zu
verstehen, für einen Moment einmal um knapp dreitausend Jahre
zurückversetzen, nämlich in die Zeit des alten Israel, eben in
die Zeit hinein, in der der Prophet Amos Gottes Wort zuerst
aussprach. Nein, besser: Gottes Wort „aussprechen
mußte“, denn er tat es wahrhaftig nicht freiwillig,
sondern Gottes Geist zwang ihn förmlich dazu. Und er
mußte einfach alles sagen, was ihm Gottes Geist aufgab zu
verkündigen, und das ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne Rücksicht
darauf, ob die Leute das nun gern hörten oder ihn dafür beschimpften
oder gar dafür verprügelten. Nein, wenn Gott solche Verkündigung
aufträgt, dann muß alles ohne Abzug gesagt werden. Nicht nur heute,
sondern genauso in der Zeit des alten Israel!

Und damals war es doch so, daß
man doch in der Königszeit des alten Israel zu den Feiertagen und
Festversammlungen zusammenkam, nicht nur um ehrfürchtig und demütig
Gottesdienst zu halten, sondern es ging doch gleichzeitig
entscheidend um etwas Anderes. Etwas, das heute
genauso alle Staaten und Völker, alle Länder und alle
Volksgruppen dringend benötigen. Es ging gleichzeitig in den Versammlungen
darum, sich seiner gemeinsamen Bestimmung zu vergewissern, also daß man
zusammengehörte und daß man ein Volk war. Und das
bedeutete nicht nur Folklore und bunte Trachten. Sondern es ging bei dem Volke
Israel gleichzeitig darum, sich darin bestärken zu lassen, daß
diesem einem Volke seine Erwählung zugesagt se. Es war
lebenswichtig, sich der Erwählung durch den lebendigen Gott zu
vergewissern, und damit eigentlich irgendwie auch des Herrschaftsanspruches
über alle Welt.

Das ist ein hohes Versprechen. Und darum waren das
unbestritten prächtige Feste und Gottesdienstversammlungen,
in denen sich gleichzeitig die Könige feiern ließen, bei denen es
Musik und Tanz gab, Lieder zu Pauke und Harfe, schillernde Gewänder und
überreichen Blumenschmuck. Vielleicht haben wir heute bei den
Feierlichkeiten zum amerikanischen oder französischen Nationalfeiertag
einen matten Abglanz von so etwas. Ich hab dagegen den Verdacht, daß in
Deutschland Gemeinschaftsgefühle und Massenverammlungen nur in den
Fußballstadien, Bierzelten und Fernsehshows gepflegt werden.

Jedenfalls waren das damals im alten Israel
prächtige Feste und geschickt organisierte Versammlungen, bei denen den
Alten das Herz hüpfte und die Jungen so
richtig in Schwung kamen. Und übrigens, um sich ganz sicher
zu sein, daß das alles Gott wohlgefällig wäre, gab man dann
auch etwas von dem eigenen Überfluß als Opfer, Brandopfer und
Speiseopfer. Nein, vielleicht gab man sogar auch etwas mehr als ein paar
Gerstenkörner und ein paar Minze-Blätter, etwas, was dann doch weh
tat, eben um sich um so sicherer zu sein, daß das gemeinsame und das
eigene Wohlergehen garantiert würde.

Das soll uns heute fremd sein? Nein, das kennen
wir doch heute in anderem Zusammenhang nur zu gut. Eine riesige Gala-Show
gekoppelt mit dem Aufruf, für einen guten Zweck zu spenden, das mag doch
heutzutage die Leute genauso zu begeistern.

Aber liebe Gemeinde, sagen Sie selbst, sind solche
pompösen und ausufernden Festversammlungen zu Staatsfeiertagen oder in
Fernseh-Shows mit unseren heutigen Gottesdiensten zu vergleichen? Gibt es da
nicht einen großen Unterschied?

Ja, ich weiß, was so manchem unter uns und
wohl vor allem Euch Jüngeren durch den Kopf geht, nämlich: „Wie
spannend ist heute eine Fernseh-Show und wie langweilig ist dagegen ein
Gottesdienst!“

Nein, ich meine aber jetzt einen ganz
anderen Unterschied zwischen den gottesdienstlichen Versammlungen
im alten Israel und heute. Ich meine den Unterschied, daß es in unseren
heutigen Gottesdiensten doch weder um gemeinschaftliche Belustigung, noch um
politische Machtdemonstrationen oder gesellschaftliche Gemeinschaft geht, oder
etwa um die Absicherung von Herrschaftsansprüchen über unterworfene
und noch zu unterwerfende Völker.

Sondern in unseren christlichen Gottesdiensten
geht es doch um den Glauben! es geht um den Glauben an Jesus
Christus und sein ewiges Reich. Und das ist ein geistliches
Reich, ein Reich, das nicht von dieser Welt ist. Und Christus hat
doch uns als seiner Gottesdienstgemeinde verheißen, uns im Blick darauf
geistlich zu trösten und zu stärken, uns
geistlich froh zu machen und uns zum Leben zu verhelfen, selbst
wenn wir schwach sind oder wenn wir sterben müssen.

Das ist doch ganz etwas anderes als das, was im
alten Israel unter Gottesdienst, Feiertag und Versammlung verstanden wurde.

Und dennoch weiß jeder, der bewußt
Christ sein will, wie sehr eben unsere Gottesdienste heutzutage
trotzdem kritisiert werden – nein, nicht von Amos – sondern eben
von Zeitgenossen, denen sie als Versammlungen eben zu langweilig sind; denn da
passiere doch nichts, da werde doch nichts bewirkt,
da würden die Menschen doch zu nichts angetrieben. Da sei es
doch etwas viel Besseres, Sonntags morgens durch den Wald zu laufen, zu joggen.
Da seien doch die Fußballwettkämpfe am Vorabend des Sonntags viel
aufregender, ebenso wie Opern- oder Rock-Konzerte. Auch würde doch
erheblich mehr bewirkt in einer Umwelt- oder Friedens-Initiative,
oder, indem ich ein Katalysator-Auto fahre. So hört man z.B. die Kritik an
unseren heutigen Gottesdiensten und das z.T. sogar aus den Reihen derjenigen,
die sich Christen nennen.

Aber wenn wir heutzutage das Ernst
nehmen wollen, was Gott durch seinen Propheten Amos uns und unserer Zeit sagen
will, dann müßten wir uns das ganz anders sagen lassen
– gerade angesichts der am Schluß dieses Gotteswortes auftretenden
Gerichtsdrohung, daß das Recht Gottes strömen solle wie Wasser.

Wir bräuchten nichts gegen Waldlauf oder
Fußball oder Konzerte, gegen Umwelt- oder Friedensgruppen oder
Katalysator-Technik zu haben, wenn sie für denjenigen, der sich sonntags
durch Gottes Wort stärken läßt, eine Ergänzung oder eine
mit Dankbarkeit empfangene Gottesgabe darstellten oder der Versuch sind,
intensiver nach Gottes Willen zu leben.

Aber gibt es nicht genügend Zeitgenossen, die
meinen, ihr Wohl und Heil oder auch das Wohl der ganzen Welt allein durch
solche festlichen oder umtriebigen Versammlungen gewinnen zu können: durch
Staatsakte, Show oder Spaß? Genau denjenigen und allen solchen
Versammlungen ist heute tatsächlich das göttliche
Gerichtswort an den Kopf geschleudert, so wie es damals der Prophet Amos getan
hat.

Aber vielleicht müßte dieses
Prophetenwort für die heutige Zeit etwas übersetzt oder
übertragen werden. Vielleicht würde sich ja heutzutage dieses
Prophetenwort für bundesdeutsche Verhältnisse etwa anders
anhören. Deshalb will ich jetzt einmal einen Versuch machen, für die
heutige Zeit wie Amos zu sprechen:

„So spricht der Herr: Ich bin eure
Festkonzerte und Shows leid und verachte sie. Ich mag den bierseligen Dunst in
euren Fußballstadien nicht riechen. Und wenn ihr auch beim Joggen
kilometerweise Selbstquälerei eurer Angst vor dem Herzinfarkt opfert oder
in Marathonsitzungen und Tagungen eure Angst vor Umweltvergiftung, oder
kriegerischem Weltuntergang kultiviert, so habe ich kein Gefallen daran. Tu weg
von mir das Geplärr deiner Kassettenrecorder – und Radio- und
Fernsehberieselung, die mag ich nicht hören. Es ströme aber die Liebe
zum Nächsten wie Wasser und der Glaube wie ein nie versiegender
Bach.“

Ja, um den Glauben geht es Amos, um
den Glauben, dessen alttestamentarischer Ausdruck sich im hebräischen Wort
für Gerechtigkeit findet und der allein aus der Selbstzerstörung des
Menschen durch den Menschen rettet, der allein aus diesem darin beginnenden
Gericht Gottes über uns Menschen hilft!

Und genau deshalb, weil es Amos in Gottes Namen
eben um den Glauben und die daraus quellende Nächstenliebe geht, darum
dürfe wir froh und dankbar sein, daß wir uns heute und hier
versammeln dürfen, um Gottesdienst zu feiern. Darum dürfe wir froh
und dankbar sein und Gott ehren – nicht durch den Schall ganzer
Fanfarenzüge und Prachtparaden und Riesenshows, sondern durch
unseren Glauben
, durch unser Fragen und Nachdenken, durch unser Singen
und Beten und das allein daraus quellende Tun des Gerechten.

Gleichzeitig dürfen wir aber noch aus einem
anderen Grunde dankbar sein. Wir dürfen dankbar sein, weil
Gott uns durch Jesus Christus versprochen hat, unseren Dienst an diesem
Sonntagmorgen nicht nur anzunehmen, sondern weil Gott uns versprochen hat, auch
unseren Glauben immer wieder zu stärken und uns zu
trösten, uns den Frieden zu schenken, der
höher ist als alle Vernunft, uns Halt und Hoffnung zu geben
im Leben und im Sterben, heute, morgen und in Ewigkeit.

Darum sehen wir Älteren Euch Jüngere so
gern unter uns, weil wir uns so sicher werden, daß wir Euch für Euer
Leben nichts Besseres mitgeben können, als so im Gottesdienst Gott mit
Leib und Seele zu dienen und sich von Gott an Leib und Seele bedienen zu lassen
– heute, morgen und in Ewigkeit. Amen.

Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde
Barmstedt
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