Apostelgeschichte 1 und Lukas 24, 51

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Apostelgeschichte 1 und Lukas 24, 51

Christi Himmelfahrt

Predigt zu Apostelgeschichte 1 und Lukas 24, 51, verfasst von Landesbischof. Dr. Friedrich Weber


… aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten
Gottes, des allmächtigen
Vaters

Liebe Gemeinde!

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Dass die Preußen 16 Jahre später wieder dieses Fest feiern
durften, lag daran, dass nach Friedrichs Tod der englische Gesandte lächelnd
fragte, ob die Allmacht Preußens wirklich bis in den Himmel reiche.
Daraufhin wurde die Himmelfahrt Christi 1789 wieder per Kabinettsbeschluss
genehmigt. Heute braucht es keiner Kabinettsorder mehr, um zumindest
den Namen des Festes allmählich verschwinden zu lassen. Statt Himmelfahrtstag
heißt es unter uns Vatertag. Sicher, auch dies ist ein Zeichen,
dass viele Menschen mit diesem Fest im kirchlichen Sinne wenig anfangen
können. Aber das hat Tradition, denn auch die frühe Christenheit
feierte den Tag der Himmelfahrt Christi erst ab dem 4. Jahrhundert als
selbständiges Fest. Zu selten – eigentlich nur bei Lukas – (Luk.
24 und Apg l) wird ausdrücklich von der Himmelfahrt Christi gesprochen.

40 Tage, so heißt es in der Apostelgeschichte l, sei der Auferstandene
nach Ostern noch in leiblicher Gegenwart bei den Seinen. Am Ende des
Lukas-Evangeliums heißt es: “Und es geschah, als er sie segnete,
schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.“ (Luk. 24, 51) “Aufgefahren
in den Himmel und sitzend zur Rechten Gottes“, so bekennen wir Christen
sonntäglich. So glauben wir es. Aber was hat es damit auf sich?
Mit der scheinbaren Nebensache möchte ich beginnen, dem Hinweis
auf die 40 Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt, wie ihn nur Lukas überliefert.
Ob diese Zahl zufällig gewählt wurde? Ist es nicht oft so,
dass Zahlen in der Bibel einen tieferen Sinn haben?

Die Zahl drei beispielsweise weist auf die Trinität, die zehn auf
die Gebote, die zwölf auf die Stämme Israels und die Jünger
Jesu. Die Belege ließen sich noch erheblich verdichten.

Was hat es mit der Zahl 40 auf sich? – Ob wir uns erinnern?

40 Tage verwüstete die Sintflut die damals bewohnte Erde, vernichtete
Mensch und Tier und ließ nur den Gott gehorsamen Noah, mit seiner
Familie und den Tieren in der Arche zu einem neuen Anfang hin überleben.

40 Jahre war das Volk Israel in der Wüste unterwegs. Die Fleischtöpfe Ägyptens
in goldener Erinnerung, Kanaan, das verheißene Land noch in dunkler
Ferne. Wie oft brach Zweifel durch, wo Gewissheit hätte herrschen
sollen. Aber diese 40 Jahre in der Wüste, in der Hitze des Tages
und der Kälte der Nacht, in der Öde und Verlassenheit, ließen
die Israeliten zu ihrem Glaubensbekenntnis finden: ,,Höre, Israel,
der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen
Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner
Kraft.“ (5. Mos. 6, 4 und 5).

40 Tage und Nächte war Moses auf dem Berg Sinai. Das. Volk betete
währenddessen den goldenen Stier an, ehe er mit den 10 Geboten,
dem Geschenk Gottes an sein Volk, der Bundesurkunde, zurückkehrte.

40 Jahre nahezu währte jeweils die Zeit der Herrschaft der Richter
im alten Israel, Zeit des Gelingens und Versagens, und 40 Tage und Nächte
war Jesus dem Versucher in der Einsamkeit der Wüste ausgesetzt,
hat er das Leiden und die Anfechtung ausgekostet – Ob es deutlich wird?

Immer, wenn die Zahl 40 im Spiel ist, geht es um die Erprobung des Glaubens
zwischen dem Erleben von Anfechtung und Gewissheit. Es geht um das Leben
ohne Gott und um die neue Zuversicht auf Gott. Es gibt eben nicht nur
in den Wüsten des Lebens das Versagen und Scheitern, sondern inmitten
des Chaos von Angst und Not die gute und heilende Nähe Gottes.

40 Tage nach Ostern die Himmelfahrt Christi. Das könnte heißen:
Der Glaube an den Auferstandenen hat mit dieser Wüstenwanderung
zu tun. Mit einem Wandern zwischen dem Erleben eigener Hilflosigkeit
und Gehaltenwerden, hat es zu tun, mit dem Verzweifeln und dem Geborgensein,
mit dem Fallen und dem Aufgefangenwerden. Der Glaube an den Auferstandenen
hat es zu tun mit diesem Wechselbad von Tag und Nacht, von Hoffnung und
Verzweiflung, von Anfechtung und Befreiung. Zwischen Ostern und Himmelfahrt
lag für die Jünger damals der Weg von Jerusalem nach Emmaus,
ein Weg der Enttäuschung und der Verlorenheit. Der Weg zurück
aus dem Leben mit Jesus in die Traurigkeit des Lebens ohne ihn. Es lag
aber auch auf diesem Weg die Wandlung, die Erfahrung, dass da einer ist,
ganz plötzlich, unversehens, der sie an seine Hand nimmt, mit ihnen
geht, sie vorsichtig, behutsam aus der Trauer in die Freude, aus der
Resignation in die neue Zukunft leitet. Nur, und das ist das Neue, das
Andere, nach den 40 Tagen, nach diesem Datum der Himmelfahrt, müssen
seine Jünger alleine laufen lernen.

Himmelfahrt, so sagte ein Kollege, ist der Termin der Konfirmation der
Kirche. Überspitzt meinte er das, denn Konfirmation heißt
ja nun nicht unbedingt, dass die Kirche nun in allem genau Bescheid weiß,
dass unsere Kirche nun ganz unangefochten ihren Weg des Glaubens gehen
könne, womöglich nun alles wisse. Konfirmation heißt
ja in Wirklichkeit nichts anderes, als dass man nun alleine geht, eigene
Schritte tut, dabei aber auch um die Gefahr des Scheiterns weiß.
Himmelfahrt Christi, so wie sie nur an diesen wenigen Stellen im Neuen
Testament geschildert wird, will darum deutlich machen: Jetzt müsst
ihr euren Weg als Kirche auch alleine gehen können. Euren Weg des
Glaubens, euren Weg zwischen Scheitern und Gelingen, euren Weg zwischen
Fülle und Leere.

Die Zyniker und Spötter, die das risikoreiche Handeln in Kriegszeiten
mit dem Ausdruck ‚Himmelfahrtskommando‘ belegten, womit sie meinten,
dass ein falscher Schritt einem gewissermaßen in den Himmel katapultieren,
also umbringen könne, haben gerade mit dieser Bezeichnung des Lebensrisikos
als Himmelfahrtskommando etwas Wichtiges erkannt. Christliches Leben,
so möchte ich den Zusammenhang sehen, steht unter dem Kommando dessen,
der zum Himmel gefahren ist. Es steht unter dem Befehl und Auftrag dessen,
der zum Vater zurückkehrt, der damit zugleich die Grenzen, die ihm
bisher gesetzt waren, in seinem Volk Israel und jener alten Welt überschreitet,
sie weit hinter sich lässt, und seinen Einfluss nun auf alle, alle
Menschen dieser Schöpfung ausdehnt. Unter dem Anspruch dieses Herrn
stehen Christen mit ihrem ganzen Leben. Insofern bilden sie ein Himmelfahrtskommando,
als sie auf den zum Himmel Gefahrenen hören. Ihr Leben ist nicht
mehr der Zufälligkeit ausgeliefert, ihr Wandel nicht der Willkür
eigenen Ermessens, ihr Handeln nicht der Beliebigkeit der jeweiligen
Situation, sondern in dem allen stehen sie unter dem Wort ihres Herrn.
Dabei wissen sie allerdings, dass sie dieser Herr nicht nur in Anspruch
nimmt, schon gar nicht sie durch diese Welt kommandiert, sondern dass
in allem Anspruch zugleich sein Zuspruch mitklingt.

Es ist so, wie es der Beter des 23. Psalms betet: “Und ob ich
schon wanderte im finsteren Tal“ – Zeit des Anspruchs, Zeit des
Himmelfahrtskommandos -, “so fürchte ich doch kein Unglück,
denn du bist bei mir.“ Großartiger kann das keiner sagen,
verständlicher wohl auch nicht. Das muss so stehen bleiben, so nachgesprochen
werden, so geglaubt werden. Wann? Immer dann, wenn uns der Weg in dieser
Welt schwer wird, wenn wir zwischen Hoffen und Bangen im Krankenhaus
liegen und der Diagnose entgegensehen, wenn wir in der Schule nicht mehr
weiter wissen. Auch dann, wenn uns die Zeugnisse, die in 6 Wochen bevorstehen,
mehr Angst als Freude bereiten.

,,Finsteres Tal“ aber auch im Großen. Denken wir daran, dass
immer noch Gewalt und Ungerechtigkeit regieren, da wo Liebe und Frieden
herrschen könnten. Aber es gilt: ,,… fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir.“ Der auferstandene und zum Himmel gefahrene
Christus ist bei uns alle Zeit und überall.

Manchmal berichten mir Gemeindemitglieder davon, dass sie von diesem
Christus und seinem Heil so gar nichts mehr spüren können in
ihrem Leben, dass sie glauben wollen, aber nicht können, dass sie
vertrauen möchten, aber nur Verzagen in sich finden, dass der Himmel über
ihnen gleichsam verschlossen ist, dass sie wie unter einer Wolkendecke
leben. Wir haben es ja im Frühjahr erlebt, was das heißt,
wenn die Sonne nicht mehr scheinen mag über Wochen hin. So sieht
es mitunter im Menschen aus. Solchen Menschen kann ich dann nur sagen:
So, wie hinter der verschlossenen Wolkendecke die Sonne scheint, so und
noch viel heller steht der Auferstandene hinter und über deinem
Leben. Nicht alles ist im Moment immer verständlich, nicht alles
scheint aufzugehen, vieles bleibt im Widerspruch bestehen und doch, der
Himmel über dir ist offen und in diesem Himmel, in dieser wunderbaren
Welt Gottes, ist einer ganz und gar für dich da.

“Aufgefahren in den Himmel und sitzend zur Rechten Gottes“.
Die Jünger damals haben es deutlich gespürt, vielleicht sogar
zunächst darunter gelitten: Die Zeit der irdischen Gegenwart, der
leiblichen Gegenwart Jesu ist zu Ende. Sie sind nun ein Stück alleingelassen
auf dieser Erde aber sie wissen: dieses Ende ist ein neuer Anfang. Sie
selber sind nun unterwegs auf seinen Befehl hin. Unterwegs bis an die
Enden der Erde um Zeugnis zu geben all denen, die von ihm noch nichts
wissen. Wenn ihnen dabei und davor bang wurde, dann erinnerten sie sich,
dass er ihnen gesagt hatte: “Ihr werdet die Kraft des Heiligen
Geistes empfangen und meine Zeugen sein.“ (Apg l) Ob das nicht auch
uns gilt? Natürlich gilt das auch uns. Auch wir brauchen nicht in
einen leeren Himmel zu starren. Auch wir wissen, Christus ist dort, aber
nicht nur dort, sondern in seinem Wort und Sakrament überall da,
wo wir Christen ihm nachzufolgen suchen. Darum, alleine darum, sind wir
Menschen, die Hoffnung haben für diese Welt, die sich an ihr freuen
können und dankbar sind, dass sie diese Freude, die in Christus
ihren Grund hat, weitersagen und weiterleben dürfen.

Amen


Landesbischof. Dr. Friedrich Weber
Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig
E-Mail: landesbischof@luth-braunschweig.de

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