Matthäus 11, 28

Matthäus 11, 28

Predigt zur Konfirmation am 18.5.03

1) Mit dieser Einladung lässt sich anfangen: „Kommt her zu
mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Ihr
Konfis, Konfirmandinnen und Konfirmanden zuerst und dann Eure Nächsten.
Ihr, die auf dem Weg seid ins Leben – welch eine Einladung durch
Jesus, was für eine Entlastung, was für ein Horizont.

Ihr seid zuerst gemeint. Nicht so sehr, weil Ihr vielleicht aufgeregt
seid, heute, jetzt, an Eurer Konfirmation, sondern weil ihr in einer
Lebensphase steckt, in der alles schon möglich, das Mögliche
aber eben doch noch nicht tatsächlich da ist. Aus dem, was sich
da ankündigt, ergibt sich die Freude zu sehen, was das Leben ausmacht.
Die Aufregung vor dem Unbekannten, zugleich aber auch der Druck ist spürbar,
die Anstrengung, es den Erwachsenen gleich tun zu wollen, und doch noch
nicht so weit zu sein – aus dieser Spannung ergeben sich manchmal
mühselige Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern,
Lehrern, Pastoren, Trainern und ich weiß nicht, wer sich alles
für kompetent erklärt, zu Eurer Erziehung beizutragen; ältere
Geschwister vielleicht oder die Klavierlehrerin… Doch mit solcher bloßen
Erklärung ist es eben nicht getan, Eltern sind mehr als Erzieher,
Kinder sind mehr als Kompetenzobjekte – sie sind unsere Kinder,
wir ihre Eltern oder Großeltern – Geschenk des Lebens, wie wir
es mit einander führen, mit allen Höhen und Tiefen, die das
einbegreift. Die Paten habe ich nicht mit aufgezählt, dabei kommen
die in dieser Phase manchmal stärker mit ins Spiel, weil sie eben
nicht jeden Tag mitgestalten müssen, sondern eher da gefragt sind,
wo mal jemand genau zuhören und entlastend helfen kann. Sie alle,
wir hören mit Euch zusammen diesen Satz Jesu: Kommt her zu mir,
alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Sanft sagt er das, demütig sogar, damit wir nicht mehr unruhig
sind, aufgeregt oder angestrengt, bedrückt oder überlastet,
weil wir doch alles selbst verantworten oder aushalten müssen. Was
ihn bestimmt, wiederholt er, sein Joch sei sanft, leicht seine Last.
Dieses Joch sollen wir aufnehmen, von ihm sollen wir lernen. Das aber
nun nicht so, dass wir ein Leben lang uns wie im Konfirmandenunterricht
fühlen oder benehmen; eher so, dass die dort entwickelten Perspektiven
weiter präzisiert und verfeinert werden. Wer und wo bin ich, wer
oder wo ist mein Nächster, wie und wofür kann ich entlastend
einwirken? Nicht, weil wir Herren des Lebens wären, sondern weil
Jesus den Weg zum Nächsten wie zu Gott schon freimacht, Steine aus
dem Weg räumt, uns Lasten längst abnimmt, wo wir noch immer
auf die möglichen Beschwernisse und Urteile starren. Darum können
wir für den andern mittragen, gerade das, was er oder sie als Last
empfindet; ihm abnehmen, was wir können und möglicherweise
sogar nur wir können. Denkt bitte einmal daran, wie erbittert Fehden
unter Geschwistern und Freunden sein können – so weh können
Außenstehende kaum tun wie die aus dem engsten Kreis! Da also zu
entlasten und mitzutragen, wo wir instandgesetzt werden, es zu tun. Das
ist unsere Möglichkeit, darum wird uns diese Last leicht. Darum
haben wir gestern das Abendmahl gefeiert und diese Entlastung in Anspruch
genommen, die uns da zugesagt wird.

Dann werdet ihr Ruhe finden für euch, eure Seelen. Nun ist Ruhe
so ziemlich das Zweitschlimmste, was Jugendlichen passieren kann. Genau übersetzt
ist damit ein Ausatmen gemeint, so wie einer aus- und aufatmet eben,
wenn er die schwere Last absetzt oder los wird, der Weg wird wieder frei,
der Blick weitet sich bis zum Horizont; Anlaß zur Freude, zum Feiern – welch
(ein Grund für) eine Konfirmation.

2) „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil
du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen
offenbart.“ Jesu Verwunderung ist noch zu spüren – nicht
Religion per Verordnung, durch Macht der Tradition oder gar mit Gewalt,
sondern Glaube, wie die Unmündigen ihn aufgreifen und danach fragen.
Nicht Weisheit oder andere Instrumente der Herrschaft von Menschen über
Menschen bringen Euch und uns zum Fragen, sondern das, was Ihr wie Jesus
am Menschen, an Euch selbst wie in unserer Welt wahrnehmt.

Wieder dieses: wie Jesus! Er, den die Kundigen verlacht, verspottet,
am Ende gekreuzigt und verlassen haben, ist ihnen im Weg gewesen, so
töricht, wenig weltgewandt, kindlich, dumm; zu dumm nur, dass ausgerechnet
die Kinder und Kranken, die Verletzten und Verstörten ihn erkannten,
dass sie verstanden, hier führt der Weg ins Leben. Das in Zeiten
wie diesen, wo man nicht weiß, ob noch Krieg ist oder Nicht-mehr-Krieg
oder gar Kriegserklärung mit allen möglichen Fronten; denn
die Kampfebenen wechseln, von der wirtschaftlichen zur militärischen über
die politisch-soziale hin zu den stellvertretenden Kriegsschauplätzen
im Privaten wie im Medialen.

Jetzt wird’s gefährlich: Euch die Konfirmanden mit dieser
Gruppe in Beziehung zu setzen, den Unmündigen, kann schief gehen.
Dann nämlich, wenn ihr jetzt einfach die Ohren zumacht und sagt,
das ist ja wohl das letzte, uns so hinzustellen. Kinder? Das sind wir,
mit all den Vorzügen, was die Nähe, die Freude, die Unmittelbarkeit
zum Leben vor Gott angeht. Und unmündig -, nun ja vor dem Gesetz
gibt es da noch ein paar Einschränkungen, aber um die geht es ja
wohl heute nicht. Im Gegenteil – Ihr seid sogar religionsmündig
mit 14 Jahren, auch vor dem Gesetz. Nein, es geht um Eure Fähigkeit,
wahrzunehmen, wer ihr vor Gott und dieser Gemeinde seid – ihm nahe,
weil er Euch so auf den Weg bringt.

Also erneut: Die Konfis zuerst und dann ihre Nächsten. Sodaß Ihr
jetzt in die Rolle derer geratet, die weitergeben, was sie gehört,
die tun, was sie in Gottes Sinn für angemessen erachten, die aus
ihrem Glauben leben.

Und dies nicht, weil sie so tolle Menschen wären, sondern weil
sie einen geschärften Blick dafür haben: Nicht wir sind die
Herren der Welt, sondern Erd und Himmel sind in Gottes Hand. Erst dann
ist das Joch Jesu sanft und die Last leicht.

3) Jesus lädt die Mühseligen und Beladenen ein, seine Verwunderung
darüber meinen wir noch zu spüren aus diesen Worten des Matthäusevangeliums.
Was geschieht, ist dies. Er spricht für uns, die wir so oft sprachlos
sind, wenn es um’s Ganze, um Gott geht. Er offenbart sich für
die, die ihn, seine Entlastung und seinen Horizont brauchen. Er redet
den an, den er als seinen Vater erkennt und der ihn als seinen Sohn annimmt.
Er preist ihn und bahnt damit uns den Weg, (nicht nur) an einem solchen
Tage das Ganze in den Blick zu nehmen. So wie Gott sich in Jesus als
seinem Sohn zeigt, so gibt sich Jesus als der zu erkennen, der diesen
Willen Gottes für uns sichtbar macht. Für uns und an uns, für
die und an denen, die er als die Unmündigen annimmt, als die, denen
es Gott in seiner Liebe offenbaren will. Das ist der Horizont Jesu.

Das hört sich johanneisch an. Vielleicht ist es auch in einer Gemeinde
entstanden, die zwischen der Tradition des Matthäus und der des
Johannes stand. Darüberhinaus aber: Das gibt uns Raum zu reden,
von der Welt, die ihn so sehr braucht, von Gott, der in Jesus handelt,
von der Zeit und der Gemeinschaft der Mühseligen und Beladenen.
Ihr wachst in eine Zeit hinein, in der vieles, was uns und Euch selbstverständlich
erscheint, im Umbruch ist oder abgebaut wird. Da ist der Horizont Jesu
um so mehr gefragt – da sind die gefragt, die sich ihr Christsein
bewußtmachen und es einbringen: die leichte Last für die,
die schwer dran sind, das sanfte Joch für die, denen die Mühe
zu aussichtslos erscheint. Dann öffnet sich die Perspektive für
die, die mittragen und für die, denen etwas abgenommen werden kann.
Leben erhält seine Horizont.

Die sich so versammeln, freuen sich an solcher Offenheit, feiern, daß sie
heute wie zu aller Zeit zusammenkommen in seinem Namen und für die,
die ihn brauchen. Darum ist Eure Konfirmation nichts anderes als die
Befestigung, Bestärkung in solchem Glauben an Gott den Vater, den
Sohn zum Leben im Heiligen Geist.

Amen.

P. Jobst v. Stuckrad-Barre
Kleiner Hillen 1
30559 Hannover
e-mail: Jobst.vonStuckrad-Barre@evlka.de

 

 

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