Ezechiel 37,1–14

Ezechiel 37,1–14

Wiederbelebung, Erneuerung oder Neuschaffung | Karsamstag | 16.04.2022 | Ez 37,1–14 | Thomas Bautz |

Liebe Gemeinde!

Das zunächst vor den Kopf stoßende, bestürzende Bild von Totengebeinen bei Ezechiel ist wie ein Not wendendes Symbol für mögliche Wiederbelebung und Erneuerung. Die Suggestivfrage nämlich: „Mensch, werden diese Gebeine [noch jemals] leben?“[1] ist überhaupt die entscheidende Frage, die aufgeworfen wird.[2] Sie weckt Hoffnung, mindestens Neugier. Doch nur langsam freilich wird diese Hoffnung in der Vision genährt: Die überaus zahlreichen Knochen in der Senke (im Feld) werden von Sehnen überzogen und Fleisch wächst heran, mit Haut werden sie bedeckt, von den vier Richtungen kommt Wind, ihnen wird Leben eingehaucht, und später belebt sie der „Geist“ JHWHs auf Dauer. Wie so häufig, differieren (moderne) Übersetzungen nicht unerheblich, besonders bzgl. Ez 37,9 –14.[3] Aus der Kunstgeschichte gibt es dazu ein Bild:[4]

Man erkennt deutlich die vier Winde in Gestalt der Gesichter von Putten, die den Totengebeinen Wind entgegen blasen; der Prophet steht inmitten der Menge und weist mit Blick auf die Gottheit, die – etwas zu traditionell – als Gottvater in den Wolken erscheint, mit seiner Rechten auf die Toten. Der Künstler stellt die Szene geschickt prozesshaft dar, wie nämlich die Toten nacheinander wieder lebendig werden. Man gewinnt den Eindruck, Jost Amman habe die Vision des Ezechiel vor Augen, wobei dort offenbar nicht an Skelette, sondern an „ein Meer von einzelnen Knochen“ gedacht ist, „ein Extremfall von Auflösung und Zerrüttung“.[5]

Ist es möglich, prophetisches Denken auf heutige Probleme, Dilemmata hin zu befragen, um dort Ansätze für eine Antwort zu gewinnen? Man erinnere sich daran, was Propheten auszeichnete, worin ihr Dienst bestand: Sie redeten von „Gott“ her und zu „Gott“ hin; sie waren Seher, Visionäre, aber auch Mahner, die innenpolitisch soziale Missstände, außenpolitisch Fehltritte, falsche Entschlüsse ihrer Regierungen in der Gegenwart anprangerten! Nicht selten versuchte man, sie mundtot zu machen oder sie wegzusperren. Oft wurde ihr Leben eingeschränkt, oder sie mussten das Leid des Volkes mittragen. Ezechiel erlebte das babylonische Exil nicht aus der Distanz, sondern aus eigener Anschauung. Deshalb war er wohl nicht wenig erstaunt, sich selbst von einer Wiederbelebung der Totengebeine, sprich: Erneuerung des Volkes und des Landes Israels reden zu hören.

Gelehrte wie der Philosoph Emmanuel Lévinas vermögen uns zu vermitteln, worin Merkmale und Wesen der Sprache der hebräischen Bibel und ihrer Interpretation bestehen. Jüdische Quellen wie der Talmud sind dabei hilfreich; die Tora (Weisung) spricht die Sprache der Menschen, dennoch ist sie eine „Kontraktion des Unendlichen in der [Heiligen] Schrift“, in ihr ist „die Prophetenwürde der Sprache“ bewahrt, „fähig, stets mehr zu bedeuten als sie ausdrückt, Wunder der Inspiration, die den Menschen [den Propheten Ezechiel] selbst erstaunt vernehmen läßt, was er ausspricht […].“ Diese verdichtete Sprache ist ihrem Wesen nach religiös, durch ihr „Bedeuten über ihren offenbaren Sinn hinaus“ und erfordert „immer neu anhebende Lesung der Schrift“ als „nie endende Offenbarung“; die Grenzen ihrer Interpretationen sind relativ, gewissermaßen „unendlich“, „Literatur ohne Lettern: Literatur ‚avant la lettre‘!“[6]

Zweifellos ist die Vision Ezechiels von den vertrockneten Gebeinen eine der berühmtesten, aber alles andere als leicht zu verstehen, wenn man wie viele Ausleger in die Tiefe geht,[7] sich gleichsam wie der Prophet in die Senke absetzen lässt oder sich freiwillig hinab begibt. Was der Prophet sieht, wird ihm später von Vertretern des Volkes bestätigt. „Das ganze Haus Israel“ sagt: „Vertrocknet sind unsere Gebeine, verloren unsere Hoffnung, abgeschnitten [vom Leben] sind wir.“[8] Aber JHWH bläst Atem, Wind, seinen Geist wieder in sie hinein, haucht ihnen wieder Leben ein. Was nicht menschenmöglich ist, kann und wird geschehen. Das ist die unbegreifliche Botschaft, die der Prophet verkünden, bei deren Erfüllung er sogar mithelfen soll (Ez 37,4–5).[9]

Wie schon angedeutet: die Antwort Ezechiels auf die Frage: „Werden diese Knochen leben?“ führt in das wundersame Geschehen hinein; er antwortet diplomatisch, weise: Du, JHWH, weißt es! Ezechiel will sich nicht drücken, dazu ist er als Prophet viel zu erfahren und sein Gottvertrauen zu bewährt.[10] Er hat ein Gottesbild vor Augen, das offenbar von den Schöpfungserzählungen der Genesis und vielen anderen Bekundungen göttlicher Schöpferkraft ausgeht. Er ist davon überzeugt, dass der Schöpfer allen Lebens auch über den Tod herrschen kann: ER erweckt zum Leben, aber ER gibt Kreaturen, das Volk Israel, Fremdvölker (Gojim), Juden und einzelne Menschen auch dem Tode preis. ER ist eben Herrscher über Leben und Tod, Gutes und Böses; der Prophet Jesaja formuliert es sehr drastisch (Jes 45,5a.7.9. 11a), es gibt Gottesbilder, welche die zerstörerische Seite der Gottheit integrieren:

„Ich bin JHWH und keiner sonst, außer mir gibt es keinen Gott. Ich bin JHWH und keiner sonst. Der das Licht bildet und die Finsternis schafft [!], ich, JHWH, bin es, der all dies vollbringt. […] Wehe dem, der rechtet mit dem, der ihn gestaltet hat: eine Tonscherbe unter irdenen Scherben! Sagt denn der Lehm zu dem, der ihn gestaltet: Was tust du? Und sagt dein Werk: Er hat keine Hände? […] So spricht JHWH, der Heilige Israels und sein Schöpfer.“

Doch als nähme Ezechiel einen modernen Ausspruch vorweg: „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ – setzt er seine Hoffnung, investiert er sein Vertrauen in die „helle, lichte Seite der Macht“, was nicht nur Fans der Star Wars Episoden beglückt. Warum produzieren Filmemacher massenhaft dualistisch geprägte Filme mit konträr konzipierten Sujets und Figuren? Warum wird Literatur mit Helden, Widersachern, Freunden und Feinden geschrieben? Warum sind heute noch Shakespeare, Tolkien (Herr der Ringe) und viele andere Vertreter der Weltliteratur, aber auch aus dem lange Zeit unterschätzten Genre der Comics so erfolgreich? Einzig und allein, weil sie innere Kämpfe und Aggressionen zu Tage fördern, die wir selbstkritisch in uns wahrnehmen oder zumindest unterbewusst in uns schlummern.

Deshalb braucht unsere Phantasie Nahrung für Positives, benötigt unsere Seele die Gewissheit, dass das Gute immer wieder über das Böse obsiegen wird, welche Gestalt es auch gerade aktuell annimmt. Daher nehmen auch in Zeiten verschärfter Religionskritik Menschen Zuflucht zu Gottesbildern, die von Macht und Stärke zeugen, ebenso von Güte, Liebe, Zuneigung, Verlässlichkeit, von Bereitschaft zur Vergebung, von unverbrüchlicher Treue – trotz aller Unzulänglichkeit der menschlichen Spezies, ja, eben deshalb, weil wir es verdammt nötig haben! Die hebräische Bibel gibt deshalb Zeugnis von den Höhen und Tiefen im Leben Israels. 

Seine Geschichte und Geschichten, seine Erzählungen, seine Prophetien, seine Weisheitsliteratur, die gesamte Tora (Weisung), führen dem Leser Dramen, Tragödien, lehrreiche Weisheiten, innige Bitt-, Dank- und Lobpreisgebete, Klagelieder, aber auch Komödien vor Augen. Sie sind – wohl verstanden – ein Spiegel für die Menschheitsgeschichte: „Die Sprache, aus der Heilige Schriften wurden und die ihr prophetisches Wesen bewahrt – womöglich Sprache schlechthin –, das bereits vernehmbare oder noch stumme Wort Gottes in jedem Sprechen entspringt nicht allein dem Eingebundensein der sprechenden Menschen ins Gewebe [Text] der Welt und der Geschichte, wo sie sich um sich selbst sorgen [sich selbst genügen].“ Über das, was die Sprache mich wissen lässt „im Zusammenspiel der Zeichen“, der Wörter und Bedeutungen hinaus, „setzt sie mich mit dem Anderen […] in Beziehung“. Es „ruft sich meine Verantwortung-für-den[/die]-Anderen ins Bewußtsein, die tiefer geht als jedes Evozieren von Bildern.“[11]

Nun ist Lévinas keineswegs bilderfeindlich, aber er weiß sicher, dass wir uns allzu rasch an Bilder, gerade an schreckliche Bilder – etwa aus dem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine – gewöhnen können, weil wir sie verdrängen (müssen), um nicht unsererseits innerlich daran zu zerbrechen. Ich habe in einer Art Weckruf mich intensiv damit auseinandergesetzt und mich nicht gescheut, auch persönlich zu werden und aus meiner Vergangenheit zu erzählen. Hier aber nehme ich davon aus guten Gründen Abstand, möchte eher erbaulich als mahnend und aufrüttelnd wirken. 

Adäquate Auslegungen von Schriftzeugnissen der hebräischen Bibel bieten immer noch jüdische Exegeten. Jüdisch-christliche Dialogbereitschaft gibt es seit ein paar Jahrzehnten, mitunter gelingt auch eine kreative Kooperation, wie z.B. durch einen jüdischen Exegeten und eine katholische Malerin, die sich in „Kongenialität der Geister“ (Friedrich Schleiermacher) Texten des Propheten Ezechiel in einer „literarisch-bildhaften Kreation“ annähern.[12]

So erbaulich diese biblisch-malerische Meditation auch sei, so klar lenkt sie unsere Aufmerksamkeit auf nur scheinbar nebensächliche Details, die leider nicht in allen Übersetzungen und Exegesen zum Ausdruck kommen: „Rede als Prophet zum Geist, Mensch. Hauch diese Erschlagenen (Erwürgten)[13], [Erstickten] an, damit sie lebendig werden! Da sprach ich als Prophet, und es kam der Geist in sie. Sie wurden lebendig, und sie stellten sich auf ihre Füße – ein großes, gewaltiges Heer“ (Ez 37,9–10):[14] Tote, leblose Körper, wie zurückgelassene Soldaten auf dem Schlachtfeld daliegend.[15] Übersetzt wird oft nur „Getötete“, statt „Erschlagene“. Mit letzteren hat es Wichtiges auf sich, weil dieser Ausdruck recht häufig bei Ezechiel mit JHWH als Subjekt erscheint: „Gott“ erschlägt Menschen, sein Volk wird von IHM erschlagen![16] Auch ein solches Gottesbild aus der hebräischen Bibel ist ein wesentlicher Teil der umfassenden Tora.

Doch hat „Gott“ außer der grausamen, unbegreifbaren Eigenschaft auch aufbauende, aufrichtende, wohlwollende und liebevolle Aspekte. Immer wieder erneuert JHWH seinen Treuebund mit Israel, und die Mythen der Urgeschichte erzählen, dass die Gottheit die sprichwörtlich gewordene Sintflut, die fast universale Vernichtung allen Lebens auf der Erde bereute, so dass sich solche Zerstörung nie mehr wiederholen würde. Inzwischen bedürfte es auch keiner erzürnten Gottheit mehr, da wir selbst immer wieder beweisen, dass wir dazu in der Lage sind. Die Schöpfungsmythen aber erzählen, wie „Gott“ das ursprüngliche Chaos bändigte und daraus einen wunderschönen, über alles Zerstörerische erhabenen Kosmos schuf. Wenn sich Sterne und Teile von Galaxien selbst zerstören, entsteht Neues.

Die menschliche Spezies verwüstet den blauen Planeten, tötet, mordet, vernichtet: Tiere, Pflanzen, Menschen; beutet die Ressourcen blind und irrational aus, die sie zum Überlegen auf lange Sicht bräuchte. Ist es nicht ausgesprochen dumm und wahnwitzig, was wir als Menschen tun?! Verzeihen Sie mir diese Suggestivfrage, ich finde aber, diese und ähnliche Fragen müssen gestellt werden. Vor allem aber auch die Frage, mit der Ezechiel regelrecht provoziert wurde. Vermutlich hat er sich selbst diese Frage gestellt; immerhin handelt es sich um eine Vision: „Mensch, werden diese Gebeine leben?“ Diese Frage ist insofern auch suggestiv, weil die Antwort implizit gegeben erscheint: Nur der lebendige (!) „Gott“ kann lebendig machen, nur ER vermag dem Abgestorbenen, dem und den Toten, neues Leben einzuhauchen. Das betrifft sicher auch festgefahrene, leblose, geistlose Verhältnisse und Beziehungen, wo nichts wirklich Lebendiges mehr anzutreffen ist, wo Phantasie und kreative Neuanfänge im Keim erstickt wurden. Wir sagen nicht umsonst: Da muss einmal frischer Wind hinein!

Ich gehe das Wagnis ein, Sie heute zusätzlich mit einem Bild zu konfrontieren, dass ich als Mahnmal verstehe; ich erinnerte mich während der Predigtvorbereitungen daran. Es stammt von David Olère, der als Zeichner und Maler Auschwitz überlebt hat. Seine Bilder sind erschreckend realistisch; man spürt geradezu, dass er in der Hölle war. Dort musste er auch Ursachen für Massengräber sehen.[17]

Wer wünschte es sich und den Anderen nicht (im Sinne Lévinas‘), dass wir durch Gegenbilder und Gegenentwürfe, die der Prophet Ezechiel tradiert, angesichts von Gräueltaten und Kriegsverbrechen ermutigt werden, dass wir weder verzweifeln noch zur eigenen Tagesordnung übergehen?! Ezechiel verstärkt als Berufener JHWHs noch seine Bilder, indem er dem Volk Israel verheißt, JHWH werde ihre Gräber öffnen und sie heraufsteigen lassen: „Ich errette euch aus dem Sumpf der Verzweiflung, in den ihr versunken seid.“[18] „Ich gebe meinen Geist in euch, so dass ihr lebet, mache euch sesshaft […], und ihr sollt erkennen, dass ich JHWH bin; was ich geredet, werde ich tun, Spruch JHWHs.“[19]

Die Vision mit anschließender Deutung bei Ezechiel ist wohl am ehesten als verheißende Erneuerung Israels, keineswegs aber als Hinweis oder gar Beweis einer universellen Auferstehung von den Toten zu verstehen.[20] Doch: „Werden diese Gebeine leben?“ Gilt die Antwort für die Nachbarvölker Israels? Dürfen auch (alle) anderen Länder damit rechnen, dass „Gott“ sie aus ihren Massengräbern befreit oder – noch besser –, dass ER es gar nicht erst soweit kommen lässt? Gelten die Verheißungen der (hebräischen) Bibel nur dem Volk Israel? Das Prophetentum des AT verneint diese Frage an vielen Stellen; JHWH sammelt auch die Völker, will den Frieden der Nationen. Deshalb ist es verwerflich, wenn bis dato Nationalismen und Terror gegen anders Denkende in gewissen Staaten grassieren.

Nein, die menschliche Spezies gräbt sich das Wasser ab, wir schaffen uns selbst die Massengräber, durch die Weltgeschichte hindurch, in allen Kontinenten, auch in Europa: in Deutschland, Russland, Bosnien-Herzegowina (oder Exjugoslawien) und aktuell in der Ukraine. Warum besinnen sich viele Menschen nicht auf ihre positiven, kreativen, phantasievollen Kräfte – warum töten, morden und vernichten? Der Pseudoargumente oder Ursachenforschungen sind viele, aber keine sind wirklich stichhaltig: „The Answer My Friend Is Blowing in the Wind“ (Bob Dylan).[21] „[…] nun gab ich mein Herz dran zu erkennen Weisheit und Kenntnis als Tollheit und Narrheit, – ich erkannte, daß auch dies ein Trachten nach Wind ist. ‚Denn in einer Fülle von Weisheit ist Verdrusses die Fülle, und wer Kenntnis mehrt, mehrt Schmerz“ (Kohelet/ Versammler/ Prediger 1,17–18).[22]

Achten wir darauf, dass wir nicht „lebendig tot“ sind, dass wir nicht gefühllos werden, nicht sehend blind oder hörend taub. Lauschen wir dem leisen Wind, dem Hauch der Gottheit, aus einer anderen Dimension. Ergreifen wir die Vision des Propheten, die wir schlafend empfangen wie einen sanften Traum, uns aber aufwühlt, und hören wir auf den Klang der Stille – in der Finsternis zerstörerischer Kräfte: The Sound of Silence (Paul Simon/ Art Garfunkel, 1964, erste Strophe),[23] im Lärm der Welt, Tosen des Kriegsgeschreis, das nun auch an unsere Ohren dringt, begleitet von Bildern, die wir gern verdrängen, weil wir nicht verantwortlich sein wollen für das, was z.B. in der Ukraine geschieht. Doch sind wir – wenn auch nur indirekt und ohne vergleichbares Leid, als noch Lebendige, als Verschonte von täglichem Horror und Schrecken, von den Schreien der Opfer, sind wir doch Beteiligte durch die Mangelerscheinungen, durch persönliche Entbehrungen, trotz unserer so hoch gelobten Wirtschaft!

Schieben wir nun alle Verantwortung für den/ die Anderen auf die Hauptverantwortlichen? Können wir so stark abstrahieren vom Elend und Leid des Anderen; vermögen wir zu verdrängen, was quasi in unserer Nachbarschaft geschieht? Wohl kaum, wenn anders unsere Seele verwelken, unser Verstand verkümmern würde. Wir würden selbst zu „Totengebeinen“, würden uns unser eigenes Grab graben, weil wir vergessen hätten, dass die anderen Menschen sind wie wir. Käme dann ein Prophet, der uns hülfe, dass uns wieder Leben eingehaucht wird – und dazu Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft? Nun, so finster steht es bei uns auch wieder nicht: Unsere Regierung liefert immer wirksamere Waffen, und viele Städte in Europa, auch in Deutschland, nehmen Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Nehmen wir sie von Herzen auf! Schenken wir ihnen menschliche Wärme und Verstehen, damit sie, die beinahe in Totenstarre verfallen wären, wieder lebendig und froh werden. Wenn wir womöglich eines Geistes werden, wird das Böse, werden Hass und Vernichtung nicht mehr die Oberhand behalten. Möge uns und allen beteiligten Nationen der Himmel beistehen – auch Russland, weil das Volk auch leidet! 

Amen.

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Pfarrer Thomas Bautz

Bonn

E-Mail: bautzprivat@gmx.de

Pfarrer „im Unruhestand“


[1] Übersetzung, cf. Moshe Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005); 451–464: 452; die Überschrift: „Das Bild der Auferweckung als Botschaft nationaler Erneuerung“ verführt zum Vergleich mit christlichen Vorstellungen von Auferweckung und Auferstehung, was die Botschaft des Propheten verfehlte. Auf völlig unangemessene Weise wird in manchen Predigten der atl. Prophetentext „gegen den Strich gebürstet“, z.B. von dem ansonsten renommierten Alttestamentler Horst Dietrich Preuß: Das Alte Testament in christlicher Predigt (1984): (§ 14) Predigten als Konkretisierungsmodelle (8) Ez 37,1 – 14 (Karsamstag; Reihe VI; auch 1. Ostertag), 210 – 214. Für Preuß ist „Auferstehungshoffnung“ ein Muss für den christlichen Glauben, das AT sei aber auf dem Weg dahin.

[2] Cf. Ulrike Bechmann/ Luzia Sutter Rehmann: Visionen gegen den Tod. Bibelarbeiten zu Ezechiel 37,1–14 und Lukas 21,5–24 (2005): (II.) Die Auferstehungsvision (Ezechiel 37, 1–14) (Ulrike Bechmann), 11–37: 26.

[3] Cf. Zürcher Bibel (2007), 1198–1199; Jerusalemer Bibel (151979), 1232–1233; Lutherbibel, digitale Ausgabe: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/EZK.37/Hesekiel-37; TOB (1986), 1067f; Luther-Bibel (1972), 932–933; King James Bible: https://www.kingjamesbibleonline.org/Ezekiel-Chapter-37,1–14; The Holy Bible (King James Version), placed by the Gideons (1978), 772–773; The Holy Bible. New International Version (1978), 930; abweichend freilich: Bücher der Kündung. Verdeutscht v. Martin Buber/ Franz Rosenzweig (8. Aufl. d. neubearb. Ausg. v. 1958; 1985), 549–550.

[4] S. Jost Amman: Biblia. Ezechiels Vision im Tal der Totengebeine (1564), Holzschnitt, HeidICON – Europäische Kunstgeschichte, Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg, Unibibliothek, https://prometheus-bildarchiv.de/.

[5] M. Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005); 457.

[6] Emmanuel Lévinas: Jenseits des Buchstabens. Band 1: Talmud-Lesungen (1996): Vorwort, 7–17 (Anmerkungen des Übersetzers, Frank Miething, S. 18); Or.: L’au-delà du verset (1982).

[7] Cf. Ezekiel. Current Debates and Future Directions, hg. v. William A. Tooman/ Penelope Barter, FAT 112 (2017): The Vision of the Dry Bones (Ez 37,1–14): Resurrection, Restoration or What? (Michael Konkel), 107–119: 107.

[8] S. Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005); 460.

[9] Cf. Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005); 452.

[10] Cf. André LaCoque/ Paul Ricoeur : Penser la Bible (1998) : De la mort à la vie (Ézéchiel 37) (LaCoque), 191–222 : 200 (A. 15).

[11] Lévinas: Jenseits des Buchstabens. Band 1: Talmud-Lesungen (1996), 10; deutschsprachige Übersetzungen verwenden diese Bindestrichungetüme als Komposita, die im Französischen bei Lévinas nicht so häufig sind; s. aber Lévinas: Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht. Übers. v. Thomas Wiemer (1992, 42011): (IV.) Die Stellvertretung (3.) Das Sich, 243–251: 247; Or.: Autrement qu’être ou au-delà de l’essence (1974, 1991): (IV. 3.) Le soi, 173–179: la responsabilité-pour-les-autres (177).

[12] S. Yuval Lapide/ Christel Holl: Mit dem neuen Herzen denken. Ein Jude und eine Christin entdecken den Propheten Ezechiel (2018): Der Geist und „die ent-geist-eten Geschöpfe“ (Ez 37,9–10), 82–87 (Abb., S. 82–83); Sich öffnen zu neuem Leben (Ez 37,11–13), 88–93 (Abb., S. 88–89).

[13] Buber/ Rosenzweig (1985): „Geistbraus, komm, wehe diese Erwürgten [Erstickten] an, daß sie leben!“ (550).

[14] Cf. Y. Lapide/ C. Holl: Mit dem neuen Herzen denken (2018), 84; von mir gekürzt.

[15] Cf. Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005), 459.

[16] S. Ruth Huppert: Israel steht auf. Eine Studie zu Bedeutung und Funktion von Ez 37,1-14 im Buch Ezechiel, Beiträge zum Verstehen der Bibel 27 (2016): (IV.) Einzeluntersuchungen zu Ez 37,1–14 (8.) Weitere Einzel-beobachtungen zu Ez 37,1–14 (8.5.) Die Erschlagenen JHWHs in Ez 37,9 (S. 185–186).

[17] „Erstickungstod durch Zyklon B“ oder „Gazage“ („Gassing“, 131 x 162 cm): Ausst.-Kat. David Olère: 1902–1985. A painter in the Sonderkommando at Auschwitz (1989), A Living Memorial to the Holocaust, New York, S. 54; s. Videopräsentation https://webdoku.rbb-online.de/david-olere-chronist-von-auschwitz#237964.

[18] Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005), 461.

[19] Greenberg: Ezechiel 21–37, HThK.AT (2005), 452–453 (Ez 37,14).

[20] Cf. Ezekiel. Current Debates and Future Directions (2017): The Vision of the Dry Bones (Ez 37,1–14): Resurrection, Restoration or What? (M. Konkel), 107–119: (3.) Ezekiel 37,1–14 – A Text about the Restoration of Israel?, 112–115: 112 (A. 22); R. Huppert: Israel steht auf (2016).

[21] Geb. 1941; erhielt 2016 für seine poetischen Neuschöpfungen als erster Musiker den Nobelpreis für Literatur.

[22] Cf. Buber/ Rosenzweig (1985), 390; Zürcher Bibel (2007), 896.

[23] “Hello darkness, […] / I’ve come to talk with you again / Because a vision softly creeping / Left its seeds while I was sleeping / And the vision that was planted in my brain / Still remains / Within the sound of silence”. 

de_DEDeutsch