Beten – wie geht das?

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Beten – wie geht das?

Predigt zu Matthäus 6,5-15 | verfasst von Andreas Schwarz |

 

5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. 7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. 9 Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. 11 Unser tägliches Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.] 14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

 

In der Stille angekommen wird ich ruhig zum Gebet,

viele Worte sind nicht nötig, denn Gott weiß ja, wie’s mir geht.

 

Mit Stille hat es zu tun und mit Ruhe.

Äußerlich und innerlich.

Keine Sorge, keine Aufregung – wie etwa vor einer mündlichen Prüfung.

Hier kannst du nicht scheitern oder durchfallen.

Hier bist du, der du bist.

Wahr- und wichtig genommen, geachtet und wertgeschätzt.

Hier sagst du, was dir wichtig ist.

Was dich gerade bewegt.

Angenehm oder belastend.

Wofür du danken oder wogegen du klagen möchtest.

Hier formulierst du, wie dir der Schnabel gewachsen ist.

 

Und Gott schuf den Menschen sich zum Bilde,

zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Sich ein Gegenüber.

Ein Wesen, das hört, wenn er spricht.

Das antwortet.

So kommunizieren sie miteinander.

Sie gehören zusammen.

Der Schöpfer und das Geschöpf.

Gott und Mensch.

So hatte er sich das gedacht.

Aber es ging nicht lange gut.

Und dann schlief das Gespräch ein.

Der Mensch suchte sich andere Gegenüber.

Lief vor Gott weg und versteckte sich.

Die Kommunikation wurde schräg.

Gott fragte, der Mensch suchte sich Ausflüchte.

Gott sprach Strafen aus.

Das Verhältnis war belastet.

Es war nicht mehr offen und frei.

Der klare Blick in die Augen war verloren.

Schweigen war angesagt.

Oder Klage und Vorwurf.

 

So war das nicht gedacht von Gott.

Aber es hatte nicht funktioniert.

Und darum ist das mit dem beten so einfach nicht, wie es sich anhört.

Für viele Menschen ist es weg, nicht mehr praktiziert, nicht mehr geübt. Fremd.

Sie wissen nicht, wie das geht.

Weil sie vermutlich auch nicht wissen, was das ist: beten.

So erzählt ein Pfarrer von einem Gespräch mit einem solchen Menschen.

 

Ich will beten lernen, zeigst du mir das?

Ja, sag ich, ich zeig dir das.

Was muss ich tun?

Dasein, sag ich.

Wie – Dasein?

Ja, am besten du setzt dich irgendwo hin, immer an den gleichen Ort zur gleichen Zeit und bist einfach 10 Minuten da.

Und das reicht?

Ja, das ist es im Prinzip.

Also muss ich gar nichts lernen?

Nein, eigentlich nicht. Du musst anfangen und es tun.

Aber du weißt doch, ich glaub nicht so richtig an Gott.

Das ist egal. Wenn du beten willst, hat es dich schon erwischt. Wenn du betest, dann spielst du einfach: Gott wäre da und schaut dich freundlich an. Dann wartest du ab was passiert.

Und wo soll ich sitzen?

Wo du Ruhe hast und einen schönen Punkt auf den du gucken kannst. Eine Kerze oder ein Bild.

Und gar nichts sagen?

Na, du redest ja sonst auch nicht viel. Das ist schon ok so. Am Anfang kann man vor sich hinsprechen:

‚Gott, ich bin da. Du bist da. Sieh mich an.’

und am Schluss das Vaterunser.

In der Kirche betest du doch aber auch immer so fertige Gebete.

Ja, damit bete ich für die anderen, die lieber schweigen.

Ich hätte gern ein Gebet, das ich nachsprechen kann, so als Einstieg.

Ok. Sprich mir nach:

Herr, du erforschst mich und du kennst mich,

ich sitze oder stehe auf, so weißt du es.

Gerhard spricht es nach.

Weiter: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Sieh, ob ich auf bösem Wege bin und leite mich auf ewigem Wege.

Gerhard spricht und nickt.

Warum nickst du?

Das ist gut, sagt er. Das stimmt.

Gut, sage ich, dann fang an. Gleich heute Abend.

 

Gerhard lächelt. Er wird’s tun, das sieht man.

Manchmal ist etwas reif, dann fängt es fast von selbst an.

 

Manchmal aber braucht es Hilfen.

Weil es gar nicht geht, wie bei Gerhard.

Oder weil es unnatürlich geworden ist.

Und Gebet nicht das ist, was es ist.

Ein Gespräch mit Gott.

Offen und ehrlich.

Um ihm zu sagen, was auf der Seele liegt.

Ihm zu danken für das, was gut ist.

Um ihm zu klagen, was schwer ist.

Um ihn um Hilfe zu bitten,

um Verständnis,

um einen anderen Blick auf das Leben zu bekommen.

 

Es passiert, dass ein Gebet zur Routine wird.

Es wird gesprochen, weil es immer so war.

Weil es sich so gehört.

Weil ich sonst ein schlechtes Gewissen habe.

Ich muss es tun, damit ich einen Haken mache, um mit mir zufrieden sein zu können.

Gott ist es dann sicher auch.

 

Es passiert, dass mein Gebet eine Bezahlung wird.

Ich bete, damit ich zeige, wie gut ich bin.

Um es mir selbst einzureden.

Um zu hoffen, Gott sieht es genauso.

Wie wir in der Welt miteinander umgehen:

Ich gebe dir etwas – du gibst mir etwas.

Das Gebet ist meine Leistung, meine Zahlung.

Gottes Lob ist mein Gewinn.

Und dass er meine Bitten erfüllt.

 

Es passiert, dass ich versuche, Gott zu überreden.

Je mehr Worte ich mache,

je überzeugender ich meine Argumente finde,

umso größer sind meine Chancen, dass Gott tut, was ich will.

 

Manchmal braucht es Hilfen.

Weil es gar nicht geht, wie bei Gerhard.

Weil es unnatürlich geworden ist.

 

Jesus leiht seinen Jüngern gute Worte zu beten.

Und seitdem vielen Menschen,

zu allen Zeiten und an ganz vielen Orten.

Ein Gespräch mit Gott,

das Menschen mit ihm und miteinander verbindet.

Es stärkt die Beziehung zu Gott,

denn wir sagen Vater.

Wir sind seine Kinder,

und alle, die es beten, sind untereinander Geschwister.

Ob sie sich kennen oder nicht.

Ob sie sich sympathisch finden oder nicht.

Er ist die Verbindung.

Er wird von allen gleich angesprochen: Vater.

Das hat Christus uns erlaubt.

Und empfohlen.

Dann spielt es keine Rolle, wie fromm sich jemand findet,

wie stark sie ihren Glauben selbst einschätzt,

wie oft er zweifelt,

wie selten sie an ihn denkt.

Wir sagen ‚Vater‘ und gehören zu ihm, sind seine Kinder.

So unterschiedlich, wie Kinder eben sind,

und unterschiedlich, wie sie eben glauben.

Er ist unser Vater.

Sein Name ist für alle in gleicher Weise wichtig.

Und dass wir Bürger in seinem Reich sind.

Jetzt und in Zukunft.

Und dass wir ihm vertrauen,

auch wenn wir ihn nicht immer verstehen.

Wenn wir das Leben anders wollten,

wenn unsere Pläne nicht verwirklicht werden.

Im Gebet bitten wir um die Einsicht,

ihm zu vertrauen.

Denn der uns das Leben schenkt, der wird es auch begleiten und führen in die Zukunft.

Jesus leiht uns Worte,

die das Vertrauen stärken.

Die nicht auf Routine aus sind,

oder darauf, sich etwas einzubilden,

auf sich selbst und seinen Glauben.

Die uns aber ganz fest mit dem Vater im Himmel verbinden. Und miteinander.

Kinder dieses Vaters zu sein öffnet Augen und Herzen füreinander:

Zu teilen, wo es nötig ist und hilft.

Beim täglichen Brot auch an das Brot für die Welt zu denken.

Von der Liebe des Vaters leben und anderen verzeihen.

In Jesu Gebet gehört es zusammen.

Er lehrt uns Vertrauen und Verantwortung.

Hat es selbst gelebt und nimmt uns mit auf diesem Weg.

In seinen Worten.

In seinem Leben.

In seinem Leiden und Sterben.

Damit wir bewahrt werden vor der Versuchung, wir könnten unser Leben selbst sichern.

Weil wir so gut sind.

Der Vater schenkt uns das Leben,

in seinem Sohn befreit er uns von der Aussichtslosigkeit des Todes.

Das Böse wird über uns nicht siegen.

Die Trennung von Gott ist endgültig aufgehoben, wo wir ‚Vater‘ sagen.

Gemeinsam: Unser Vater.

Vater unser. Amen.

 

Pfarrer Andreas Schwarz

Pforzheim

p.andreas.schwarz@gmail.com

 

Andreas Schwarz, geb. 1958

Seit 2001 Pfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, Gemeinde Pforzheim

Seit 1998 Herausgeber der Lesepredigten für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche

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