1. Johannes 1, 1-4

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1. Johannes 1, 1-4

1,1 Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen
haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände
betastet haben, vom Wort des Lebens – 1,2 und das Leben ist erschienen,
und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben,
das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist -, 1,3 was wir
gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit
auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem
Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. 1,4 Und das schreiben wir,
damit unsere Freude vollkommen sei.

Liebe Gemeinde!

Wäre das nicht eine steile Behauptung, wenn der Hl. Apostel mit
dem Wörtchen „wir“ auch genau uns umschließen
wollte? Nämlich dass auch wir hier in
diesem Gottesdienst mit unseren Augen alles
gesehen und mit unseren Hände alles betastet
hätten, um dann auch große Worte zu verbreiten?

Eine solche Behauptung wäre wirklich gewagt, denn die Stimmungslage
nach Weihnachten ist doch vielfach recht gemischt. Bestimmt sind da die
einen, die noch ganz erfüllt sind von
dem Schönen, das sie zu Weihnachten hatten erleben dürfen –
so Vieles, so Rührendes, so Prächtiges. Und das klingt alles
erst langsam ab. Jedoch gibt es nicht wenige, die haben in diese Tagen
ganz anderes in Kopf und Herz. Ich rede jetzt
nicht von den großen Umtauschaktionen, mit denen die Geschäfte
bereits gestern zu tun hatten. Aber selbst ein solcher simpler Umtausch
gibt schon einen Hinweis darauf, dass zum Fest wohl bei manchem etwas
nicht passte und zusammenpasste, oder dass da Erwartungen nicht erfüllt
wurden, oder dass es da wirklich Enttäuschungen gab.

Aber wie sollte man sich dann, wenn man zu Weihnachten enttäuscht
wurde, vereinnahmen lassen können in diesen Satz des Hl. Apostels,
dass auch wir mit unseren Augen alles gesehen und
mit unseren Hände alles betastet hätten?
Dagegen hat doch viel Enttäuschung gerade darin ihre Ursache ,
dass wir wirklich so große Erwartungen hatten ,
dass wir wirklich so viel Schönes von Weihnachten erwarten wollten ,
und dass dann das Schlimme geschehen ist, dass wir eben mit unseren Augen nichts hatten
sehen und mit unseren Händen nichts hatten
betasten können.

Dabei wäre bestimmt alles ganz anderes geworden, wenn wir doch
wenigstens wie die Hirten damals die Engel auf dem Felde gesehen
hätten. Gut, angesichts der Engel so vor Furcht zittern wie die
Hirten, das hätten wir wohl nicht wollen, aber gesehen hätten
wir sie dennoch gern, selbst wenn wir noch Stunden hinterher wie geblendet
gewesen wären. Und von ihnen persönlich angesprochen zu werden
und dann die weihnachtliche Botschaft zu hören, das wäre
schon etwas gewesen, das hätte uns doch
unser Leben lang begleitet, ja, das hätten wir später doch
noch gern in stillen Stunden unseren Enkeln erzählt.

Aber wenn wir uns dann sogar aufgemacht hätten zum diesem Stall
von Bethlehem, und wenn wir dann wirklich und mit eigenen Augen hätten sehen können,
wie uns das Kind in der Krippe liebevoll und tröstlich anschaut ,
so dass es uns durch und durch geht, dann wäre das doch unüberbietbar und unauslöschlich für
uns gewesen. Bestimmt hätten wir dann auch nur ganz vorsichtig die
Krippe berührt oder auch nur etwas Stroh aus der Krippe. Aber sicherlich
hätte uns dann das alles einfach umgerissen: ja, ganz von selbst
wären wir doch dann auf die Knie gefallen. Ganz sicher wären
wir fromm geworden, hätten die Hände gefaltet und Gott gedankt,
dass er uns in diesem Kind in der Krippe so nahe gekommen ist.

Übrigens hätte uns die Frage, warum das alles so geschehen
ist und ob wir das wirklich verstehen können, eigentlich gar nicht
interessiert. Ganz bestimmt wären wir jedoch wie benommen aber völlig glücklich wieder
nach Hause gegangen. Und wir hätten dann ganz sicher gefühlt,
dass unser Leben erfüllt worden ist von dem Leben, das ewig ist,
das beim Vater im Himmel war und nun uns erschienen ist.
Dann hätten alle unsere Fragen und Nöte ihr Ende gefunden.
Und dann wären wir sicher, dass nun alles gut ist.

Aber genau darum jetzt um so eindringlicher die Frage: warum durften denn
unsere Augen nichts sehen und unsere Hände
nichts betasten. Warum durften das damals nur
denn die Hirten ? Sind wir heute etwa schlechter
als diese einfachen oder sogar ausgestoßenen Leute? Bleibt uns
deshalb nur noch um so mehr Leere und Enttäuschung?

Aber vielleicht ist Enttäuschung hier wirklich ein gutes Wort.
Denn es handelt davon, dass einem eine Täuschung genommen wird.
Und sicherlich ist es eine Täuschung anzunehmen,
dass Gott nur in der Lage wäre, uns Menschen ausschließlich
zu einem von uns berechenbaren Zeitpunkt und an einem von uns berechenbaren
Ort nahe zu kommen. Allerdings können wir
Menschen gar nicht anders ,
als so oder so ähnlich zu denken. Unser menschliches Leben ist so
organisiert und muss vielleicht auch so organisiert
sein, dass es unübersteigbare Grenzen von Zeit und Raum hat. Unser
menschliches Leben reicht eben nicht von Ewigkeit
zu Ewigkeit und von einem Horizont zum anderen. Aber bei Gott ist das
doch alles anders . und kann und darf und muss es
auch anders sein, weil Gott eben Gott ist, der unser menschliches Denken,
Fühlen und Wirken übersteigt. Und deshalb wäre es eine
zwar menschlich begründete und verständliche,
aber dennoch ganz schlimme Verdrehung und Verfälschung des himmlischen Geschehens
der Hl. Nacht, wollte man es nur auf die überlieferte Zeit und den überlieferten
Ort beschränken oder wollte man auch unsere Seelen und unsere Vorstellungskraft
nur an die heutigen Orte und Zeiten fesseln.

Offensichtlich wird alles falsch, wenn man allein vor Augen hätte,
dass Gott uns nur in der Hl. Nacht damals und
nur in der überlieferten Zeit damals und
in dem damals überlieferten Ort nahe
kommt. Denn dann hätten wir als Nachgeborene tatsächlich verloren
jetzt und in Ewigkeit. Aber dann hätten auch die Engel unrecht,
die die Geburt des Retters der Welt verkündigten, aller Welt
damals und heute .
Aber wie sollten Gottes Boten unrecht haben
können. Und wie sollten auch diejenigen unrecht haben können,
die uns wie der Hl. Apostel in Gottes Namen und in Gottes Vollmacht diese
gute Botschaft bis in unsere heutigen Tage hinein überliefert haben?

Nein, Gott kommt in der Hl. Nacht damals der ganzen Menschheit
nahe und sendet der ganzen Menschheit seinen
eingeborenen Sohn, damit alle – damals , heute ,
in Bethlehem , hier und überall erlöst
und befreit getröstet und mit Ewigkeit erfüllt werden. Unübertroffen
kann das der Dichter Angelus Silesius ausdrücken, wenn er sagt: „Wird
Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst
noch ewiglich verloren. Gott schleußt sich unerhört in Kindes
Kleinheit ein: Ach möcht ich doch ein Kind in diesem Kinde sein.
Ach könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde
noch einmal ein Kind auf dieser Erden.“

Vielleicht haben wir ja jetzt durch das Dichterwort diesen Unterschied
von menschlich begrenztem Denken und unbegrenztem göttlichen Wirken
wirklich verstanden. Aber was ist, wenn unsere Augen noch immer nichts gesehen
und unsere Hände noch immer nichts betastet
haben? Kann man das jetzt etwa einfordern ?
Kann man das jetzt etwa von Gott erzwingen ?
Nein, niemals , denn Gott lässt sich nicht
zwingen. Und außerdem wären ja sonst wir Gott
und nicht unser Vater im Himmel.

Vielleicht helfen aber jetzt zwei Gedanken. Zuerst die Besinnung darauf,
dass ja auch vor zweitausend Jahren nicht alle Welt etwas gesehen und
betastet hat. Der Kaiser in Rom, der König in Jerusalem und viele
Menschen der damaligen Zeit die hatten ganz andere Dinge
im Kopf, als das Geschehen der Hl. Nacht in dem Stall von Bethlehem.
Die fanden die Verwicklungen der Politik, der Wirtschaft und der Familie
tausendmal interessanter und wichtiger als
Gottes Handeln in Bethlehem. Sie waren darum auch gar nicht
interessiert
, zu sehen und zu betasten. Es waren dann
aber drei Weise oder Könige von weither, die sehen und betasten
durften. Und dann eben die Hirten.

Was hatten aber diese Hirten als Ausgegrenzte
schon von Politik, Wirtschaft und Familie zu erwarten? Sie wussten, dass
ihnen Trost und Erlösung nur von Gott herkommen
konnte, von keiner anderen Macht der Welt. Und sie wussten auch, dass
sie Gott dazu nicht zwingen konnten. Macht
hatten sie als einfache Leute ja so wie so nicht, aber vor allem Gott
gegenüber nicht. Aber dass man ihn bitten kann,
so wie Kinder ihren lieben Vater bitten, das wussten
sie. Und wenn man so demütig und erwartungsvoll bittet, was macht
man dann anderes, als das, was Angelus Silesius sagt: „Ach könnte
nur dein Herz zu einer Krippe werden,
Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser
Erden.“

Wenn also in dieser Weise im Gebet unser Herz zu einer nur empfangenden Krippe wird,
dann will Gottes Sohn bei uns einkehren und uns erfüllen. Das ist
uns verbindlich zugesagt. Und dann werden wir
sehen und betasten und staunen und uns freuen, dass das Wort des Lebens
in uns so lebendig geworden ist. Dann müssen
wir das auch einfach weitersagen und durch
gute Gaben weitertragen an Freunde und Bekannte,
an Feinde und Unbequeme, an Hilfsbedürftige und Gleichgültige,
eben einfach an jeden, damit alle Freude vollkommen sei.
Und dann werden andere mit uns sehen und betasten
und staunen und sich freuen dass das Wort des Lebens so lebendig geworden
ist in Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. – und
das nicht nur jetzt in dieser Weihnachtszeit, sondern bis in Ewigkeit.
Amen.

Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
Erlenweg 2
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@t-online.de

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