Psalm 30, 12

Home / Bibel / Gl. Testamente / 19) Salme / Psalm 30, 12
Psalm 30, 12

„Da hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und
mich mit Freude gegürtet“, so preist der Psalmist seinen Gott
(Ps. 30,12).

Es besteht kein Grund mehr zur Klage. Es besteht Grund zur Freude,
denn Gott hat eingegriffen. Gott hat gehandelt. Er hat mich vom Nichts
und der Finsternis errettet. „Herr du hast mich von den Toten heraufgeholt;
du hast mich am Leben erhalten“. Er hat mich vom Nichts und der
Finsternis errettet, er hat mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich
mit Freude gegürtet.

Für uns geschah dies am Ostertag, als wir die Botschaft von der
Auferstehung hörten. Oder wir können sagen, es geschah erneut.
Am Ostertag wurde uns der Sack der Trauer abgenommen und wir wurden mit
Freude gegürtet.

Und nun ist das große Fest vorbei. Aber die Freude über
die Auferstehung ist nicht vorbei. Wir sind noch immer mit Freude gegürtet.
Denn die Osterbotschaft ist die Botschaft des Christentums schlechthin
– Ostern und die ganze Osterzeit und das ganze Kirchenjahr hindurch.
Christ sein heißt mit Freude gegürtet sein.

Vom ersten Ostertag an bis zum Ende der Zeiten soll die frohe Botschaft
klingen. Sie soll mitten in der Trauer und der Angst erklingen, mitten
in all dem Tod und der Zerstörung, der die Erde ausgesetzt ist.

„Wir haben den Herren gesehen“. Das ist die Botschaft in
ihrer kürzesten Form. So ergeht die Botschaft an den Apostel Thomas.
Er war nicht bei den anderen Aposteln und Jüngern, als Jesus sich
ihnen zum ersten Mal zeigte. Und als sie Thomas wiedersehen, erzählen
sie ihm, was geschehen ist.

„Wir haben den Herrn gesehen“. Einfacher kann man es nicht
sagen. Und es muß gerade so einfach gesagt werden, weil es so groß und
unfaßbar ist. Man kann es nicht begründen. Es gibt keine Erklärung.
Niemand kann hinter dieses Ereignis zurück.

Es ist nicht eine Folge von etwas, war vorausgegangen ist. Alles fängt
vielmehr hier an. Eine neue Wirklichkeit entsteht. Es ist dazu nur das
zu sagen, was die Jünger dem Thomas mitteilen: „Wir haben den
Herrn gesehen“.

Aber wir wollen dennoch von vorn anfangen. Was ist am ersten Ostertag
geschehen? Die Frauen kamen an das Grab, und der Stein war vom Grabe
gewälzt, das Grab war leer.

So pflegen wir von dem zu reden, was die Frauen erlebten: Sie sahen
das leere Grab.

Das ist ein gutes Beispiel dafür, daß Worte einen täuschen
können. Theologen und Verkündiger haben immer wieder von diesem
leeren Grab geredet.

Aber die Wahrheit ist, daß das Grab, das die Frauen am Ostermorgen
sahen, alles andere als leer war. Es ist zwar richtig, daß das
Grab leer war vom Tod. Aber das Grab war auch voll von Leben. Ja, die
Grabhöhle, in die die Frauen am Ostermorgen hineingingen, war voll
vom höchsten und stärksten Leben. Sie kamen in einem Raum,
der voll war mit überirdischem Licht und Leben.

Die Frauen sahen den Toten nicht. Sie sahen nicht das, was sie erwarteten.
Aber sie sahen etwas anderes! Sie sahen Engel in weißen Kleidern.
Und sie hörten die Botschaft von der Auferstehung. Am stärksten
wird sie vom Evangelisten Lukas wiedergegeben: „Was sucht ihr den
Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“

„Den Lebendigen!“ Merkwürdig: Diese eine Wort sagt alles.

Alle vier Evangelisten erzählen von dieser Erscheinung der Engel
und geben die Botschaft wieder, die die Frauen hörten. Das ist eine
göttliche Erscheinung und ein göttliches Wort. Das ist wirklich
das, was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines
Menschen Herzen gekommen ist.

Das ist die geheime Weisheit Gottes, die zum ersten Mal diesen Frauen
offenbart wurde und die die Männer zuerst nicht glauben wollten.

Und dann sogleich am selben Abend kommt Jesus zu den Jüngern durch
geschlossene Türen. Er steht mitten unter ihnen. Sie können
die Wunden in seinen Händen und an seiner Seite sehen. Sie können
sehen, daß es wirklich der Mensch ist, der einen furchtbaren Tod
erlitt. Er ist nun lebendige Wirklichkeit. Der Tote ist „der Lebendige“.

Und er wünscht ihnen seinen Frieden. Er gibt ihnen seinen Frieden.
Er sagte es, ehe er starb: „Frieden lasse ich Euch, meinen Frieden
gebe ich Euch“. Damals war das ein Wort an die Freunde von einem
Menschen, der bald sterben wird. Es war ein menschliches Wort.

Jetzt ist es ein Wort, das aus einer anderen Wirklichkeit gesprochen
wird. Jesus tritt ja hier auf und wird sichtbar direkt aus der Unsichtbarkeit.
Nun sind seine Worte reine göttliche Worte.

Er gibt ihnen seinen Frieden. Und er bläst seinen Lebensgeist
in sie hinein. Er gibt ihnen den Heiligen Geist. Er macht sie zu seiner
Kirche und seiner Gemeinde auf Erden.

Jesus erscheint nicht nur seinen Jüngern. Es geht nicht nur darum,
daß sie sehen sollen, daß es wirklich Jesus ist und daß er
wirklich auferstanden ist.

Es geht auch darum, daß sie teilhaben sollen an seiner Auferstehungswirklichkeit
und seiner Auferstehungskraft. Die Kraft, die ihn durch die Finsternis
des Todes getragen hatte. Die Kraft, die nun in ihm Gestalt und Stimme
erhalten hat, die Schöpferkraft, die nun etwas ganz Neues begann,
die Kraft und das Leben sollen sie nun empfangen.

Es ist eine Kraft. Es ist Wahrheit. Es ist Liebe. Es ist eine Liebe,
die alles vergeben kann und die selbst die größten Sünder
der Erde erneuern kann. Es ist eine Liebe, die alles wieder aufrichten
kann.

Aber es ist auch eine Liebe, die dem nicht aufgezwungen werden kann,
der sie nicht annehmen will. Es ist eine übermenschliche Liebe.
Es ist aber auch eine verletzliche Liebe, die nur leben kann, wenn wir
nach ihr reichen und sie entgegennehmen wollen.

Das ist das Wunderbare am Evangelium. Der Friede und die Gnade und
die Liebe kommen zu uns als eine unwiderstehliche Kraft, durch das souveräne
Handeln Gottes in und durch diesen Menschen. Da ist kein Platz für
den Willen und das Eingreifen des Menschen. Und doch ist der Mensch nicht
nur passiv Gegenstand des göttlichen Handelns. Der Mensch ist auch
Partner.

Gottes Handeln ist souverän, aber Gott kann sein Tun nicht zuende
führen, ohne daß da ein Mensch ist, der sich Gott zuwendet.

Deshalb sagt Jesus: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen
sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“.
Die Sündenvergebung ist nämlich immer dem versagt, der sich
von der Liebe abwenden möchte.

Und nun kommt Thomas ins Bild. Er hört die Botschaft: „Wir
haben den Herrn gesehen!“ Aber die Botschaft genügt ihm nicht.
Er will auch selbst sehen.

Und er bekommt den Auferstandenen zu sehen. Und er hat nur eine Antwort: „Mein
Herr und mein Gott!“ Das ist wie ein Nachklang des Bekenntnisses
des alten Israel. Thomas hat wie die anderen die Worte seit seiner Kindheit
gehört und gelernt: „Höre Israel! Der Herr unser Gott
ist einer“.

Nun gilt dieses Bekenntnis diesem auferstandenen Menschen. Denn in
ihm ist die göttliche Fülle voll und ganz gegenwärtig.
In ihm sehen sie das Unsichtbare selbst. Auch Thomas sieht es, und sogleich
weiß er, daß die einzig mögliche Antwort Bekenntnis
und Anbetung ist: „Mein Herr und mein Gott!“

Die Apostel und die Jünger sind die ersten von vielen. Sie sind
die ersten Christen. Als Jesus mitten unter ihnen steht und ihnen seinen
Frieden gibt und seinen Geist einbläst und ihnen die Vollmacht erteilt,
die Sünden der Menschen zu vergeben, da werden sie Kirche und Gemeinde.

Aber die Kirche und die Gemeinde leben weiter, auch nachdem sie nicht
mehr sind. Wir sind ihre Nachfolger als Kirche und Gemeinde und als Christen.
Uns ist derselbe Friede und derselbe Geist gegeben und dieselbe Vollmacht.
Auch wir haben den Geist der Wahrheit und der Liebe empfangen.

Aber Thomas hat eine ganz besondere Bedeutung für uns. Er ist
unser Vorgänger in einer besonderen Weise. Thomas glaubt nicht an
die Auferstehung, ehe er den Auferstandenen sieht. Und anläßlich
dessen, was mit ihm geschieht, sagt Jesus: „Selig sind, die nicht
sehen und doch glauben“.

Das sind ja wir! Wir hören die Botschaft, aber wir sehen nicht
direkt. Das Unsichtbare offenbart sich für uns nicht sichtbar, sondern
im Wort, in der Erzählung, in der Taufhandlung, im Brot und Wein
des Abendmahls, im Gebet im Namen Jesu.

Wir haben nicht Teil an der ersten Offenbarung. Wir haben Teil an dem
Zeugnis von der Offenbarung. Was bedeutet das für unser Leben?

Drei Dinge:

Erstens daß wir eben dieses Zeugnis annehmen müssen. Wir
müssen das Wort hören und uns in es vertiefen mit Verstand
und Herz. Ohne das Zeugnis, das der Heilige Geist inspiriert hat, können
wir nicht Christen sein.

Zweitens müssen wir betende Menschen sein und die Kirche zu einer
betenden Kirche machen. Ohne das Gebet zum Auferstandenen und im Namen
des Auferstandenen können wir keine Christen sein. Auch wir müssen
sagen: „Mein Herr und mein Gott!“

Drittens müssen wir das Leben leben, das Jesus uns zeigt und lehrt.
Wir müssen den Frieden und die Gemeinschaft und die Barmherzigkeit
und die Vergebung walten lassen.

Gottes Wort hören, mit dem Herzen beten, leben, wie er uns gelehrt
hat. Das eine ist nicht wichtiger als das andere. Das gehört alles
dazu. Verstand und Sinn und Herz und Wille und Tun: Wir sind ganze Menschen,
und es bedarf ganzer Menschen, um die Botschaft von der Auferstehung
anzunehmen und zu realisieren: Daß wir das Zeugnis derer weitertragen
dürfen, die in das Unsichtbare hinein gesehen haben und die Herrlichkeit
selbst geschaut haben. Daß wir das in Wort und Gebet in unserem
Leben tragen dürfen! Das ist eine große Freude.

„Da hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich mit Freude
gegürtet, daß ich dir lobsinge und nicht stille werde. Herr,
mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.“ Amen.

Pfarrer Jan Ulrik Dyrkjøb
Knud Hjortsøvej
DK-3500 Værløse
Tel.: ++ 45 – 44 48 06 04
e-mail: jukd@vaerloesesogn.dk

 

 

da_DKDansk