Deuteronomium 4,5-20

Deuteronomium 4,5-20

Erzählt euren Kindern und Enkeln | Israelsonntag |10. Sonntag nach Trinitatis | 13.08.23 | 5. Mose 4,5–20 | Paul Wellauer |

| Psalmgebet im Wechsel| Psalm 78,1-14 | Die Bibel nach Martin Luther, 2017*
| Schuld, Gericht und Gnade in Israels Geschichte | [
1 Eine Unterweisung Asafs.]

I Höre, mein Volk, meine Unterweisung, neiget eure Ohren zu der Rede meines Mundes!
II 2 Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und Geschichten verkünden aus alter Zeit.
I 3 Was wir gehört haben und wissen und unsre Väter uns erzählt haben,
II 4 das wollen wir nicht verschweigen ihren Kindern; wir verkündigen dem kommenden Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat.
I 5 Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob und gab ein Gesetz in Israel und gebot unsern Vätern, es ihre Kinder zu lehren,
II 6 auf dass es die Nachkommen lernten, die Kinder, die noch geboren würden; die sollten aufstehen und es auch ihren Kindern verkündigen,
I 7 dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung und nicht vergässen die Taten Gottes, sondern seine Gebote hielten
II 8 und nicht würden wie ihre Väter, ein abtrünniges und ungehorsames Geschlecht, dessen Herz nicht fest war und dessen Geist sich nicht treu an Gott hielt,

I 9 wie die Söhne Ephraim, wohl gerüstete Bogenschützen, abfielen zur Zeit des Streits;

II 10 sie hielten den Bund Gottes nicht und wollten nicht in seinem Gesetz wandeln
I 11 und vergassen seine Taten und seine Wunder, die er sie hatte sehen lassen.
II 12 Vor ihren Vätern tat er Wunder in Ägyptenland, im Gefilde von Zoan.

I 13 Er zerteilte das Meer und führte sie hindurch und liess das Wasser stehen wie eine Mauer.

II 14 Er leitete sie bei Tage mit einer Wolke und die ganze Nacht mit einem hellen Feuer.

I+II AMEN

| Lesung Neues Testament | Markus 12,28-34 | Die Zürcher Bibel, 2007**
| Zur Frage nach dem höchsten Gebot
|

28 Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat zu ihm. Und da er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? 29 Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft. 31 Das zweite ist dieses: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Höher als diese beiden steht kein anderes Gebot. 32 Und der Schriftgelehrte sagte zu ihm: Schön hast du das gesagt, Meister, und du hast Recht! Einer ist er, und einen anderen ausser ihm gibt es nicht 33 und ihn lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verstand und mit aller Kraft und den Nächsten lieben wie sich selbst – das ist weit mehr als alle Brandopfer und Rauchopfer. 34 Und Jesus sah, dass er verständig geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, ihm eine Frage zu stellen.

| Lesung Predigttext Altes Testament  5. Mose 4,5–20 | Die Zürcher Bibel, 2007** |

| Ermahnung zum Gehorsam |

5 Seht, ich habe euch Satzungen und Rechte gelehrt, wie es mir der HERR, mein Gott, geboten hat, damit ihr danach handelt in dem Land, in das ihr zieht, um es in Besitz zu nehmen. 6 So haltet sie und handelt danach! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und eure Einsicht. Wenn sie all diese Satzungen hören, werden sie sagen: Was für ein weises und einsichtiges Volk ist diese grosse Nation! 7 Denn welche grosse Nation hätte Götter, die ihr so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, so oft wir zu ihm rufen? 8 Und welche grosse Nation hätte Satzungen und Rechte, so gerecht wie diese ganze Weisung, die ich euch heute gebe? 9 Nur hüte dich und achte gut auf dich selbst, damit du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und damit sie dir nicht aus dem Sinn kommen dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und deinen Kindeskindern davon erzählen. 10 Als du am Choreb vor dem HERRN, deinem Gott, standst, da sprach der HERR zu mir: Versammle mir das Volk, dass ich sie meine Worte hören lasse, damit sie lernen, mich zu fürchten alle Tage, die sie auf der Erde leben, und damit sie es auch ihre Kinder lehren. 11 Da kamt ihr und standet unten am Berg. Der Berg aber brannte lichterloh bis in den Himmel hinein bei Finsternis, Wolken und Dunkel. 12 Und der HERR sprach zu euch aus dem Feuer. Den Schall der Worte habt ihr gehört, nur einen Schall, doch eine Gestalt habt ihr nicht gesehen. 13 Und er verkündete euch seinen Bund, den er euch zu halten gebot, die zehn Worte, und er schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln. 14 Mir aber gebot der HERR damals, euch Satzungen und Rechte zu lehren, damit ihr danach handelt in dem Land, in das ihr zieht, um es in Besitz zu nehmen. 15 So hütet euch um eures Lebens willen, ihr habt ja keine Gestalt gesehen, als der HERR am Choreb aus dem Feuer zu euch sprach: 16 Frevelt nicht und macht euch kein Gottesbild, das etwas darstellt, kein Standbild, kein Abbild eines Mannes oder einer Frau, 17 kein Abbild eines Tiers auf der Erde, kein Abbild eines Vogels, der am Himmel fliegt, 18 kein Abbild eines Kriechtiers auf dem Erdboden, kein Abbild eines Fischs im Wasser unter der Erde. 19 Und blicke nicht auf zum Himmel, und schau nicht auf Sonne, Mond und Sterne, das ganze Heer des Himmels, und lass dich nicht verführen, sie anzubeten und ihnen zu dienen. Der HERR, dein Gott, hat sie allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt. 20 Euch aber hat der HERR genommen und herausgeführt aus dem Schmelzofen, aus Ägypten, damit ihr sein eigenes Volk sein solltet, wie es heute der Fall ist.

Selig ist jeder Mensch, der Gottes Wort hört, in seinem Herzen bewahrt und danach handelt. Amen

Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern durch die Liebe und Gnade Gottes

In den Herbstferien führen wir als Kirchgemeinde eine Reise nach Israel durch. Wenn das Gespräch darauf kommt, sind die Reaktionen sehr vielfältig und oft kontrovers. Insbesondere die momentane politische Situation bietet viel Zündstoff. Ohne die aktuellen und ständigen politischen Herausforderungen in Abrede zu stellen, lenke ich das Gespräch gerne auf die grösseren historischen und theologischen Zusammenhänge. «Was ist wohl das Geheimnis des jüdischen Glaubens und des Volkes Israel, dass sie bis heute bestehen?», lautet eine meiner Fragen, um den Fokus zu verschieben. Die Antworten sind vielfältig und können politische, theologische und soziologische Aussagen beinhalten, zum Beispiel: «Die Unterstützung der Siegermächte nach dem 2. Weltkrieg hat dies ermöglicht.» Oder: «Nur weil Gott die Hand über sein auserwähltes Volk hält, hat es durch Jahrtausende alle Verfolgungen überstehen können.» Und: «Die Juden haben einen sehr starken familiären Zusammenhalt: Sie geben ihren Glauben sehr verbindlich an die nächsten Generationen weiter.» Jede dieser Antworten hat ihren Wahrheitsgehalt und es gäbe eine Unzahl von weiteren richtigen Antworten. Ich möchte v.a. die dritte Antwort vertiefen: Wie wichtig es für das Weiterbestehen des Glaubens und einer Glaubensgemeinschaft ist, dass und wie der Glaube in der Familie gelebt und weitergegeben wird.
1) «Und du sollst deinen Kindern und deinen Kindeskindern davon erzählen.» (Vers 9b)

Der Aufruf, der nächsten und übernächsten Generation von Gott und seiner Geschichte mit seinem Volk zu erzählen, findet sich an vielen Stellen im Alten Testament. Im Psalm, den wir gemeinsam gebetet haben, lautet die Aufforderung: «Was wir gehört haben und wissen und unsre Väter uns erzählt haben, das wollen wir nicht verschweigen ihren Kindern; wir verkündigen dem kommenden Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat.» (Psalm 73,3-4) Das Wissen und die Erfahrungen «der Väter» soll an die Kinder weitervermittelt werden. Auch wenn in der jüdischen Kultur die Religionszugehörigkeit durch die Mutter weitervererbt wird, ist von grosser Bedeutung, dass die Väter in der Glaubensvermittlung eine wichtige Rolle einnehmen. Auch in liberalen jüdischen Familien ist es üblich, dass ein Vater seinen Kindern am Freitagabend zu Beginn des Sabbats den Sabbatsegen zuspricht. Das Studium der Thora ist eine ehrenvolle Aufgabe der Männer und auch der erklärende Dialog zu Beginn der Passahfeierlichkeiten findet zwischen Vater und Sohn statt. Im Alltag wird es auch in jüdischen Familien so sein, dass die spontanen Fragen zu Glaubensthemen mehrheitlich von den Müttern beantwortet werden, doch die jüdischen Männer sehen sich letztlich für die Glaubensvermittlung an die nächste Generation in der Verantwortung. Dies ist wohl ein Teil der Antwort auf das Geheimnis, weshalb der jüdischenGlaube die Jahrhunderte und Jahrtausende überdauert hat: Die Männer nehmen ihre Verantwortung für das Glaubensleben der Familie wahr. Und im Christentum? Nach meiner Wahrnehmung krankt der christliche Glaube daran, dass die Männer in vielen Familien zu Glaubensfragen schweigen und diese an die Frauen delegieren. Ich bin sehr dankbar, dass an den Konfirmandenelternabenden zunehmend auch die Väter teilnehmen. Allerdings bin ich unsicher, ob dies am gestiegenen Verantwortungsbewusstsein liegt oder dass es dort ein Glas Wein zur Pizza gibt? Es wäre eine eigene Predigt, der Frage nachzugehen, weshalb christliche Theologie immer noch mehrheitlich männlich geprägt ist, der Glaube in den Familien aber von Frauen vermittelt wird und die Männer im Alltagsleben einer Familie und Kirchgemeinde kaum das Wort dazu ergreifen – ausser sie sind Pfarrer oder Diakone.

Ganz anders in der jüdischen Tradition: «Höre, Israel: Der HERR, unser Gott, ist der einzige HERR. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen bleiben, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du dich erhebst.» (5. Mose 6,4-7)

Das jüdische Glaubensbekenntnis, das Sch’ma Jisrael, wird in vielen Familien täglich von den Vätern rezitiert: Es gehört zum gängigen Morgen- und Abendgebet. Und zur Erinnerung wird der Text in einem kleinen Kästchen am Türpfosten der Eingangstüre aufbewahrt, in der sogenannten Mesusa. Wer aus dem Haus geht oder heimkommt, wird so immer an die Grundlagen des Glaubens erinnert. Es gehört zum Selbstverständnis, zur Ehre der Väter, dies vorzuleben und weiterzugeben.
Wie könnte eine entsprechende christliche Tradition aussehen? Viele der biblischen Berichte sind ja «Männergeschichten» mit kämpferischen Elementen: Ist es da nicht naheliegend, dass diese auch von den Vätern erzählt werden? In gängigen Kinderbibeln werden wohl vor allem die «schöneren» und «einfacheren» biblischen Erzählungen wiedergegeben, aber der Auszug aus Ägypten, der Kampf zwischen David und Goliath, Daniel in der Löwengrube und viele andere Berichte dürfen nicht fehlen. Und auch der barmherzige Samariter, der verlorene Sohn und Leiden, Tod und Auferstehung von Jesus Christus sind Erzählungen, die ebenso gut von Vätern wie von Müttern erzählt werden können. Mein erster Aufruf heute geht deshalb an uns Männer, Väter, Grossväter, mündige Christen: Nehmen wir unsere Verantwortung wahr und geben wir weiter, was uns gut und heilig ist!

Dabei bleibt aber Mose nicht stehen: Neben der Weitergabe der Glaubensinhalte ist es auch entscheidend, die Werte und Weisungen daraus zu beherzigen und im Leben sichtbar umzusetzen:

2) «So haltet sie und handelt danach! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und eure Einsicht. Wenn sie all diese Satzungen hören, werden sie sagen: Was für ein weises und einsichtiges Volk ist diese grosse Nation!» (Vers 6)
Spätestens hier wird deutlich: Es reicht nicht, die biblischen Geschichten einfach zu erzählen. Es ist ebenso entscheidend, die darin enthaltenen Weisungen und Werte auch zu leben, sichtbar und spürbar in den täglichen Umgang einfliessen zu lassen. Wie in der Kindererziehung: Kinder hören nicht auf das, was wir sagen, wenn sie nicht sehen, dass wir auch entsprechend handeln. Sie sehen, was wir tun.
«So haltet sie und handelt danach!», lautet der klare Befehl von Moses. Die Verheissungen, die er anfügt, sind ebenso motivierend wie herausfordernd. Nicht nur im eigenen Volk wird sich das Einhalten von Gottes Geboten und Weisungen bewähren, auch gegen aussen wird dies eine Ausstrahlung haben: «Was für ein weises und einsichtiges Volk ist diese grosse Nation!»
Die Schweiz war eine lange Zeit für ihre vorbildliche Rolle in diplomatischer und humanitärer Hilfe bekannt. Viele Hilfswerke hatten und haben christliche Grundlagen und sehen ihren Antrieb in der christlichen Nächstenliebe. Auf diesem guten Fundament können wir auch heute noch aufbauen. Leider sind viele dieser humanitären Errungenschaften heute allzu selbstverständlich und werden vor allem als Kostenstellen im Budget gesehen. Es ist und bleibt unsere Aufgabe, die Werte und Ziele dieser Hilfswerke in Erinnerung zu rufen und unsere persönliche Verantwortung nicht einfach zu delegieren. Als Jesus aufgefordert wird, das höchste oder erste Gebot zu nennen, antwortet er mit dem Doppelgebot der Liebe: «Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft. Das zweite ist dieses: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Höher als diese beiden steht kein anderes Gebot.» (Markus 12,29-31)

Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37) macht Jesus sehr anschaulich deutlich: «Ich kann und soll meinem Mitmenschen eine Nächste, ein Nächster sein, mit meinem Mitgefühl und meiner tätigen Liebe.»

Ich erinnere mich gut an einen Dialog mit einem engagierten Muslim anlässlich eines Podiumsgesprächs über die Chancen und Grenzen der Religionen. Er warf dem Christentum Sittenlosigkeit und Geldgier vor. «Wo sind eure guten christlichen Werte geblieben, mit denen ihr uns missioniert habt? Ein solches Christentum, wie es in der Schweiz gelebt wird, möchte ich für keinen Preis der Welt annehmen!» Ich konnte ihm nur sehr bedingt widersprechen: «Was Jesus gemeint hat und wie wir es umsetzen, ist leider weit voneinander entfernt.» Allerdings sprach ich ihn auch darauf an, dass einige der «Sitten», die er als wesentlich für den Islam anschaut, im Christentum als überholt und menschenfeindlich angesehen werden, u.a. in Bezug auf die Rolle der Frau. Was mir aber als grosse Anfrage an uns Christinnen und Christen aus dem Gespräch in Erinnerung bleibt: «Practise what You preach!» – «Lebe und handle so, wie du predigst!»

3) «Euch aber hat der HERR genommen und herausgeführt aus dem Schmelzofen, aus Ägypten, damit ihr sein eigenes Volk sein solltet, wie es heute der Fall ist.» (Vers 20)

Als Gottes Volk, als seine Kinder sollen wir uns so verhalten, wie es seinem Vorbild und Plan für uns entspricht. Kinder lernen vor allem aus Wiederholungen und dem Nachahmen, was sie bei anderen sehen, allen voran von den Eltern. Es reicht nicht, Alltagsregeln einmal zu sagen und dann sind sie den Kindern ein für allemal klar. «Die Schuhe gehören ins Schuhgestell, die Jacke an den Haken und die Schultasche ins Zimmer!» Einmal gesagt, für immer befolgt? Wohl kaum. Aus der Erfahrung mit sechs Kindern weiss ich: Solche Sätze haben wir wohl hunderte Male wiederholt, immer und immer wieder. Und irgendwann stört es die Kinder dann selbst, wenn die Sachen der Geschwister unordentlich rumliegen. Aber auch hier gilt: Das Vorbild der Eltern zählt zehnfach!
Genauso dürfen, sollen, müssen biblische Geschichten immer und immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Mir erschliessen sich regelmässig neue Einsichten, auch wenn ich eine Erzählung schon Dutzende Male gelesen oder darüber gepredigt habe. Und es tut gut, an Weihnachten und bei anderen kirchlichen Festtagen in die bekannten Texte und Lieder einzutauchen, die uns so viel Urvertrauen, Sicherheit und Ewigkeitsperspektive schenken.

Ein paar Gedanken zum Schluss, mehr stichwortartig als ausgeführt, zum Weiterdenken und -handeln:

  • Jesus hat die Kinder zu sich gerufen, auch wenn dies den Jüngern zuwider war (vgl. Bild 3). Kinder saugen biblische Geschichten mit kindlichem Glauben in sich auf. Unsere «erwachsenen» Spitzfindigkeiten und Fragen können sie später bedenken, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Nach meiner Erfahrung können sie auch mit den «schwierigen» biblischen Geschichten gut umgehen, wenn wir für ihre Fragen dazu ein offenes Ohr und Herz haben. Erzählen wir daher mutig und fröhlich biblische Inhalte, auch jene, die uns «gegen den Strich gehen»!
  • «Gott hat keine Enkel, nur Kinder: Gotteskinder!» Dieser verheissungsvolle Satz hat einen Haken: Es reicht nicht, dass wir als Eltern und Grosseltern den Glauben vorleben und unsere «Gotteskindschaft» geniessen. Unsere Kinder und Enkel sollen entdecken, dass sie selbst einen direkten Draht und eine persönliche Beziehung zu Gott aufbauen können. Mit Kindern vor dem Einschlafen zu beten ist grossartig! Noch nachhaltiger ist allerdings, wenn wir sie motivieren, ihre eigenen Anliegen und Gedanken in Worte zu fassen und bei Gott offen auszusprechen.
  • Viele «erwachsene» Christinnen und Christen bleiben bei schwierigen kirchlichen Erfahrungen aus ihrer Kindheit stehen: Enttäuschungen, Verletzungen, schwierige Begegnungen mit «überfrommen», unglaubwürdigen Christenmenschen blockieren ihr geistliches Wachstum. Die negativen Erlebnisse werden als Begründung oder Ausrede benutz, um sich nicht tiefer mit dem Glauben zu befassen. In vielen Kasualgesprächen bei Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung begegnen mir solche Erzählungen. Wirklich erwachsen ist/wäre es, diese Erfahrungen mit Vergebung, Klärung und neuen verbindlichen Erfahrungen mit Christenmenschen zu überwinden. Gott schreibt auch deine Geschichte gerne neu, wie immer deine «Ägyptische Gefangenschaft» auch heissen und aussehen mag.

Daher meine dritte Herausforderung an dich, liebe Mitchristin, lieber Mitchrist: Vertraue Gott deine eigene Geschichte an, damit daraus eine neue Erzählung der Freiheit in Gemeinschaft mit IHM wachsen kann.

«Und du sollst deinen Kindern und deinen Kindeskindern davon erzählen.» (Vers 9b)

AMEN

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Liedvorschläge

ERG 182 Kind, du bist uns anvertraut

ERG 233 Nun danket alle Gott

ERG 346 Bewahre uns Gott

ERG 843 Vertraut den neuen Wegen

RW 1 Du bist der Herr, der mein Haupt erhebt / Rückenwind

RW 39 Lobe den Herrn, meine Seele

RW 47 Wo ich auch stehe

RW 52 Anker in der Zeit

RW 74 Kleines Senfkorn Hoffnung

RW 77 Lebensgrund ​

*) Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

**) Die Zürcher Bibel, Ausgabe 2007, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich

ERG = Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich 1998

RW = Rückenwind, Lieder für den Gottesdienst, Hrsg. Evang Landeskirche des Kantons Thurgau, Theologischer Verlag, Zürich 2017

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Bilder:

1) Israelreise 2017 / Beginn der Pessachfeierlichkeiten / Hava Nagila Lied und Tanz / Paul Wellauer-Weber

2) Israelreise 2017 / Knesset Jerusalem / Bild/Wandteppich von Marc Chagall / Paul Wellauer-Weber vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Chagall_Lounge

2) Jesus und die Kinder / Erika Tolnai / www.erikas-figuren.ch

Pfr. Paul Wellauer, Bischofszell, Schweiz

E-Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch

Web: www.internetkirche.ch | www.internetkirche.ch/livestream

Paul Wellauer, geb. 1967, Pfarrer und Mitglied im Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in der Stiftung Sozialwerke Pfr. Ernst Sieber, Zürich

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