Lukas 18,9-14

Lukas 18,9-14

11.Sonntag nach Trinitatis | 20.08.23 | Lk 18,9-14 (dänische Perikopenordnung) | Mikkel Wold |

Die Gnade Gottes

Im Predigttext dieses Sonntags geht es um die Gnade Gottes.

Die Gnade Gottes findet ihren Ausdruck in seiner Barmherzigkeit und seiner Vergebung, die geschieht, damit der Mensch erneuert werden kann – oder wie es im Text heißt, gerechtfertigt in sein Haus gehen kann.

   Gerecht in sein Haus gehen können oder gerechtfertigt sein, das ist eines der zentralen Worte im Christentum und nicht zuletzt in der Auffassung der lutherischen Kirche. Vor allem Luther hatte mit diesem Wort zu kämpfen, weil er es wie so viele andere in seiner Zeit als Ausdruck dafür verstand, dass er nur als gerecht erklärt werden könne, indem er vor Gott durch seine Werke als gerecht dastand. Seine Entdeckung war die, dass die Rechtfertigung nicht durch die Werke bewirkt wird. Die Rechtfertigung wird dadurch bewirkt, dass die Vergebung und Gnade und Barmherzigkeit Gottes uns gerade von dem Gericht befreit, mit dem wir ansonsten verurteilt werden. Und wenn man so davon befreit ist, Gott überreden zu müssen, indem man auf den eigenen Einsatz verweist, kommt es zu dem echten Christenleben, das also auch die Werke enthält, aber nun nicht als Bezahlung an Gott, sondern als Taten der Liebe im Glauben und Vertrauen zu Gott.

   Diese Entdeckung bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch sich nur passiv ausruhen soll, denn die Gnade ist kein Ruhekissen, auf dem man sich ausruhen und die Gebote Gottes ignorieren darf. Die Gnade ist eine Rettung für den der sieht, dass man ohne Gnade sich selbst überlassen ist. Die Gnade ist die Möglichkeit, die eine Beziehung zu Gott herstellt.

    Das zeigt sich nicht zuletzt im Bericht des Evangeliums. Zwei Personen veranschaulichen jeweils ihre Art und Weise, zu Gott zu kommen. Der, der auf seine eigene Gerechtigkeit vertraut, und der, der auf Gott vertraut. Denn Jesus erzählt ja gerade diese Geschichte einigen Leuten, die, wie es da heißt, darauf vertrauten, dass sie selbst gerecht waren, und die alle die anderen verachteten.

  Oberflächlich gesehen hat der Pharisäer Recht. Er hält alle die Vorschriften ein, die man als guter Jude einhalten sollte, ja er ist sogar besonders eifrig und fastet zwei Mal in der Woche, was mehr war als notwendig. Nach außen sieht alles so aus, als sei alles in Ordnung. Und er ist ja auch nicht so naiv, dass er Gott nicht dafür dankt, dass er so ein wunderbarer Mensch ist. Er dankt Gott für das, was ihm zuteilwurde, dass er ganz frei ist von all dem, was er den anderen vorwirft.

Aber trotz seiner respektablen Lebensweise hat sich der Pharisäer total geirrt, was das Reich Gottes betrifft. Er vertraut in erster Linie sich selbst und seinen Werken, seiner Einhaltung der Gebote. Dort liegt für ihn die Sicherheit, denn er ist sich durchaus darüber im Klaren, dass es gut aussieht mit seiner Rechenschaft in Bezug auf Gott. Der Pharisäer hat Gott in einen Kaufmann oder einen Richter verwandelt, der danach fragt, ob er äußerlich in dieser und jener Weise gehandelt hat.

Der Pharisäer vertraut nicht auf die Gnade Gottes, sondern auf die Bilanz, die gerne, was ihn betrifft, gute Zahlen aufweisen soll. Aber gerade indem er glaubt, die Gebote Gottes einzuhalten, übertritt er sie. Er erhöht sich selbst sowohl vor Gott als auch seinen Mitmenschen, und zugleich verachtet er seine Mitmenschen.

Der Zöllner aber ging gerechtfertigt nach Hause, steht da. Aber was war es dann, was den Zöllner gerecht machte? Das war keineswegs etwas an ihm selbst. Was den Unterschied ausmacht, war dies, dass der Zöllner seine totale Abhängigkeit von der Gnade Gottes gesehen hatte, das hatte der Pharisäer nicht. Der Zöllner konnte sehen, dass für ihn selbst, sich selbst überlassen, keine Hoffnung war. Deshalb bat er Gott um Hilfe. So einfach kann man das sagen, ohne die Dinge zu vereinfachen. Denn es handelte sich ja nicht nur um eine bloße Selbsterkenntnis, die den traurigen Zustand des Zöllners festhielt, seine Sünde, sein sich selbst Wollen. Er bat um die Gnade Gottes, weil er sich von ihr völlig abhängig fühlte.

Eben dies bedeutet eine tiefe Einsicht darin, dass wir völlig abhängig sind vom Eingreifen Gottes in unser Leben. Der Glaube gibt nicht viel Hoffnung für den Menschen, der sich selbst überlassen sein will und sich selbst von Gott ausschließt. Sich selbst Gott und der Möglichkeit der Liebe und der Vergebung gegenüber zu verschließen, ist christlich gesehen in Wahrheit Flucht vor der Wirklichkeit. Zur echten Selbsterkenntnis aber gehört deshalb die Befreiung, die in der Erkenntnis liegt, dass das die Gnade Gottes über uns immer neu ist und dass er uns stets neu schöpft. Wenn Paulus sagt, dass er das, was er ist, durch Gottes Gnade ist, so bedeutet das, dass er nicht meint, dass er aus eigener Kraft zu dem Punkt hätte kommen können, an den er gekommen ist, und der Einsicht, zu der er gelangt war. Die Gnade Gottes ist Ausdruck seiner Liebe. Das bedeutet, geliebt zu sein, zu wissen, wo man hingehört, eingehen können in ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Dort wird deutlich, werden keine Werke getan aus der Furcht, bei der abschließenden Bilanz rote Zahlen zu sehen, dass man am Ende als zu leicht befunden wird. Gott bewahre uns vor guten Werken, die nur dazu dienen, unserer eigenen Sache zu nutzen. Aber der lebendige Glaube tut von selbst all die Dinge, die wir als gute Werke bezeichnen können, die wir aber auch als Ausdruck von Liebe bezeichnen könnten. Der lebendige Glaube und die lebendige Liebe gehören zusammen, und wo keine Liebe ist, da ist auch kein Glaube.

„Gott sei mir Sünder gnädig“, sagte der Zöllner. Und Jesus fügte hinzu: „Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus“. Sein Bekenntnis brachte eben dies zum Ausdruck, dass er voll und ganz auf Gott angewiesen war, dass er seinen Trost bei Gott suchte.

Das ist die wahre Demut. Das ist im tiefsten Sinne des Wortes sich selbst aufgeben, wie es dort steht. Sich selbst aufgeben bedeutet nicht sich selbst auslöschen, sondern es bedeutet eins zu sein mit dem, was einen beschäftigt. Der Zöllner fühlte sich voll uns ganz angewiesen auf Gott, und er setzte seine ganze Hoffnung auf ihn. Und für den, der das tut, vollzieht sich eine Verwandlung. Amen.

Pastor Mikkel Wold

1263 København K

E-mail: mwo(at)km.dk

de_DEDeutsch