Apostelgeschichte 4, 12

Apostelgeschichte 4, 12

Wie viele andere habe ich von Kind auf Pfarrer und andere
immer wieder sagen hören: Jesus ist für unsere Sünden gestorben. Das
gilt sicher auch für viele von Euch. Wir haben es oft gehört.
Für viele muß das so etwas wie der Kernsatz des Christentums
gewesen sein: Jesus starb für unsere Sünden.

Ich habe es immer wieder gehört. Und ich habe oft – halb bewußt,
halb unbewußt – mich selbst gefragt: Wie ist das zu verstehen?
Und viele Jahre lang habe ich es nicht verstanden, nicht richtig jedenfalls.

Wenn der Sinn der war, daß Gott ein sehr großes Opfer forderte,
um den Menschen vergeben zu können, und daß Jesus dieses Opfer
war, dann kann da etwas nicht stimmen. Gott ist doch kein Gott, der blutige
Opfer fordert. So ist Gott nicht.

Nein, und das ist auch nicht die richtige Erklärung. Diese Erklärung übersieht
u.a., daß der Vater eins ist mit dem Sohn. Wenn der Sohn leidet,
leidet auch der Vater. Gott selbst offenbart sich am Kreuz Karfreitag,
im Schmerz und im Tod eines Menschen.

Das gehört jedenfalls dazu. Und es gibt auch andere Methoden,
den Tod und das Opfer am Kreuz zu erklären. An Erklärungen
fehlt es uns in der Theologie nicht, und vieles von dem, was gesagt und
geschrieben ist, ist auch klug und tiefsinnig und kann uns Einsicht in
unseren Glauben geben.

Aber man kann auch fragen, ob wir nicht lieber alle die theologischen
Erklärungen beiseite lassen sollen und einfach dem evangelischen
Bericht folgen sollen, um gleichsam erneut zu erfahren, was damals geschah.

Die Evangelisten bieten ja auch keine Erklärung. Sie erzählen
nur. Sie erzählen, daß ein Mensch gefangen genommen wurde,
daß er vor den Hohen Rat geführt wurde und dann vor den römischen
Statthalter Pontius Pilatus. Sie erzählen, daß er ausgepeitscht
und zum Tode verurteilt wurde, daß er zur Stätte der Hinrichtung
geführt wurde, und daß er dort an einem Kreuz starb.

Ganz ohne Erklärung sind die Berichte der Evangelisten nicht.
An mehreren Stellen schieben sie Hinweise auf die Schriften des alten
Bundes ein. Und das ist ja auch eine Form der Erklärung.

Auch der Evangelist Johannes hat solche Hinweise. Wir sollen verstehen,
daß das, was auf Golgatha geschah, die Erfüllung von Worten
ist, die einmal gesagt wurden. Der Sinn ist gerade, daß es so geschehen
muß, wie es tatsächlich geschieht.

Und schließlich hören wir, daß die Soldaten die Gebeine
Jesu nicht zerbrechen, weil er bereits tot ist, und der Evangelist zitiert
aus dem zweiten Buch Mose: „Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.“

In dem ursprünglichen Zusammenhang ist die Aussage ein Teil der
Anordnung über das Osterlamm und die Ostermahlzeit. Das ist die
Mahlzeit, die alle israelitischen Familien essen sollen unmittelbar bevor
Gott der Herr die Israeliten aus Ägypten führt. Vom Osterlamm
wird ihnen gesagt, daß sie ihm keine Knochen brechen sollen.

Der Evangelist hat außer diesem Schriftwort ein anderes Wort
aus den Propheten: „Sie werden sehen auf den, in welchen sie gestochen
haben“.

Was sagen diese Worte? Sie sagen ja schlicht und einfach, daß der
Tod dieses Menschen Befreiung und Heil bringt.

So wie das Osterlamm und die Ostermahlzeit zum Zeichen für die
bevorstehende Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten wurde, so
wird der Tod Jesu zu einer neuen und umfassenden Befreiung. Ja sein Tod
bewirkt diese Befreiung.

Auf ihn sollen wir sehen. Von ihm sollen wir das Heil erwarten, von
ihm, den wir Menschen durchbohrt und getötet haben.

In der Apostelgeschichte haben wir eine Wiedergabe der Verkündigung
der ältesten Christen. Schon am ersten Pfingsttag predigt Petrus
zu den versammelten Juden.

Er erzählt einfach, was geschehen ist und was er und die anderen
Apostel erfahren haben. Jesus hat Zeichen und Wunder vollbracht. Er wurde
ans Kreuz geschlagen und umgebracht. „Den hat Gott auferweckt und
aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war,
daß er sollte von ihm gehalten werden.“

Petrus und die anderen Apostel bezeugen das. Petrus stellt den Juden
gegenüber fest, daß Gott diesen Christus, den ihr gekreuzigt
habt, zum Herrn und Christus gemacht hat“, und er fordert sie auf,
sich taufen zu lassen im Namen Jesu zur Vergebung der Sünden.

Aber er erklärt an sich nichts! Jesus hat gelitten und ist gestorben.
Er ist auferstanden. Er ist Herr und Christus. Und durch die Taufe in
seinem Namen können die Menschen die Vergebung der Sünde empfangen.
In diesem Menschen, in seinem Tod und seiner Auferstehung ist Heil.

Petrus sagt dies später ganz deutlich: „In keinem anderen
ist das Heil, ist auch kein Name unter dem Himmel den Menschen gegeben,
darin wir sollen selig werden“.

So ist es. Keine Erklärungen! Die Apostel legen Zeugnis ab von
etwas, dessen sie gewiß sind, daß es geschehen ist. Aber
sie haben nicht etwas, was wir Theologie nennen können und keine
Lehrsätze.

Die Sache ist vielleicht die, daß es letztlich unmöglich
ist, zu erklären, warum der Tod dieses Menschen ein versöhnender
und heilbringender Tod ist. Das kann man nicht erklären, das soll
auch nicht erklärt werden.

Christus stirbt einen menschlichen Tod. Er geht zugrunde im größten
Schmerz. Er erfährt die tiefste Ohnmacht. Ja, er erlebt die tiefe
Einsamkeit und Gottverlassenheit des Menschen. Er wird gepeinigt und
stirbt am Kreuz.

Und von diesem Tod, von diesem toten Menschen kommt das Heil. Von diesem
toten Menschen geht unvergängliches Leben aus. Durch ihn wird alles
wieder neu. Gott hat Frieden geschlossen durch das Blut an seinem Kreuz.
Das ist eine ganz neue Wirklichkeit.

Das ist wie der erste Morgen der Schöpfung, wo der Geist Gottes über
der Urtiefe schwebte und Gott durch sein Wort Licht schuf. Wie, das ist
das Geheimnis Gottes.

Die Erzählung ist die Botschaft. Und mehr ist im Grunde nicht
zu sagen. Wenn alles wirklich wieder neu werden soll, wenn wir wirklich
von Dämonie und Bosheit und von unseren eigenen Süden und von
dem Tod befreit werden sollen, der über uns wie ein Verbannung schwebt,
dann kann dies nur durch den tiefen Schmerz eines unschuldigen und reinen
Menschen geschehen. Dann muß gerade er in die tiefste Tiefe stürzen
und wieder auferweckt werden und zur Rechten des Vaters sitzen.

Aber wir meinen vielleicht nicht, daß wir Erlösung brauchen?
Hier ist vielleicht der Grund, warum wir nichts verstehen.

Wir können nicht das Reden von Sünde und Dämonie und
Verdammnis verstehen, und wir können uns nicht darauf besinnen,
daß wir der Erlösung bedürfen, ja daß wirt nicht
leben können ohne die gnädige Vergebung unserer Süden.

Merkwürdig, denn ist die Welt nicht voll von Sünde und Dämonie,
und kann man sich nicht in Wirklichkeit leicht vorstellen, daß alles
zugrunde gehen muß und dem Untergang und der Verdammnis entgegengeht?
Wie können wir uns vorstellen, daß irgendetwas oder irgend
jemand vor dem Gericht Gottes bestehen kann? Wohl kaum!

Und wir können wohl auch gut sehen, daß die Erlösung,
deren wir so sehr bedürfen, keine einfache Sache ist. Wie soll diese
elende und sündige Welt erlöst werden, ohne daß es weh
tut? Wie sollte Gott die Finsternis, das Böse und die Zerstörung überwinden,
wie soll selbst der Tod überwunden werden ohne Kampf und Konfrontation
und Schmerz?

Nein, eben nicht! „Er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre
Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott
geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unserer Missetat willen
verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt
auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden
sind wir geheilt.“

Gott will nichts anderes als Gemeinschaft mit uns. Er weigert sich,
uns aufzugeben. Er will bei uns bleiben trotz Aufruhr und Abfall und
Sünde und Tod. Und das kann er nur in Ohnmacht tun. Er kann sich
nur dazu leiden. Er kann nur den Schmerz und die Gottverlassenheit und
den Tod tragen. Er kann nur in das hineingehen, was ihm am meisten fremd
ist – eben um es zu überwinden und alle an sich zu ziehen.

Und das hat er durch einen einzigen Menschen getan, durch ihn, der
ans Kreuz genagelt wurde und Begraben in Finsternis und Kälte, und
der danach zum höchsten Leben auferweckt und in den Himmel aufgenommen
wurde. Das ist das Heil! Und es gibt kein Heil in einem anderen. Es ist
den Menschen kein anderer Name gegeben unter dem Himmel, durch den wir
erlöst werden können. Amen.

 

Jan Ulrik Dyrkjøb
Knud Hjortsøvej
DK-3500 Værløse
Tel.: ++ 45 – 44 48 06 04
E-Mail: jukd@vaerloesesogn.dk

 

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