Johannes 13,23-27

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Johannes 13,23-27

Predigt zu Johannes 13,23-27, verfasst von Dekan Wolfgang Butz – Prodekanat Nürnberg Süd


„Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein
Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen
und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält
meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort,
sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet,
solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige
Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles
lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden
lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie
die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“

Liebe Gemeinde!

Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht! Das ist ja mal
eine merkwürdige Einleitung für eine Pfingstpredigt. Warum,
um Gottes Willen, sollen wir uns denn fürchten? Pfingsten, das ist
doch Heiliger Geist, frischer Wind, Brausen, feurige Zungen, Zungenreden
– das kennen wir doch, Apostelgeschichte, Kapitel 2, die Pfingstpredigt
des Petrus: Auf einmal wird alles klar und alle verstehen Petrus und
verstehen einander. Schalom, umfassender Friede und Freude und Singen
und Tanz, das ist doch Pfingsten, wovor sollten wir da erschrecken oder
Angst haben?

Nun, vielleicht ist da doch eine Angst? Nicht auf den ersten Anlauf
greifbar? Ganz tief drinnen. Die Angst davor, draußen zu bleiben.
Außen vor. Vielleicht kennen Sie die Pfingstgeschichte nach Lukas
ja seit Ihrer Kindheit. Aber was sie mit Ihnen und Ihrem Leben zu tun
haben soll, das ist Ihnen bis heute nie klar geworden. Vielleicht haben
Sie auch schon ganz viele Pfingstpredigten gehört über den
Zustand der Kirche und teilweise mit eingestimmt und teilweise das Gefühl
gehabt, dass das ja alles vielleicht ganz richtig ist, aber ist das schon
Pfingsten? Oder ist das Pfingsten, wie es eigentlich war oder ist Pfingsten
nicht noch etwas ganz anders, was Ihnen irgendwie eben auch Angst macht?
Vielleicht spüren Sie deshalb so etwas wie Furcht? Weil Pfingsten,
so wie Sie es lesen oder empfinden, noch etwas ganz anderes ist oder
besser sein müsste. Aber was? Und wird es, wenn es wirklich kommt,
vielleicht so ganz anders kommen, wie wir es erwarten, so dass uns Hören
und Sehen vergeht und wir und ich vielleicht mit? Kennen Sie das Gefühl,
dass Sie etwas kennen und doch eigentlich nicht kennen? Dass da etwas
Fremdes ist und bleibt bei aller Vertrautheit und Sie Angst haben, ganz
tief drinnen, dass einmal alles ganz plötzlich ganz anders sein
könnte, weil das Fremde die Oberhand gewinnt und auf einmal nichts
mehr ist, wie es war.

Das Wort für die heutige Predigt ist so ganz anders als die Pfingstgeschichte
aus der Apostelgeschichte. Es ist ein ruhiges, beschwichtigendes Wort.
Leise Töne statt Brausen und Zungenreden. Ein Wort zum Abschied.
Ein Vermächtnis. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich
nicht. Dieses Wort heute will uns Mut machen, Zutrauen geben. Du wirst
nicht irgendwann eine unangenehme Überraschung erleben und wie ein
Dummkopf dastehen. Du wirst nicht irgendwann draußen stehen vor
der Tür mit leeren Händen. Du wirst überhaupt niemals
außen vor sein und bist es auch jetzt nicht.

Hab Vertrauen. Du bist es wert, dass der Heilige Geist Wohnung in dir
nimmt. Ja, Gott und Jesus Christus wohnen in dir, wenn du nur willst.
Es braucht nichts anderes als dass du Gottes Wort ernst nimmst und versuchst,
damit zu leben. Nichts anders will Gott. Nimm die Worte Jesu, nimm seine
Art zu leben und auch seinen Leidensweg ernst und richte dein Leben daran
aus. Dann werden Gott und Jesus Christus in dir Wohnung nehmen und ihr
Geist, der Tröster, werden dir Gewissheit schenken und einen ganz
tiefen Frieden. Dann wirst du in der Welt zu Hause sein, ja, dann wirst
du überall zu Hause sein. Denn wer in sich selbst zu Hause ist,
ist überall zu Hause und braucht sich vor nichts und niemandem mehr
zu fürchten.

Davon spricht Jesus zu seinen Jüngern in diesem Abschnitt der Abschiedsreden
im Johannes-Evangelium. Und wenn wir das so hören und in uns hineinlassen,
setzen lassen, wirken lassen, merken wir, wie dieser Friede Christi sich
wirklich in uns auszubreiten beginnt. Und wenn wir dann noch einmal einen
Blick auf die Pfingstgeschichte der Apostelgeschichte werfen, merken
wir, dass wir irgendwie viel offener die Anfragen, die sie an uns stellt,
wahrnehmen und in den Blick nehmen können.

Wäre es nicht wirklich wichtig, dass ein ganz neuer Geist bei uns
Einzug hält. Bei uns, das heißt, in uns selbst, in unserem
Leben, aber auch in unserer Kirche, in unserer Gemeinde und in der gesamten
Landeskirche. Ja, und wenn wir diesen Kreis noch weiter ausziehen, dann
betrifft das unsere ganze Gesellschaft und unsere Weltordnung und es
fällt uns auf einmal auf, wie viel da schief läuft und wie
uns das bedrückt und belastet.

So gehen mir ganz viele Gedanken im Kopf herum, z.B. im Hinblick auf
die Agenda 2010. Vieles in unserem Land wird sich ändern müssen.
Keine Frage. Aber ich habe viele Fragen an den jetzt eingeschlagenen
Weg. Ich befürchte, dass durch die geplanten Reformen die gesellschaftliche
Spaltung in Arm und Reich noch wird. Wir leben über unsere Verhältnisse,
wird uns erzählt. Nur wer ist das? Sie und ich scheinen dafür
verantwortlich zu sein. Aber die große Zahl der unternehmerischen
Misserfolge haben nicht Sie und ich und auch nicht die Gewerkschaften
zu verantworten, sondern es waren weithin schwere Fehler des Managements,
die oft mit millionenschweren Abfindungen vergoldet wurden. Erinnern
Sie sich: die globale Wirtschaft, Senkung der Steuern (21,6 % beträgt
die Steuerlast in der BRD, eine der niedrigsten) die Forderung, den Markt
dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, wurde uns und wird
uns als die Lösung all unserer Probleme versprochen – mehr Arbeitsplätze
und Wohlstand für alle. Merken Sie in unserer Stadt etwas davon?
Dadurch, dass es heute von denn Politikern aller Parteien nachgebetet
wird, wird es nicht wahrer. Wenige sind in den letzten 12 Jahren dadurch
reicher geworden, die meisten sind ärmer geworden und Arbeitsplätze
wurden dadurch keine geschaffen. Wie auch!

Friedhelm Hengsbach, Jesuit und Volkswirtschaftler an der kath. Hochschule
in Frankfurt am Main, hat die derzeitige Diskussion treffend charakterisiert: „Soziale
Demontage in der gegenwärtigen Situation ist eine Kriegserklärung
der Machteliten an die Schwachen und Benachteiligten der Gesellschaft.“ Das
ist sehr krass gesagt, aber die Habenden beteiligen sich nicht an den
notwendigen Veränderungen. Die notwendigen Veränderungen, Verzicht
und Opfer werden einseitig auf die Schwachen abgewälzt. Das kann
es doch wirklich nicht sein! Aber ich will nicht nur politisieren. Bleiben
wir ruhig im Raum unserer Kirche. Auch da wird umgebaut, auch da werden
Opfer gefordert. Und schaffen wir es als Kirche, hier wirklich solidarisch
zu sein?

Gottes Geist will verkrustete Strukturen aufbrechen und neues Leben
ermöglichen. Ja, Gottes Geist befreit zum Leben, und haben wir das
nicht bitter nötig. Auch Sie und ich, wir ganz persönlich –
in unsrer Familie, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft.
Und in in uns selbst, ganz tief drin, wie sieht es da aus? Haben Sie
Mut! Es wird Pfingsten und wir feiern, dass sein Geist uns ansteckt,
diese Welt und uns selbst zu verändern. Joachim von Fiore, ein Mystiker
des Mittelalters, hat es so meditiert:

Vonnöten ist, dass wandle
Unser Denken der Heilige Geist.
Damit wir nicht jetzt sind,
Was wir waren,
Sondern beginnen, andere zu sein.
Vonnöten ist es, zu verändern
Das Leben, da notwendig zu ändern
Der Zustand der Welt.

Amen.


Dekan Wolfgang Butz – Prodekanat Nürnberg Süd
Prodekanat.Sued@t-online.de

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