Epheser 5,15-21

Epheser 5,15-21

Weise und geisterfüllt leben | 18. So. n. Trinitatis | 16.10.2022 | Epheser 5,15-21 | Barbara Pfister |

Epheser 5,15-20

15 Achtet nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt: nicht als Toren, sondern als Weise!
16 Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.
17 Seid also nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist.
18 Und berauscht euch nicht mit Wein – das bringt nur Unheil -, sondern lasst euch erfüllen vom Geist:
19 Lasst in eurer Mitte Psalmen ertönen, Hymnen und geistliche Lieder, singt und musiziert dem Herrn aus vollem Herzen,
20 und dankt unserem Gott und Vater allezeit für alle Dinge im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Weisheit – erkennen, was wann dran ist und danach handeln

Ein Priester hielt seine erste Predigt in einer abgelegenen Landgemeinde, aber niemand erschien ausser einem Kuhhirten. Der Priester war im Zweifel, ob er den Gottesdienst durchführen sollte oder nicht. Der Kuhhirte entgegnete: «Ich kann Ihnen nicht sagen, wie hier vorgegangen werden muss, denn ich bin nur ein Kuhhirte. Aber wenn ich daherkäme, um meine Kühe zu füttern, und nur eine würde sich zeigen, so wäre ich von allen guten Geistern verlassen, wenn ich diese Kuh nicht füttern würde.» Der Priester dankte dem Hirten und hielt die vorbereitete Predigt von der Länge einer ganzen Stunde. Nachdem er geendet hatte, fragte er seinen Zuhörer, ob er nun zufrieden sei. Die Antwort lautete: «Ich verstehe nicht viel von Predigten, ich bin ja nur ein Kuhhirte. Aber wenn ich gekommen wäre, um meine Kühe zu füttern, und nur eine einzige tauchte auf, dann hätte ich meinen Verstand verloren, wenn ich ihr das gesamte Futter vorlegen würde.»[1]

Achtet nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt: nicht als Toren, sondern als Weise! (V.15)

Weise zu sein ist nicht dasselbe wie gelehrt und klug zu sein. Ein Priester, wie in der soeben erzählten Kurzgeschichte, eine Akademikerin oder gar ein orientalischer König zu sein, gibt keine Garantie, automatisch auch weise zu sein. So bittet der bekannte, israelitische König Salomo Gott um Weisheit, damit sein Leben gelinge und er seine Aufgabe bestmöglichst meistern möge:

Gib mir ein Herz, das auf dich hört, … damit ich zwischen Recht und Unrecht und zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Denn wie könnte ich sonst ein so riesiges Volk gerecht regieren? (1Kön 3,9)

Doch ohne Könige zu sein, benötigen wir alle, täglich die Weisheit zu erkennen, was wann angebracht, gut und richtig ist und wie wir dem entsprechend handeln können. Wir brauchen die Gabe unsere Welt, die Situationen, Zusammenhänge und Probleme, in denen wir stecken – alles mit Gottes Augen zu sehen.[2]
Darum fordert uns der heutige Predigttext auf: Achtet sorgfältig, ja wörtlich «akribisch» darauf, wie ihr lebt!

Weisheit – die Kunst der Lebensführung

Dass andere sich einmischen und uns sagen, wie wir leben sollen, das mögen die meisten mündigen, individualistischen Menschen nicht so gerne. Und doch ertönt da der Vorwurf des Kirchenkritikers Nietzsche: «Erlöster müssten mir die Christen aussehen, dass ich an ihren Erlöser glauben lernen würde». Und ebenso berichteten in einem aktuellen Podcast mehrere Menschen, die aus dem aktiven kirchlichen Leben ausgestiegen sind: «Wenn die Christen glaubwürdiger leben würden, wenn sie nicht immer nur von Liebe reden, sondern auch Menschen mit anderer Denkweise und Lebensentwürfen lieben würden, dann wäre ich vielleicht noch dabei.» In der (berechtigten) Kritik höre ich dieselbe Aufforderung wie hier in unserem Text:

Achtet nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt! (V.15)

Der Briefschreiber, ich gehe davon aus, dass es der Apostel Paulus war, schreibt diese Aufforderung im zweitletzten Kapitel seines Briefes. In der ersten Hälfte führt er den Lesenden vor Augen, was Gott für sie getan hat: Er hat sie gesegnet, gibt ihnen an seiner Lebensfülle Anteil und erwählt sie zu einem erfüllten Leben in seiner Gegenwart. Diesen Plan verwirklicht Gott, der Vater, durch seinen Sohn Jesus Christus. Durch sein Kommen, Leben, Sterben und Auferstehen bietet er uns ein neues Leben an. (Vgl. Eph 1-3)

Manfred Siebald fasst in einer Liedpassage die zwei Briefteile treffend zusammen:
«Jesus, zu dir darf ich so kommen, wie ich bin» – was dem ersten Teil des Epheserbriefes entspricht. Und «Jesus, bei dir muss ich nicht bleiben, wie ich bin.» Darum geht es im zweiten Teil, wo unser heutiger Text steht.

Christ werden heisst: ich darf zu Jesus kommen, wie ich bin. Ich muss nicht erst zu Gott passen oder ihm beweisen, dass ich besser werden kann. Er schenkt mir das neue Leben, d.h. schafft Frieden, indem er ehemalige Feinde mit sich und untereinander versöhnt und uns zu Freunden Gottes macht. Er nimmt mich als Fremde gastlich in sein Haus auf und adoptiert mich als sein Kind. Er versetzt mich aus der Dunkelheit in sein wunderbares Licht.

Als Christ leben heisst demzufolge: Ich muss nicht so bleiben wie ich bin. Gott bewirkt und verändert etwas in mir, mit dem Ziel, dass ich in diesem neuen Leben als Freundin Gottes, als Königskind und im Licht leben lerne. Denn wie unweise wäre es, wenn ich all das, was ich geschenkt bekommen habe jetzt nicht auch nutzen würde? Darum beginnt Paulus unser Kapitel 5 mit folgendem Vers:

Folgt nun dem Beispiel Gottes als geliebte Kinder, und führt euer Leben in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat. (Eph 5,1+2a)

Wie wir weise leben können, geprägt von der Liebe Gottes, erläutert unser Predigttext.

Weisheit – die Gabe ins «schwarze zu treffen»

Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. (V.16)

Das tönt nach Ausverkauf und Hamsterkäufen, wie wir es zu Beginn der Pandemie mit dem WC-Papier und zurzeit mit dem Brennholz erleben. Unüberlegt und panikartig schnappen Menschen einander alles vor der Nase weg. Sollen wir so auch mit der Zeit umgehen? Heisst das, den Tag mit möglichst vielen sinnbringenden Aktivitäten vollzustopfen? Pausenlos rudern und rennen? Denn Pause, Ruhe und Musse ist doch verschwendete Zeit und somit unweise! Lieber Paulus, so treibst du die Epheser samt uns doch direkt in ein «burn out»!

Jedenfalls löste dieser Vers bei mir lange Zeit das Gefühl aus, ich dürfe nichts verpassen und sollte noch mehr in meinen Tag hineindrücken. Bis ich eines Tages stutzige wurde, als ich in einer anderen Übersetzung las:

Macht den bestmöglichsten Gebrauch von eurer Zeit, gerade weil wir in einer schlimmen Zeit leben. (V. 16 NGÜ)

Ich mag zwar keine Computerspiele. Doch eines der Ersten, die ich kennenlernte, kommt mir bei diesem Vers immer wieder in den Sinn. Da flatterten animierte Moorhühner über den Bildschirm, während die Spielenden 10 Schuss zur Verfügung haben. Das Unweiseste, was man machen kann, ist, unkontrolliert draufloszuschiessen und alle Munition zu verpuffen. Viel weiser ist es wachsam Ausschau zu halten und dann gezielt abzudrücken, wenn ein Moorhuhn vorbeifliegt.

Im Epheserbrief wie im Moorhuhn Spiel geht es nicht um eine Zeitspanne, die wir ausnutzen sollen, indem wir pausenlos, 7/24 «ballern», egal ob als Workaholics im Job, freiwillig Engagierte in Kirche, Gesellschaft und Familie oder als solche, die Angst haben etwas im Leben zu verpassen. Hier ist die Rede vom richtigen Zeitpunkt, den es zu packen gilt, um das zu tun, was Gott uns vor die Füsse legt, denn:

Gott hat uns dazu geschaffen, das zu tun, was gut und richtig ist. All das, was wir tun sollen, hat er bereits vorbereitet, an uns ist es nur das Vorbereitete auszuführen. (Eph 2,10 NGÜ)

Aber um zu merken, was von Gott für uns vorbereitet und darum das Bestmöglichste ist, das wir tun können, dazu brauchen wir diese Weisheit, die uns nur Gott geben kann.

Weisheit – die Gabe göttlich zu handeln

Seid also nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist. (V.17)

Weise ist es, nach dem zu fragen, was Gott von uns möchte und wenn er es uns zeigt, es auch zu tun. Die einen hoffen jetzt vielleicht darauf, dass ich ihnen eine «Liste zum abhäkeln» mit nach Hause gebe, was «der Wille Gottes» ist – und andere sind froh, dass ich dies nicht tue.

Wichtig scheint mir, dass uns Gott in der Bibel in Bezug auf gewisse Dinge eindeutig seinen Willen und seine Absichten für uns Menschen offenbart hat. Im Psalm 1 haben wir den engen Zusammenhang gesehen, dass der Mensch ein Gerechter ist, d.h. Gottes Willen tut, indem er über Gottes Weisungen und Gebote nachdenkt und sich diese zu Herzen nimmt.

Gottes Gebote – der Rahmen, der unser Zusammenleben mit ihm und untereinander ermöglicht – sind die Werte, die Gott wichtig sind. Es ist durchwegs lohnend, zu Hause einmal die Bibel aufzuschlagen und zu suchen, was alles Gottes explizit klar formulierter Wille ist. Ein paar Beispiele kann ich euch gerne bereits zur Anregung geben:

Gott will nur eines: Haltet euch an das Recht, begegnet andern mit Güte, und lebt in Ehrfurcht vor eurem Gott! (Micha 6,8)
Das Gesetz entspricht Gottes Wille; jedes einzelne Gebot ist heilig, gerecht und gut. (Röm 7,12)
Gottes Wille wird dadurch erfüllt, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat – Jesus Christus.» (Johannes 6,29)
Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und die Wahrheit erkennen. (1Tim 2,4)
Gott will, dass ihr ein geheiligtes Leben führt. (1Thess 4,3)

Ihr merkt schon, die Grundrichtung ist klar: Gott will unser Heil! Eine heile, wiederhergestellte, gelingende Beziehung zu uns Menschen und von uns Menschen untereinander.
Doch wie wir «heilvoll» leben und Gottes Willen im Alltag umsetzen können, ist damit nicht gesagt. Dazu brauchen wir Gottes Weisheit, damit wir herausfinden, wie wir konkret handeln können, um Gerechtigkeit zu leben, Gott zu ehren, unseren Mitmenschen mit Güte zu begegnen, Jesus zu vertrauen oder mit unserem täglichen Leben Gott zu gefallen.

Gottes Willen erkennen, können wir mithilfe der Bibel und Salomos Bitte an Gott: Gib mir ein Herz, das auf dich hört, … damit ich zwischen Recht und Unrecht und zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Nur so kann ich gemäss deinem Vorbild ein Leben in Liebe leben? (Vgl. 1Kön 3,9 und Eph 5,1)

Weisheit – eine Gabe des Geistes

Lieblosigkeit, Unrecht und Unheil gibt es genug auf der Welt. Da müssen wir gar nicht lange danach suchen. Radio, Tagesschau oder Newsseiten bringen die Erkenntnis, dass wir in einer schlimmen Zeit leben, täglich ins Haus. Da ist es verständlich, wenn viele Menschen die Realität versuchen mit Musik zuzudröhnen, sich mit Arbeit oder Spielen davon abzulenken, mit Alkohol die Probleme zu ersäufen versuchen oder mit anderen Substanzen das erdrückende dunkel etwas aufzuhellen. Doch Suchtverhalten bringt meist nur eine kurzfristige Linderung, längerfristig gesehen aber noch heillosere Verstrickungen. Darum:

Berauscht euch nicht mit Wein – das bringt nur Unheil… (V.18)

Paulus hat nichts gegen ein Gläschen Wein zum Genuss. Doch ist sich Besaufen keine Option Weisheit zu erlangen oder Gottes Willen zu erkennen, sondern absolut unweise. Darum setzt Paulus dem Berauschen mit Wein eine weise Alternative gegenüber:

…, sondern lasst euch erfüllen vom Geist:

Null Promille aber Geist in Fülle.
Bereits früher in der Bibel wurden geisterfüllte Menschen als betrunken gesehen. Denken wir nur an das harte Urteil des Priesters Eli, der die tieftraurige Hanna, welche vom heiligen Geist geleitet Gott ihr Leid klagte und von ihm ihre Hilfe erwartete, als betrunken betitelte. Oder auch an die Menschenmassen in Jerusalem, welche über die Nachfolger Jesu, die am ersten Pfingstfest die Erfüllung mit dem Heiligen Geist erlebt hatten spotteten: Die sind doch voll von süssem Wein! (Apg 2,13)

Wie Hanna und die ersten Nachfolger Jesu an Pfingsten uns zeigen, kann man die Erfüllung mit dem Heiligen Geist nicht machen. Wir können uns nur öffnen für Gottes Wirken in uns. Wenn er uns füllt und in uns wirkt, müssen wir nicht erstaunt sein, wenn andere Menschen v.a. solche, die nicht offen sind für sein Wirken, uns als besoffen, verrückt und unweise betiteln.

Denn immer wieder erinnert Paulus in seinen Briefen daran, dass Gottes Weisheit und menschliche Weisheit nicht dasselbe sind und dass das Wirken von seinem Geist nicht immer mit dem, was menschlich logisch ist, übereinstimmt.

So gibt uns Paulus auch hier zum Schluss von unserem Predigttext noch ein Hinweis darauf, wie wir uns öffnen können, um mit Gottes Geist erfüllt zu werden.

Lasst euch erfüllen vom Geist:
Indem in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder ertönen;
Indem ihr dem Herrn aus vollem Herzen singt und musiziert.
Und indem ihr Gott unserem Vater allezeit für alle Dinge dankt, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. (V.18b-20)

Sich auf Gottes Wort ausrichten, aktiv zuhören, uns gegenseitig ermutigen, indem wir uns Psalmen zusprechen, füreinander beten, mit Liedern Gott loben und für ihn musizieren – so schaffen wir Raum für den Heiligen Geist in uns persönlich, mitten im Alltag aber auch gemeinsam in unseren Zusammenkünften in der Kirche. Im Gotteslob mit Psalmen und Liedern hat es immer auch Platz für unsere Klage. Denn es ehrt Gott, wenn wir mit allem, was wir sind und haben zu ihm kommen, in jeder Lebenslage, wie es zum Schluss auch heisst:

Dankt Gott, dem Vater, immer und für alles. (V.20)

Ist das weise? Jedenfalls tönt es ziemlich töricht, Gott auch für das Negative zu danken. Paulus selbst dankt nicht FÜR die Nöte und Schwierigkeiten wie Gefängnis, Schiffbruch oder Krankheit, die das Leben ihm zumutet. Doch er findet IN all diesen Nöten Grund zum Danken. Denn er erkennt, dass Gott selbst im Gefängnis, in Krankheit und Schwäche am Wirken ist und ihm auch dies alles zu seinem Besten mitwirken lassen kann. (Vgl. Rö 8,28ff)

Weise und von Gottes Geist erfüllt lebt, wer mit seinem Blick nicht an den Umständen und den eigenen Möglichkeiten verhaftet bleibt, sondern sich darauf richtet, was Gott kann und der Heilige Geist in, um und durch uns wirkt.

Amen.


VDM Barbara Pfister
Bubikon
E-Mail: barbara_pfister@gmx.ch


Barbara Pfister, geb. 1977, Pfarrerin in der ev. ref. Kirche Wetzikon (Zürich).


Liturgische Hinweise
Als Lesung oder gemeinsames Gebet im Wechsel: Psalm 1


[1] Hoffsümmer Willi; Kurzgeschichten 1; Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 192000; S. 85, Nr. 144

[2] Gemäss einer Aussage von Papst Franziskus in der Generalaudienz vom 09.04.2014

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