Epiphanias 2021 / Jesaja 60

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Epiphanias 2021 / Jesaja 60

Predigt über Jes 60, 1-6 | Epiphanias 2021 | verfasst von Uwe Tatjes |

Liebe Gemeinde,

eigentlich habe ich keine Lust, loszugehen, manchmal ist es schwer sich zu motivieren. Der Abend ist kalt und dunkel und meine ersten Schritte sind mürrisch und missmutig. Musste ich mir denn so ehrgeizige Bewegungsziele setzen? Jeden Tag 10000 Schritte? Wie oft stelle ich abends fest: Mist, da fehlen noch 5000 Schritte. Also runter vom Sofa und raus in die Kälte. Na bravo.

Aber nach zehn Minuten bin ich eingelaufen und beginne die kühle Luft zu geniessen. Die Beine gewöhnen sich schneller an das Laufen als der Kopf. Aber auch dem tut das Laufen gut. Mit der Bewegung werden auch die Gedanken leichter, fangen auch an sich zu bewegen. Es ist dunkel, aber hell genug, den Weg auch ohne künstliches Licht zu sehen – selbst hier im Wald. So eingehüllt in Dunkelheit, so aufgemuntert durch die Kälte, wird es mir innerlich warm. Der Missmut ist einem Laufglück gewichen. Als ich nach einer Waldkurve auf eine Lichtung kommen, sehe ich über mir ein helles Licht. Zunächst überlege ich mit lückenhaften Kenntnis der Sternbilder, welches das denn sein könnte, dann fällt es mir ein: das ist kein Licht, das man immer sehen kann. Das ist die grosse Konjunktion, die Annäherung von Saturn und Jupiter, die nur alle zwanzig Jahre zu sehen ist. Vielleicht konnten die Sterndeuter sie auch über Bethlehem sehen. Ich habe in der Zeitung darüber gelesen und jetzt sehe ich das Licht auch. Hell und klar. Ein Grund mehr, heute rauszugehen.

Ich lese aus Jesaja 60, 1-6

1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3 Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. 4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden. 5 Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Ein Hoffnungstext, eine Aufbruchsgeschichte, die uns mitnimmt. Mitnimmt in eine Welt, in der es noch dunkel ist. In der aber auch schon Licht aufscheint. So weit weg von unserer Realität ist das gar nicht. Wenn man am Ende des abgelaufenen Jahres eine Umfrage unter Freunden und Bekannten machte, dann kam doch bei vielen, dass sie das Jahr 2020 als dunkel, als mühsam, als zermürbend empfanden. Die Pandemie, die Einschränkungen, die Sorgen über die wirtschaftliche und persönliche Zukunft, die Spaltung und die Verwerfungen in unserer Gesellschaft, die Sorge um die Umwelt und das Klima: es gab viele Gründe sich Sorgen zu machen in 2020. Und die Sehnsucht ist natürlich da: rauszugehen, sich endlich wieder frei fühlt, ohne Einschränkungen und in der es heller wird und Hoffnung aufscheint. Die Befürchtung freilich, dass es nicht schnell besser wird, ist bei vielen auch gross.

So mag uns dieses beinahe paradiesische Bild, das der Text vor Augen malt, schon fast ein bisschen zu viel Heil, Friede, Freude, Eierkuchen sein. Seltsamerweise sehen wir das Dunkel eher als das Licht.

Diesen Einwänden sind die Worte aber auch schon begegnet, als sie das erste Mal gesprochen wurden. Die ersten Israeliten kehrten damals aus dem Exil in Babylon zurück. Sie trafen auf ein ausgemergeltes, noch immer halb zerstörtes Land. Der Alltag war mühsam. Die Aufgabe, den zerstörten Tempel wieder aufzubauen, erschien übermenschlich. Diejenigen, die im Land geblieben waren, akzeptierten die Rückkehrer nicht. Nein, wahrlich alles andere als die blühenden Landschaften, die der Text ihnen vor Augen stellt, sahen die die Menschen.

Und doch lockt der Text hinaus aus dem real existierenden Alltag und Elend, aus Sachzwängen und Bedenken. Er sieht mehr, als alle schon sehen können. Er sieht mehr, weil Gott ihn mit seinen Augen schauen lässt. Augen, die in allem mehr sehen, als wir. Die Möglichkeiten entdecken, wo wir nur Ende Gelände erkennen.

Mache dich auf. Werde Licht. Im Hebräischen stehen da nur zwei Worte. Kumi. Ori. Der Schritt in das Licht hinein verändert. Das Licht deckt auf, macht offenbar, lässt klarer sehen. Das, was im Dunkel lag, erscheint in neuem Licht. Dazu schickt Gott nicht nur einen Stern, ja mehr noch als die Begegnung zweier Planeten, die ich im nächtlichen Welt entdecken konnte. Er schickt mehr als die Sonne. Denn nun geht Gott selbst auf über Israel und macht es hell und licht. Gott will die Welt und uns nicht im Dunkeln lassen. Der Glaube, das Vertrauen zu Gott ist keine okkulte Lehre, die man bevorzugt im Dunkeln und an finsteren Orten praktiziert. Er ist keine Verschwörungstheorie, die mit dunklen Mächten rechnet. Er ist ein Vertrauen, das mit Gott in unserer dunkeln Welt rechnet und es heller und klarer machen will. Nicht umsonst wird die Aufklärung im Englischen als „Enlightment“, also „Erleuchtung“ bezeichnet. Gott möchte, dass uns ein Licht aufgeht. Nicht irgendeines, denn er selbst ist dieses Licht. Mit klarem Geist sollen wir fragen und erkennen. Heute feiern wir das Fest der Erscheinung. Gott wird mit dem Licht identifiziert, das zwar seine Gestalt und sein Bild im Strahlen unerkannt sein lässt, aber doch diese Welt und unser Denken, und Handeln durchstrahlt und klarer macht. Und der Hoffnung ein Gesicht in dem neugeborenen Kind in Bethlehem gibt.

Kumi. Ori. Mache Dich auf, werde Licht. Das Licht, das den Weg weist und erkennbar macht, macht das Leben leichter. Das Licht, das aufscheint, macht uns Mut, das Land zu finden, das uns schon verheissen ist, aber das wir aber noch nicht sehen.

Kumi. Ori.

Glaubensgeschichten sind immer auch Weggeschichten. Sie leben von den Menschen, die sich von Gottes Licht locken liessen, die nicht in Finsternissen sitzen blieben. Kumi. Ori. So einfach ist das, Und oft so schwer. Es steht ja vieles gegen dieses Vertrauen, das ja bei allem Negativen um uns herum auch naiv erscheinen mag.

Kumi. Ori. Mache dich auf, werde Licht. Das ist am Anfang Abraham verheissen auf dem Weg in das Gelobte Land und zu einem grossen Volk. Das ist dem Volk Israel verheissen bei der Befreiung aus Ägypten. Den Menschen im Exil nach der Zerstörung Jerusalems ebenso wie den Rückkehrern in ein geschundenes und zerstörtes Land. Gottes Licht lässt sich von keinem Zweifel, keinem Sachzwang und keiner Dunkelheit aufhalten. Es ist da. Selbst dort, wo die Dunkelheit gesiegt zu haben scheint, am Ostermorgen, als die Frauen kommen, um den Leichnam Jesu zu salben. Sie bekommen Überraschendes, Verstörendes, Beglückendes zu sehen und zu hören. Kumi. Ori. Mache dich auf, werde Licht. Erzähle von der Hoffnung.

Im Licht dieser Hoffnung dürfen wir noch Grosses hoffen. Das Bild der Völker, die zu Israel kommen, ja, die Söhne und Töchter Israels zärtlich auf den Hüften tragen, berührt mich. Bei aller Ausgrenzung und allem Hass, gerade auch gegen Gottes auserwähltes Volk Israel ist das ein starkes Gegenbild. Bei all unseren Ängsten gegenüber dem Fremden und all unserer Ausgrenzung von Flüchtlingen, wird hier ein anderes Bild gemalt. Ein freundliches, einladendes Bild. Ein Bild, in dem die Geschichte Gottes mit den Menschen, die mit Israel began, zu ihrem Ende kommt.

Auch an uns ergeht diese Aufforderung am Anfang eines neuen und gleichwohl ungewissen Jahres Kumi. Ori. Mache dich auf, werde Licht.

Wo wir Gottes Verheissung in aller Dunkelheit vertrauen, da werden wir selbst zu Leuchtquellen, Lichträgern.

Und mag uns unser Licht auch klein vorkommen, in der Dunkelheit hat auch das kleinste Licht Kraft. Aufbruch beginnt mit Vertrauen. Wo wir das Vertrauen teilen, uns gegenseitig mit positiven Gedanken und Worten ermutigen, auch unter Beschränkungen in Kontakt bleiben und uns gegenseitig helfen, da sind wir schon gut unterwegs. Gottes Weg mit seinem Volk Israel, mit uns Menschen, mit dieser Welt ist noch nicht am Ende. Sein Licht geht uns voran, auch in 2021. Und wer weiss, vielleicht geht es uns mit der Hoffnung wie mit dem Laufen. Wenn man sich erstmal aufgemacht hat, weicht der Missmut einem Laufglück. Hoffnung wirkt ansteckend, auch für einen selbst. Kumi. Ori. Lasst uns aufbrechen und uns von Gottes Licht entzünden lassen.

Amen

Uwe Tatjes, Pfarrer in Willisau, Kirchengemeinde Willisau-Hüswil, Luzern, Schweiz

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