Es mit Humor nehmen können

Home / Bibel / Altes Testament / 01) 1. Mose / Genesis / Es mit Humor nehmen können
Es mit Humor nehmen können

Sonntag, 20. Dezember 2020 – 4. Advent | Predigt über Genesis 18, 1-15 | verfasst von Benedict Schubert |

1Und der Herr erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde

3und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast. 6Abraham eilte in das Zelt zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feines Mehl, knete und backe Brote. 7Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes, gutes Kalb und gab’s dem Knechte; der eilte und bereitete es zu. 8Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalbe, das er zubereitet hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen unter dem Baum, und sie aßen.

9Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!

13Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Genesis 18, 1-15

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

«Selig sind, die über die Unstimmigkeiten im Leben schmunzeln können, denn ihnen gelingt es, auch über sich selbst zu lachen.» Diese Seligpreisung hat die südafrikanische Theologin Denise Ackermann formuliert: «Blessed are those who can chuckle at the incongruities of life, for they will be able to laugh at themselves.»

Die lachende Sarah ist eine der Zeuginnen, auf die Denise Ackermann sich beruft im letzten Kapitel ihres Buchs, das den schönen Titel trägt: «Überrascht vom Mann auf dem ausgeliehenen Esel». Die Autorin legt darin Rechenschaft ab über ihren theologischen, geistlichen Lebensweg. Als Überschrift für jedes Kapitel hat die Autorin eine Seligpreisung formuliert. Wie die Seligpreisungen des Messias, jenes armen Eselreiters selbst, sind es auch bei ihr acht; ihr Lob des Lächelns und Lachens ist die letzte.

Das so überschriebene Kapitel fängt so an:

«Als ich jünger war, war ich weniger dazu bereit, mich still zu amüsieren über all das, was im Leben nicht zusammenpasst, was widersprüchlich ist; ich neigte eher dazu, Einspruch zu erheben, wütend zu sein oder heftige Kritik zu üben. Ich kann immer noch schimpfen, aber mit dem Älterwerden bin ich eher in der Lage, über meine eigene Dummheit zu schmunzeln, darüber, wie blöde ich mich anstelle, und wie einfältig es ist, dass ich mich so wichtig nehme. Unstimmigkeit und Paradox segeln im gleichen Boot. Du musst entweder an Bord steigen und eine Fahrt geniessen, die voller Überraschungen ist, voller unerwarteter Kurven, und die ein hohes Mass an Vergnügen bietet, – oder aber du bleibst an Land, klammerst dich fest an deinen nicht überprüften Vermutungen über das Leben und dich selbst.»[1]

Abraham war neunundneunzig Jahre alt, als die geheimnisvollen Besucher vor seinem Zelt in Mamre auftauchten. Nehmen wir an, Sara war fünfzehn Jahre jünger, also erst vierundachtzig. Es ist müssig, darüber zu spekulieren, wie sie reagiert hätte, wenn dieser Besuch schon dreissig oder vierzig Jahre früher stattgefunden hätte. Schon dann wäre Sara in einem Alter gewesen, in dem sie sich damit hätte abfinden müssen, dass sie und Abraham wohl keine Kinder bekommen würden und damit nach damaligem Verständnis auch keine Zukunft haben. Ob sie sich dann jedoch wie die junge Denise Ackermann empört hätte, wütend geworden wäre über die Unverschämtheit dieser Fremden, sich über sie zu äussern und über ihre Fähigkeit oder eben Unfähigkeit, ein Kind zu bekommen? Ob sie zornig nachgefragt hätte, woher die Besucher das Recht nähmen, sich zuerst den Bauch vollzuschlagen, um sich hinterher lustig zu machen über ihre Kinderlosigkeit mit einem Versprechen, das absurd wirken musste?

Doch Sara schmunzelt; sie lachte bei sich selbst. Der biblische Autor sieht keine Notwendigkeit, die Tatsache diskret zu vertuschen, dass Sara schlicht zu alt war, um noch ein Kind zu bekommen. Ihr Körper war dazu nicht mehr in der Lage – und sie selbst findet, auch das notiert der Text in modern anmutender Offenheit, sie sei über das Alter hinaus, in dem leidenschaftlicher Sex noch erwartet und gepflegt wird: Nun, da ich alt bin… Die Zürcher Bibel formuliert noch trockener: Nun, da ich verbraucht bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!

Ich weiss nicht, wie es Euch geht; die Geschichte ist Euch sicher (hoffentlich) vertraut. Sie gehört zu den Geschichten, die mir wiederholt begegnet sind, über die ich deshalb schon verschiedentlich nachgedacht und auch schon gepredigt habe. Wenn bei einer dieser Begegnungen das Lachen Saras überhaupt zum Thema gemacht wurde, dann – so hat sich das jedenfalls in meiner Erinnerung festgesetzt – wurde es als eine Reaktion gewertet, die wir höchstens verständnisvoll dulden, eigentlich aber für unangemessen halten sollten.

Dank meiner südafrikanischen Kollegin kann ich die lächelnde Sara viel positiver, anerkennender anschauen. Abraham mag als Stammvater des Glaubens betrachtet und verehrt werden. Sara ist die Stammmutter all derer, die den Bosheiten des Lebens, den Gemeinheiten der Mächtigen, den perfiden Winkelzügen des Schicksals mit entwaffnendem, subversivem Humor begegnen. Denise Ackermann schreibt:

«Können wir darüber lachen, wie absurd die Lage der Menschen und von uns selbst in der Welt ist? Ist es nicht besser, über die ständige menschliche Dummheit zu lachen, als sie zu verspotten und zu verlachen, und so bewahrt zu werden vor jeglicher Neigung zu Überheblichkeit und Einbildung? Diese Art von Lachen findet das erheiternd, was unstimmig ist und nicht aufgeht. Es zeichnet sich durch Toleranz aus und entsteht aus der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Es heilt und befreit, viel mehr als Hohn und Spott. Es ist ein Gegengift gegen das, was unterdrückt und uns die Freiheit nimmt; es ist eine Möglichkeit, Gefühle zu äussern, sich gegen die Angst zu wehren und mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen. Wenn wir anerkennen, wie idiotisch vieles im Leben ist, dann kann Lachen eine Waffe sein gegen das Zerstörerische des Leidens; lachend zeigen wir, dass wir uns weigern, vom Leiden kontrolliert und vernichtet zu werden… Ich will meine Überzeugung nicht aufgeben, dass es ein Segen ist, sich über die Unstimmigkeiten des Lebens amüsieren zu können, und ein Ausdruck einer Hoffnung, die niemand unterdrücken kann.»[2]

Die Fähigkeit, über die Welt und über sich zu lachen, als adventliche Haltung. Sara als Urmutter all derer, die Witze machen konnten, Humor zeigen, in Situationen, in denen es eigentlich nichts zu lachen gab.

Ich bin noch ein Kind des Kalten Krieges. In den 1960er Jahren kursierten verschiedene Sammlungen von «Flüsterwitzen aus dem Osten». Noch heute gibt es Fragen, auf die ich am liebsten eine Antwort gäbe, die beginnt mit «Im Prinzip Ja…» – wie damals die Antworten von Radio Jerewan. Und natürlich begleitet mich auch der Band mit dem «Jüdischen Witz», weil die Kinder von Sara und Abraham diejenigen sind, die offenbar von ihrer Urmutter am besten gelernt haben, wie du dich mit feinem, selbstironischem Humor dagegen wehrst, wenn du kleingemacht, ausgegrenzt, diskriminiert oder dann sogar verfolgt wirst.

Sara lächelt. Sie weiss, wie absurd es ist, dass Abram und sie fünfundzwanzig Jahre vorher aufgebrochen waren aus ihrer Heimat. Sie waren einem Ruf und Versprechen des Ewigen gefolgt. Sie hatten sich darauf eingelassen, dass sie das Land, in dem sie ankommen, sich niederlassen und zu einem grossen Volk würden, erst später gezeigt bekämen. Sie hatten der Verheissung geglaubt, dass aus ihnen ein grosses Volk würde, doch was war Wirklichkeit geworden? Mit Lot, dem Neffen, hatten sie sich zerstritten. Was an Familie da war, war zerbrochen. Über den Versuch, durch eine Form von Leihmutterschaft wenigstens den ersten Kern einer Grossfamilie zu kreieren, war zwar erfolgreich gewesen: Ismael spielte zwischen den Zelten und bewunderte seinen Vater. Doch die Spannung zwischen dem Zelt, in dem Sara lebte, und jenem, in dem Hagar mit Ismael zuhause war, nahm ständig zu.

Sara hätte allen Grund gehabt zur Bitterkeit, zur Verzweiflung oder zur depressiven Resignation. Doch Sara schmunzelt bloss, als noch einmal jemand kommt, und sogar eine Dreierdelegation, um von der grossen, kinderreichen Zukunft zu reden, die konkret einsetzen werde, wenn Sara übers Jahr ein Kind zu Welt gebracht haben würde.

Mit ihrem Schmunzeln wird Sara zu einer wunderbaren Adventsgestalt. Sie weiss, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte. Sie weiss, dass das, was sie erlebt, nicht die Erfüllung der Pläne und Verheissungen Gottes ist. Sie weiss, dass es keinen Sinn hat, wenn sie sich aufreibt, sich selbst fertigmacht im hoffnungs- und damit sinnlosen Bemühen aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln das schaffen zu wollen, worauf sie hofft und was vom Ewigen zugesagt ist.

Saras Schmunzeln ist kein Zeichen von Resignation. Es ist kein Zeichen dafür, dass Sara die Welt und Gott in Ruhe lassen will. Doch es ist ein Zeichen dafür, dass Sara die Grenzen anerkennt, die ihr gesetzt sind. Sie kultiviert keine Allmachtsphantasien. Sie bildet sich nicht ein, sie könne und müsse die Welt oder auch nur ihre eigenen Pläne retten. Sie hat begriffen, dass das Leben kein geschlossenes System sein darf, in dem alles aufgeht. Sie ist aber auch nicht Gefangene eines geschlossenen Systems, sondern lebt um Gottes Willen mit offener Zukunft. Denn schliesslich gehört es wesentlich zum Gott des Lebens, dass seine Wege und Worte paradox sind, also eben nicht überprüfbar und kontrollierbar stimmig. Sara hat gelernt, um noch einmal die Formulierung von Denise Ackermann zu verwenden, die Fahrt des Lebens zu geniessen, die voller unerwarteter Kurven ist und ein hohes Mass an Vergnügen bietet. Sara bildet sich nicht ein, ihre nicht überprüften Vermutungen über das Leben und sich selbst seien die Wahrheit.

Wenn und weil ich Sara so als adventliche Gestalt deute, verliert die Frage, die der Besuch dann stellt, den tadelnden Unterton, den ich bisher immer mitschwingen hörte: Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?

Was passiert? Statt drei Besuchern ist bloss noch einer da. Der Erzähler hat zwei von ihnen wortlos verschwinden lassen – und derjenige, der jetzt Abraham nach Saras Lachen fragt, ist nicht einfach einer der drei Männer, von denen der Text schreibt. Jetzt erst sollen wir als Hörer oder Leserinnen verstehen, weshalb der Erzähler mit dem starken Satz anfing, der Herr sei Abraham erschienen. Er selbst, der Ewige, ist es, der nach dem Grund für Saras Lächeln fragt. Mit derselben Wendung, mit der der Erzähler die ganze Geschichte der Stammeltern hat beginnen lassen, setzt er noch einmal ein: Da sprach der Herr zu Abraham… Zweimal vorher hörte Abraham die Stimme Gottes: Das erste Mal vor dem Aufbruch (Gen 12), das zweite Mal unter dem Sternenhimmel (Gen 15). Doch jetzt schenkt Gott Abraham und Sara eine direkte, menschliche Begegnung. Gott und Mensch unterhalten sich wie Gastfreunde, so wie es später auch Mose wird erleben dürfen (Ex 33,11).

Und Sara fürchtet sich. Es ist nicht eine moralisch grundierte Furcht, die Sara spürt. Es ist auch nicht die Furcht dessen, der einen Fehler gemacht hat und nun Angst hat vor der Strafe. Saras Furcht ist von der Art wie jene, die die Frauen am leeren Grab packte, weil sie nicht einen Leichnam finden, sondern dem Lebendigen begegnen (Mk 16,8). Es ist die Ehrfurcht, die Menschen erfüllt, wenn sie Gott selbst begegnen, weil sie wissen, dass Du eigentlich Gott nicht sehen und doch weiterleben kannst (Ex 33,20). Gottesnähe verschlägt einem Atem und Stimme, und nichts wird mehr so sein wie zuvor.

Sara würde ihr Lachen am liebsten ungeschehen machen – so deute ich ihren ungelenken und etwas peinlichen Versuch, es zu leugnen. Sie hat begriffen, dass die drei Männer nicht bloss gekommen waren, um ihr etwas mitzuteilen, was sie schon wusste und in ihrem Innern auch pflegte. Beim Besuch durch die Fremden ging es nicht nur darum, zu verhindern, dass die Hoffnung zuletzt doch stirbt. Sara wurde eine Begegnung mit dem lebendigen Gott geschenkt – und ihr wurde darin klar, dass ihr langes Warten und Hoffen endlich an sein Ziel kommt. Aus der Zeit der Erwartung wird Zeit der Erfüllung.

Ich wünsche Euch und mir einen leichten, schmunzelnden Advent. Dass uns die Fähigkeit geschenkt wird oder erhalten bleibt, über die Unstimmigkeiten des Lebens zu lächeln, über unsere Unstimmigkeiten zu lachen bis zu dem Tag, wo Gott uns so begegnet, dass wir wissen: Das Warten ist vorbei. Die Erfüllung ist da.

 

Pfr. Dr. Benedict Schubert, geb. 1957, reformierter Pfarrer an der Peterskirche in Basel nach mehreren Jahren im Dienst der evangelisch-reformierten Kirche in Angola und bei mission 21 – evangelisches missionswerk basel, sowie Lehrauftrag im Fach aussereuropäisches Christentum an der Universität Basel; mit seiner Frau zusammen leitet er das «Theologische Alumneum», ein Wohnheim für Studierende aller Fakultäten.

Basel

benedict.schubert@erk-bs.ch

Die Predigt zum 4. Advent wird in einem Teil-Lockdown gehalten: Es dürfen nicht mehr als 15 Gemeindeglieder teilnehmen, der Gottesdienst wird indessen als live stream für die Interessierten übertragen (Zugang via https://www.erk-bs.ch/kg/baselwest/baselwest-gottesdienste). Diese Sondersituation wird im Gottesdienst präsent sein und, namentlich in den Gebeten, auch zur Sprache gebracht. Da die Pandemie jedoch aus durchaus guten Gründen den Horizont unserer Aufmerksamkeit fast ganz ausfüllt, habe ich in der Predigt bewusst darauf verzichtet, sie noch einmal, und sei auch bloss am Rand, zum Thema zu machen.

Verworfen habe ich eine viel weitergehende Idee: Die Perikope von der berühmten Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow her zu deuten – und dabei auch den grossartigen Film von Tarkowski noch mit einzubeziehen, der offenbar vor Kurzem restauriert wurde: https://www.filmlinc.org/films/andrei-rublev/.

Es ist ein Film, der offensichtlich macht, wie sehnsüchtig die Menschheit darauf hofft, dass der Heiland die Himmel aufreisst. (Und eine Empfehlung für einen langen Lockdown-Abend).

[1] Denise Ackermann: Suprised by the Man on the Borrowed Donkey. Ordinary Blessings, Cape Town 2014, 281 [eigene Übersetzung]

[2] A.a.O. 285

de_DEDeutsch