Blickkontakt

Blickkontakt

Predigt zu 1.Mose 18, 1-2.9-15 | 20.12.2020 | verfasst von Suse Günther |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Und der Gott erschient Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war.

Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde und sprach: Herr, habe ich Gnade gefunden vor Deinen Augen, so geh nicht an Deinem Knecht vorüber…

Da sprachen sie zu ihm: „Wo ist Sara, Deine Frau?“

Er antwortete: „Ich will wieder zu Dir kommen, übers Jahr, siehe, dann soll Sara, Deine Frau, einen Sohn haben.“

Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, so dass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, wo ich alt bin, soll ich noch die Liebe pflegen und mein Herr ist auch alt. Da sprach Gott zu Abraham: „Warum lacht Sara und spricht: Meinst Du, dass es wahr ist , dass ich noch gebären werde, die ich doch alt bin? Sollte Gott etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr, dann soll Sara einen Sohn haben.“ Da leugnete Sara und sprach: „ich habe nicht gelacht“, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: „Es ist nicht so, du hast gelacht“.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Mein katholischer Kollege Daniel Zamilski hat folgenden wunderschönen Leitartikel in der Adventsausgabe seines Pfarrbriefes veröffentlicht:

#Am Morgen, kurz bevor der Wecker klingelt, habe ich einen Traum: Ich sitze am Kamin und schaue in die Flammen. Ich sage: „Du wolltest doch mal vorbeikommen. Wir warten auf Dich“. Und Gott antwortet: „Mach ich“, sagt er. „Ach“ sage ich. Und weil mir nichts Besseres einfällt, frage ich, wie ich ihn denn erkennen würde. Man weiß ja nichts Genaues, außer das Gerücht, er trüge Bart. „Ich werde Dich ansehen“, sagt Gott. „Daran wirst Du mich erkennen“ Die Katze maunzt, der Wecker klingelt. Seit diesem Morgen gehe ich durch die Straßen und suche jedes Menschen Blick.#

Das ist etwas, was mir in von diesem Advent ganz besonders in Erinnerung bleiben wird: Den Blick eines Menschen suchen. Wir im Krankenhaus sehen alle gleich aus. Alle tragen die gleiche Schutzkleidung. Alle tragen Fpp2 Masken. Nur beim Blick in die Augen eines Menschen erkenne ich, wen ich vor mir habe. Erkenne ich vielleicht auch, wie es ihm oder ihr gerade geht. Einen Menschen ansehen, das ist in diesen Tagen ganz besonders wichtig und wertvoll geworden. Der Kontakt, den wir noch haben konnten: Der Blickkontakt. Und es gibt sie, die Pflegekräfte, die einen Schwerkranken auch durch Schutzbrille und über die Schutzmaske hinweg liebevoll ansehen und versorgen, auch auf die Gefahr hin, sich dabei selbst zu infizieren.

Abraham sitzt vor seinem Zelt, die Augen geschlossen in der heißen Mittagszeit. Vielleicht hat er gemerkt, dass Besuch kommt, jedenfalls öffnet er die Augen, sieht die drei Besucher an, läuft ihnen entgegen und verneigt sich vor ihnen. Er lädt sie in sein Zelt ein mit den Worten: „Herr, wenn ich Gnade vor Deinen Augen gefunden habe, dann geh nicht an Deinem Knecht vorüber.“

Das ist ja nun leider etwas, was wir in diesem Advent nicht tun konnten, spontan jemanden in unser Haus einladen.

Wir, die wir auch im Normalfall sicherlich nicht so unbefangen gastfreundlich sind, wie das im Vorderen Orient der Fall ist, haben es trotzdem sehr deutlich erlebt: Wie einsam wir werden, wenn wir immer auf uns selbst und unsere engsten Mitbewohner beschränkt bleiben müssen. Für die Nomaden zur Zeit Abrahams kann es geradezu überlebenswichtig gewesen sein, dass Besucher von außen kommen. Die Fremden kommen aus einer anderen Welt und können von ihr berichten. Durch eine solche Begegnung kann eine bedeutende Entwicklung ausgelöst werden. Und so lädt Abraham nicht nur in sein Zelt ein, sondern bewirtet auch mit einem köstlichen Essen, schlachtet ein Kalb, bringt Wasser zum Waschen, lässt Sara Brot backen.

Es fällt auf, dass in der Erzählung einmal von einem Besucher die Rede ist, dann wieder von dreien. *

In einer berühmten Ikone aus dem Jahr 1425 werden die drei Besucher als Engel dargestellt, als Boten, als Überbringer einer Botschaft. Auf dieser Darstellung sitzen die drei Männer mit identischen Gesichtern aber unterschiedlicher Kleidung an einem Tisch mit ihren Wanderstäben in der Hand. Ein Mann, der zu dreien wird. Drei, die zu einem werden. Die nicht zufällig vorbeigekommen sind, sondern die einen gemeinsamen Auftrag haben.

Übers Jahr werden Sara und Abraham einen Sohn haben, so lautet die Nachricht. Sara und Abraham sind alt und kinderlos. Und deshalb kann Sara diesem Versprechen ebenso wenig glauben wie Zacharias viele Jahre später, als der Engel Gabriel die Geburt des Johannes ankündigt. Ja, Begegnungen bringen etwas in Bewegung. Begegnungen mit Fremden besonders. Mein Leben wird reicher, bunter. Mir eröffnen sich neue Horizonte.

Wer Mauern um sich herum hochzieht, wird ärmer. Nur auf uns selbst bezogen, verlieren wir unsere Mit-Menschlichkeit.

Sich auf etwas Neues einzulassen, manchen Menschen gelingt es nicht einmal in ihrer Jugend, andere können es noch im hohen Alter. Abraham und Sarah sind bekannt dafür geworden, dass sie sich auf Gottes Geheiß hin auf den Weg ins Ungewisse machten (1.Mose 12), nach biblischem Bericht war Abraham 75 Jahre alt, als er loszog.

Offen sein für Neues: Für neue Menschen, neue Wege, neue Versprechen: Darin können uns Abraham und Sara zum Vorbild werden. Und auf diesen neuen Wegen, mit diesen neuen Menschen und Versprechen Gott begegnen. Woran sollen wir ihn erkennen, auf den wir warten und der sich uns für Weihnachten angekündigt hat? Er wird uns ansehen. Und also heben auch wir den Blick, öffnen die Augen, suchen Blickkontakt, werden offen für Neues.

Nein, wir können an diesem Weihnachtsfest niemanden in unser Haus einladen. Wir hätten es gerne getan. Stollen und Plätzchen gebacken, den Braten in den Ofen geschoben und es allen gemütlich gemacht.

In diesem Jahr müssen wir uns auf ganz neue Wege begeben. Etwa Plätzchen und Stollen backen, liebevoll einpacken und einem Nachbarn oder einer Nachbarin vor die Tür stellen, die sicher ebenso unter der Einsamkeit leiden. Die Gastfreundschaft nach außen tragen, statt nach innen. Im Krankenhaus können wir schon lange keinen Gottesdienst mehr feiern. Aber die Kapelle steht offen, einladend für alle als Raum der Besinnung und Einkehr. Vielleicht können auch wir evangelischen Christen endlich darüber nachdenken, unsere Gotteshäuser zu öffnen für die Menschen, nicht nur am Sonntagmorgen. Gottes Zelt unter den Menschen, das immer einlädt auf Wüstenwegen und zur Erholung. Auch für diese ganz neuen Sorten der Gastfreundschaft gelten die Worte des Hebräerbriefes (13,2): „Gastfreundlich zu sein, vergesst nicht. Denn auf diese Weise haben einige, ohne ihr Wissen, Engel beherbergt.“

Ja, auch in diesen ganz besonderen Advents- und Weihnachtstagen bitte ich Gott: Lass mich Gnade finden vor Deinen Augen und geh nicht an meinem Zelt vorüber. Wir brauchen Dich gerade jetzt, Gott. Bring uns gute Botschaft von weither. Hilf uns die neuen Wege zu gehen, die Du uns zumutest. Lass uns einander zu guten Boten werden und unsere Herzen öffnen. Lass uns einander im Blick behalten,

Dir begegnen. Und das Kind erwarten, das Du uns angekündigt hast. AMEN

*Claus Westermann „Am Anfang“, Neukirchen 1986, S. 197

deutet das dahingehend, dass hier zwei Erzählungen ineinander verwoben wurden.

Eusebius v.Caesarea findet in seiner Kirchengeschichte aus dem dritten Jahrhundert bereits die Erklärung, dass es sich hier um eine vorchristliche Darstellung der Dreifaltigkeit handele (Eusebius v.Caesarea, Kirchengeschichte München 2/1981, erstes Buch S. 85), ebenso stellt es die berühmte Dreifaltigkeitsikone von Andreij Rublijow (1425), dar, die drei Engel mit identischen Gesichtern und Wanderstäben am Tisch sitzend zeigt.

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