Apostelgeschichte 1,3-11

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Apostelgeschichte 1,3-11

Christi Himmelfahrt – Klärung bei Ankunft | Christi Himmelfahrt | 09.05.2024 | Apg 1,3-11 | Manfred Mielke |

Liebe Gemeinde,

Im Buch der Apostelgeschichte wird uns die Himmelfahrt Jesu Christi dargestellt. Seine Himmelfahrt hat – vom Ablauf her – wie jede Reise einen Abschied und eine Ankunft. Sie ist aber auch – hilfreich verstanden – eine Ermutigung für den Blick über den Tellerrand. Und sie regt uns an – kreativ gesehen – zur Ausmalung in Bildern.

Der Evangelist Lukas berichtet, dass sich Jesus „nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige zeigte“. Er ließ sich „vierzig Tage lang sehen und redete mit ihnen vom Reich Gottes“. Auch empfahl er seinen Jüngern, zusammenzubleiben bis zum Empfang des Heiligen Geistes. Auf ihre Frage, wann das sein wird, reagierte er mit der Vergewisserung: „Ihr werdet gewiss seine Kraft empfangen. Sie wird euch zu meinen Zeugen machen, lokal und global.“ Was geschah danach mit Jesus? „Er wurde zusehends aufgehoben. Eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Sie sahen ihm nach, wie er gen Himmel fuhr.“

„Halt, Stopp!“ riefen viele Maler und skizzierten exakt diesen Augenblick. Sie sehen Jesu „Aufgehoben-werden“ aus der Perspektive der Zurückbleibenden. Sie malen sein Abheben wie einen Raketenstart auf Cape Canaveral, aus sicherer Entfernung. Nur die Surrealisten wagen es, sich darunter zu begeben und Jesu nackte Fußsohlen von unten übergroß darzustellen. (1) So stellen sie ein wortwörtliches Verstehen der Himmelfahrt Christi bloß. Dagegen fordern sie uns auf, das weiterführende Ziel zu finden. „Schaut nicht hinauf, der Herr ist hier bei uns!“ – war der Refrain eines Liedes, der die Entdeckung im Alltag empfahl – anstelle des Gaffens nach oben. Ähnlich sagt es ein neues Lied. „Aus den Augen entschwunden heißt nicht: aus dem Sinn, denn der Sinn ist das Wort, das ergreift und das raunt und das lacht… In den Himmel gefahren heißt nicht: aus dem Blick, denn der Blick öffnet weit unser Herz, den Verstand und er strahlt und erzählt…“ (2)

Johann Deyg hat 1511 die Himmelfahrt Christi aus einer Sicht gemalt, „die das Herz weitet und die strahlt und erzählt.“ Dafür hat er seinen Blick vom irdischen Startplatz abgewandt und die Ankunft des Auferstandenen im Himmel erfasst. Noch hat Christus nicht Platz genommen „sitzend zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters“. Denn vorher begegnen sich die Beiden, stehend, auf Augenhöhe, wortlos, aber beziehungsreich. Wir betrachten nun dieses vor-reformatorische Rechtfertigungsbild, das mich bei einem Besuch im Heilbronner Münster beeindruckte. (3)

Das Bild ist zweigeteilt, es zeigt rechts eine Menschengruppe und links die Trinität; Gott, Jesus und den Heiligen Geist. Gottvater, hier dargestellt als Senior mit langem Bart, trägt das Purpurgewand eines Herrschers. In der linken Hand hält er den Reichsapfel als Symbol der Weltherrschaft, der ihm allerdings zu entgleiten droht. Mit seiner rechten Hand führt er ein Richtschwert, bereit zum Zuschlagen. Er schaut nachdenklich.

Ihm gegenüber steht Christus, gekennzeichnet durch seine Dornenkrone, die er nun selbstbewusst trägt. Ebenso trägt er immer noch den Lendenschurz von seiner Kreuzigung, Zeichen seiner Degradierung. Doch er packt mit seiner linken Hand die offene Schwertklinge und hält ihre Spitze fest. Seinen rechten Daumen hat er in seine Seitenwunde gesteckt, auf die er auffällig zeigt. Vater und Sohn stehen Aug in Auge, Hand in Hand. Weltkugel und Seitenwunde sind eng beieinander und stehen in einer Wechselwirkung. Denn Jesus litt für die Sünden der Welt, sein Leiden wiederum erlöste diese vom Bösen. Der Apostel Paulus hat das Ergebnis dieser „Klärung bei Ankunft“ so beschrieben: „Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.“

Kaum sehen sich Vater und Sohn bei Jesu Ankunft im Himmel wieder, schon gehen sie in Position. Dass sie dabei gemeinsam ein Richtschwert über ihren Köpfen halten, ist originell. Ebenso die Position des Heiligen Geistes. Er hockt in Gestalt einer Taube seelenruhig auf der Mitte der Klinge und schaut uns mittenmang ins Gesicht. So fordert er uns zur Meinungsbildung und Glaubensbildung auf. Denn er ist es, der das Schwert friedlich ausbalanciert. Das Urteil, das Gott vollstrecken wollte, ist bereits vollstreckt im Kreuzestod Christi. „Das Gesetz muss sich dem Evangelium beugen, und Gnade ergeht vor Recht, weil der Zorn des Vaters an der Liebe des gekreuzigten Sohnes nicht vorbeikommt.“ (4) Wir können es auch anders sagen: Der Zorn des Sohnes fand zum Freispruch des Vaters zurück. So wird die Beziehung zwischen Beiden wieder innig und stabil. Christus handelte nachhaltig, Gott wurde nachdenklich. Sie duellieren sich nicht weiter, sie haben ein vorläufiges Endergebnis.

Denn ohne Schwert geht es nicht, aber ohne Taube geht es auch nicht. Sie gehören als Werkzeuge zusammen. Das Schwert hängt quer, die Taube kommt auf uns zu. Ihre kecke Flügelhaltung zeigt sie als mobile Gotteskraft. Als friedfertige Energie, die uns erreicht. Der Heilige Geist hat einen klaren Standpunkt und eine enorme Wirkung. Er reguliert die Kräfte zwischen dem Sohn und dem Vater. Dass die Drei sich die Zeit genommen haben, ihre inneren Konflikte zu unseren Gunsten zu klären, schenkt uns viel Gelassenheit.

Die neue Ausstrahlung der Dreieinigkeit lockt uns Menschen an, dargestellt in der rechten Bildhälfte. Maria hat sich noch als Schutzmantelmadonna positioniert. Auch sie trägt einen Strahlenkranz, auch ihre Hände befinden sich an Schlüsselpositionen. Mit der rechten zeigt sie auf ihre Brust; sie hat ihren Jesus als Baby gestillt und ihn unter dem Kreuz beweint. Ihre linke Hand hält noch das Manteltuch quer vor einer Menschenmenge. Anhand der Kopfbedeckungen erkennen wir Kaiser und Kardinäle, Juden und Christen. So grenzt Maria das innertrinitarische Versöhnungsgeschehen ab und zugleich konfrontiert sie die Eliten aus Staat und Kirche mit der Rechtfertigung „allein aus Glauben“. Letztlich auch uns und die versammelte Menschheit. (5)

Johann Dayg hat in seinem Bild die Trinität erheblich anders konfiguriert als die Generationen vor ihm. Bis dahin saß Gottvater auf einem gigantischen Thron und hielt uns Jesus auf einem Kruzifix entgegen. Der Heilige Geist schaut sich das von außerhalb an. Gott ist und bleibt (auf dem „Gnadenthron“) der Allherrscher, Christus bleibt das Opfer, die Geistkraft wirkt nicht.

Dagegen zeigt uns Johann Dayg eine dynamische Szene als Folgeszene der Himmelfahrt Christi. Denn im Himmel geschieht, was uns befreit und erlöst. Bisher überwog die Sicht, dass mit Jesu Rückkehr zum Vater sich alles wieder einrenkt. So wie beim Vater, der seinen verlorenen Sohn wieder umarmt, ihn in die Badewanne steckt und ihm den Familien-Ring erneut verleiht. Der Prozess und die Passion Jesu verliefen jedoch chaotisch, seine Gottverlassenheit war abgrundtief, in seinem Grab war es stockdunkel. Was ist dazu die Alternative?

Gottes Alternative war, sich zu Jesus zu bekennen und ihn aufzuerwecken. Um ihn dann herbeizuholen und mit ihm das ganze Projekt auszuwerten und zu verstetigen. Dabei bleibt einiges konstant, und vieles ändert sich. Konstant ist weiterhin, dass Gott konsequent ein Feind der Sünde bleibt, aber auch, dass der Sohn für uns, die Sünder, weiterhin effektiv einstehen wird. Neu ist, dass die Rechtfertigung „allein durch Christus“ bei Gott angekommen ist, so, dass er Macht und Ohnmacht in sich vereint. Nun kann Christus seine Wunden zeigen und Gott kann sich seine eingestehen. Es ist ein verwundeter Gott, der seine Heilung mit uns teilen und genießen will. So geschah und geschieht im Himmel, was uns erlöst und befreit.

Mit seiner Himmelfahrt verfolgte Jesus ein Ziel. Seine letzten Schritte auf Gott zu ging er als ein mutiges Einschreiten in der Sache. (6) Was nun werden die nächsten Schritte der Menschheit sein, die ja im Bild dichtgedrängt den Zutritt herbeisehnt? Wie gibt uns die Himmelfahrt Christi den Mut zu eigenen Schritten? Der biblische Bericht zeigt Möglichkeiten auf. Die erste heißt: Abwarten und herbeisehnen. Denn den ersten Augenzeugen wurde gesagt: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ Die zweite Möglichkeit sagte Jesus kurz vorher: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ Das ist das Programm für unsere Schritte, die ihr Vorbild haben im Einschreiten Christi zur Klärung mit Gott. Schon unsere ersten Schritte beginnen wir in der Kraft des Heiligen Geistes und unsere nächsten Schritte werden weiten Raum greifen. Dieses „Ausschreiten“ steht zwar im Kontrast zu unserer kirchlichen Wirklichkeit, die Himmelfahrt Christi mit ihren Folgeereignissen im Himmel und auf Erden eröffnen uns aber eine neue Losgeh-Lust. Ein Liedvers (7) sieht es so: „Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise; und ist er noch so klein, er zieht doch große Kreise. Wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt, da wirkt sie fort in Tat und Wort hinaus in unsre Welt.“ Amen

1) Salvador Dali „Aufstieg“, Deckengemälde im „Palast des Windes“, Figueres 1958; 2) Ilona Schmitz-Jeromin „Aus den Augen entschwunden“ in: „Ein Segen sein“, Limburg; 3) Heilsbronner Rechtfertigungsbild, Johann Deyg, 1511, hier: Andreas Praefcke, Heilsbronn Münster Marienaltar RechtfertigungsbildCC BY 3.0; 4) Andreas Praefcke in: „Gottes Zorn und Gnade“, private homepage; 5) vgl. Ulrike Häusler in: „Zeitsprung“, Zeitschrift für den Religionsunterricht in Berlin und Brandenburg, Heft 2 2010, S. 7ff; 6) gelegentlich auch „Interzessionsbild“; 7) Übersetzung Manfred Siebald; Original: „It only takes a spark“ Text: Paul Janz 1969, Melodie: Kurt Kaiser

Vorschlag Lieder:

SvH 018 „Wir feiern deine Himmelfahrt“ (Mel 326 Sei Lob und Ehr; D. Block)

fT 145 „Die Seele wird frei“ (F. Baltruweit/J.v. Lingen)

fT 150 „Justificatio sola fide“ („Allein aus Gnade“; M. Kunze/D. Falk)

„Schaut nicht hinauf!“ in: Songs für Jesus 2, Nr 46 (L. Hoffmann, F. Mausberg, K. Norres, L. Schuhen)

„Zu Pfingsten singt die Christenheit“ (Mel Jauchz, Erd, und Himmel; P. Spangenberg)

„Aus den Augen entschwunden“, in: „Ein Segen sein“ Nr 519 (I. Schmitz-Jeromin)

Vorschlag Gebet:

Gott, wie gern möchte ich mit aufrechtem Gang durch mein Leben gehen. Doch du weißt, wie oft ich mit

zitternden Knien dastehe. Ich vermeide Situationen, wo ich einen Standpunkt vertreten müsste. Ich ziehe mich zurück.

Gott, wie gern möchte ich mutig Position beziehen, aufstehen und meine Meinung sagen. Doch du weißt, wie oft mir die Stimme versagt oder die Luft wegbleibt. Ich schweige und ziehe mich zurück.

Gott, ich brauche deine Rückenstärkung und Ermutigung. Jeden Tag neu. Amen.

(Monika Lehmann-Etzelmüller, evgl. Landeskirche in Baden, 2017)

Manfred Mielke, Pfarrer der EKiR im Ruhestand, geb 1953, verheiratet, 2 Söhne. Sozialisation im Ruhrgebiet und in Freikirchen. Studium in Wuppertal und Bonn (auch Soziologie). Mitarbeit bei Christival und Kirchentagen. Partnerschaftsprojekte in Ungarn (1988- 2011) und Ruanda (2001-2019). Musiker und Arrangeur.

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