Etwas durchklingen lassen

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Etwas durchklingen lassen

Predigt über Römer 5, 1-5 verfasst von Manfred Mielke |

Liebe Gemeinde,

zuerst waren es nur ein paar dünne Holzbretter, doch mit einigen Arbeitsschritten wurde daraus eine wohlklingende Gitarre. So bestaunte ich es während einer Führung durch eine kleine Gitarrenmanufaktur. („Lakewood“ in Rödgen bei Gießen) Den rohen Brettern sah man nicht an, was aus ihnen werden würde, aber dem Endergebnis sah man die vielen Arbeitsschritte sehr wohl an. Sie waren geleimt, lackiert und justiert, wobei die Arbeitsschritte nacheinander erfolgten; vorher rohes Holz, zum Schluss eine wunderbare Gitarre.

Im Römerbrief berichtet Paulus auch von einer Abfolge, allerdings in seiner Vergewisserung. Sie beginnt mit einer rohen „Bedrängnis“ und führt zur „Liebe Gottes“. Paulus führt uns wie durch eine Werkstatt Gottes, wenn er im Römerbrief schreibt: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“  (Römer 5, 1-5)

 

Liebe Gemeinde,

Paulus erarbeitet sich eine Vergewisserung, bei der er jeden Einzelschritt bemerkt. Uns beeindruckt seine erreichte Gewissheit. Zugleich aber schimmert durch, dass das „Vorher“ für ihn sehr belastend war. Ich denke, dass wir uns in ähnlichen Ausgangslagen sehen.

Wenn er sagt: „Nun, da wir Frieden haben mit Gott“, dann gab es vorher einen Unfrieden.

Wenn er sagt: „Nun haben wir Zugang zur Gnade“, dann waren wir vorher in Ungnade eingeschlossen.

Wenn er sagt: „Nun erfüllt uns Liebe“, dann herrschte vorher großer Liebesmangel.

Zu jeder Veränderung auf unserer Seite gibt es eine Vorgehensweise Gottes. Er ist der alleinige Verursacher für unseren neuen Gottesfrieden, für den Gnadenzugang und die Liebesfülle.

 

Liebe Gemeinde,

den Wandel von unserem Unfrieden zu einem lebendigen Gottesfrieden vollzog Gott durch Jesus Christus. Paulus nennt ihn bewusst „unseren Herrn“. So stellt er ihn uns voran und bindet uns in eine Gemeinschaft. Mit welcher Abfolge aber hat Gott den Unfrieden zum Frieden gewandelt? Dazu lasen Paulus und die ersten Christen im Jesajapropheten vom Gottesknecht: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesus erlitt eine grausame Prozedur mit Verachtung und Ausgrenzung, Folter und Tötung. Es waren zutiefst menschliche Taten, die Gott nicht initiiert hatte. Dazu bekennen wir unseren religiösen Irrtum: „Wir hielten ihn für den, der eigentlich von Gott gemartert wurde, aber fürwahr – er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.“

Diesen Irrtum einzugestehen ist der entscheidende Schritt auf unserer Seite, dem auf Gottes Seite dann die Auferweckung seines Sohnes an Ostern entspricht. Unser Glaube entsteht im Ineinandergreifen der Schritte Gottes und unserer Ehrlichkeit. In diesem Sinn bekennen wir mit Paulus: „Wir sind gerecht geworden, indem wir das glauben; dadurch entstand unser Friede mit Gott – durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Der Weg zum Frieden mit uns selbst und mit Gott umfasst also die Stationen des Kreuzwegs Christi, inklusive seiner Auferweckung. Dass er ihn ging, bewirkt in uns einen Genesungsprozess, und somit gilt: „durch seine Wunden sind wir geheilt.“

 

Liebe Gemeinde,

Pauls schreibt weiter: „Durch ihn haben wir auch den Zugang … zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird.“ Paulus erklärt die Gnade Gottes mit der Vorstellung eines Gebäudes. Wir durften eintreten, wir stehen drin und nun füllen wir diesen Raum. Vorbild dazu ist der Tempel in Jerusalem mit seinen großen Events der Buße und Begnadigung. Aber vorher: Hände waschen! – was symbolisch meinte: Hände weg von aktiver Ungerechtigkeit! Denn wer sich vom Schmutz trennt, den er kennt, darf über die Schwelle treten, der steht überwältigt in der Gnade, der hilft, den Raum auszufüllen. – Dass Gnade auch eine räumliche Ausdehnung haben kann, ahnen wir angesichts der weltweiten Gesundheitslage. Auf meinem Weg zur Uni kam ich oft an einer Pestkapelle vorbei; sie war errichtet worden, weil 1666 die Epidemie den Ort (Godesburg bei Bonn) verschont hatte. Falls die neue Bedrohung uns verschont, wäre es pure Gnade.

Der Raum, in dem wir den Zugang zum Gottesfrieden finden, erstarrt nicht zu einer Echokammer. In ihm rühmen wir uns zwar „der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird.“ Die aber wird dringend gebraucht bei noch-Verängstigten und noch-Bedrängten. Uns wurden so die Schritte zur Gnade nachvollziehbar: Sich klären, sich hineinbegeben, sich aufrecht hinstellen, ins Lob Gottes einstimmen und in neuem Wagemut losgehen.

 

Liebe Gemeinde,

Gott erwirkte durch Christus uns neuen Frieden und stellte uns in den weiten Raum der Gnade. Als nächstes schreibt Paulus: „Nun erfüllt uns Liebe“. Welche Einzelmaßnahmen ergreift Gott, um uns aus der beklemmenden Bedrängnis zur erfüllenden Liebe zu führen? Paulus listet sie aus seinem Erleben und Mitleiden detailliert auf und sagt: „Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“

Dass Gott seine Liebe uns anvertraut, ist kein später Orden für unser Lebenswerk, sondern ist Energieeinspeisung mittendrin. Wir leiden unter der zwanghaften Verkettung unserer Miseren, aber die Energie Gottes bewahrt uns vor dem zuschanden-Werden. Der Vorgang gleicht einem Hinüberschütten: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen.“ Es ist ein festlicher Moment, wenn uns ein Kellner etwas Edles einschenkt. Der 23. Psalm beobachtet die Handlungen Gottes genau: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit heiligem Öl und schenkest mir voll ein.“

Die Geröllwege und die finsteren Täler führten den Hirten nicht zwangsläufig zu dem Trinkbecher, doch sind alle seine Strapazen gut versorgt, wenn er mit geschlossenen Augen seinen Kopf gesalbt bekommt. Ich kann das nachvollziehen: Unter Leid ist das finale Glück noch nicht greifbar, aber in der Genesung sind alle Strapazen eingebettet.

 

Liebe Gemeinde,

indem Jesus die Passionswege ging und sich auferwecken ließ, reparierte er unseren Unfrieden. Wir gehen die Schritte in den Raum der Gnade und wieder hinaus in den Alltag. Unseren Liebesmangel gleicht der Heiligen Geist durch ein Hinüberschütten aus, womit er uns Widerstandskräfte einschenkt.

So vollzieht Gott zu unseren Gunsten viele Einzelmaßnahmen. Sie machen uns in unserem Glauben gewiss und erfinderisch. Dazu ein Schlussbild:

Als ich Vikar war, lernte ich einen alten, zittrigen Mann kennen, der den Jubilaren seines Seniorenkreises auf einer Mundharmonika telefonisch ein Ständchen spielte. Er erzählte mir, dass er als junger Soldat im Schützengraben Gesangbuchlieder auf der Mandoline begleitet hat, wofür er vom Kompaniechef jedes Mal ein Glas Kunsthonig bekam. Ich erzähle dies, weil sein Spielen alle bewegte. Seine Glückwünsche waren geprägt vom Überleben der Kriegsgefangenschaft. In seinen Melodien klang die Hoffnung durch, die ihn damals bewahrt hatte, zuschanden zu kommen. Das mag uns ein Vorbild sein, in alltäglichen Dingen durchklingen zu lassen, dass wir in Gott gut versorgt sind. Amen

 

 

Vorschläge für Lieder:

 

EG 92 Christe, du Schöpfer aller Welt

EG 558 Nun ziehen wir die Straße

EG 555 Loben wollen wir und ehren

 

Wortlaute 54 Glauben heißt: Christus mit Worten zu nennen

Wortlaute 113 Geh mit uns auf diesem Weg

Gotteslob 288 Hört das Lied der finstern Nacht

 

Fürbitte der EkiR für die Christen in Syrien zu Psalm 25 mit 2 Stimmen (gekürzt)

 

Stimme 1: Nach dir, Herr, verlangt mich. Mein Gott, ich hoffe auf dich. Stimme 2: Ich fühle mich hilflos, wenn ich an die Situation der Christinnen und Christen in Syrien denke. Gibt es noch Hoffnung für ganz Syrien? Wir rufen: Kyrie eleison…

Stimme 1: Lass mich nicht zuschanden werden, dass meine Feinde nicht frohlocken über mich. Stimme 2: Syrien ist eins der Ursprungsländer des christlichen Glaubens. Saulus, der Christenverfolger, wurde vor Damaskus zu Paulus bekehrt. Dürfen die Verächter unseres Glaubens heute die Oberhand gewinnen? Wir rufen: Kyrie eleison…

Stimme 1: Zuschanden werden die leichtfertigen Verächter. Stimme 2: Ist es so, Gott? Werden die Verächter wirklich zuschanden, wo es in Idlib und Raqqa kaum noch Christen gibt? Wir bringen vor Dich die Not derer, die unermüdlich ausharren, in Aleppo und anderswo, um dein Wort zu verkünden und Versöhnung zu üben. Wir rufen: Kyrie eleison…

Stimme 1: Herr, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige! Stimme 2: Was können wir tun, Gott, dass wir uns von Hass und Gewalt und Hoffnungslosigkeit nicht anstecken lassen? Was können wir tun, um solidarisch mit unseren christlichen Schwestern und Brüdern in Syrien zu sein? Wir rufen: Kyrie eleison…

Stimme 1: Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich! Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf dich. Stimme 2: Ich denke an die Menschen, die nicht müde werden, Hoffnung weiterzugeben. Die zu Brückenbauern zwischen den Religionen und Bevölkerungsgruppen werden. Gib ihnen Kraft, durchzuhalten! Wir rufen: Kyrie eleison…

Stimme 1: Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind. Stimme 2: Lehre uns Deine Barmherzigkeit. Gib uns Kraft, auf die zuzugehen, die ohne Hoffnung und ohne Zukunft sind. Hilf uns, nicht gleichgültig zu werden und zu verhärten. Wir rufen: Kyrie eleison…

 

 

 

Manfred Mielke, Pfarrer der EKiR im Ruhestand, geb 1953, verheiratet, 2 Söhne. Sozialisation im Ruhrgebiet und in Freikirchen. Studium in Wuppertal und Bonn (auch Soziologie). Mitarbeit bei Christival und Kirchentagen. Partnerschaftsprojekte in Ungarn und Ruanda. Instrumentalist und Arrangeur.

 

Mielke, Manfred, Pfarrer i.R.

Manfred.Mielke@ekir.de

Am Bosserhof 13 a

46519 Alpen

 

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