Exodus 20

Exodus 20

 

Predigten und Texte zum Dekalog, April 2002
Reflexion zum 8. Gebot, Michael Plathow

Du sollst
kein falsch Zeugnis reden
wider deinen Nächsten.

M.Luthers Erklärung im Kleinen Katechismus:

Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir unsern Nächsten
nicht belügen, verraten, verleumden
oder ins Gerede bringen,
sondern
sollen ihn entschuldigen,
Gutes von ihm reden
und alles zum Besten kehren.

Einige Bibeltexte:

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. (Ex
20,16)

Die Hohenpriester aber und der ganze Rat suchten falsches Zeugnis wider
Jesus, um ihm zum Tode zu bringen und sie fanden keins, obgleich viele
falschen Zeugen herzu kamen. Doch zuletzt kamen zwei und sagten aus: Dieser
hat gesagt: ich kann den Tempel Gottes zerstören und nach drei Tagen
aufbauen. Und der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: Antwortest
du nichts auf das, was diese wider dich zeugen? Jesus aber schwieg. (Mt
25, 59ff)

Siehe, auch die Schiffe, die so groß sind und von heftigen Winden
getrieben werden, sie werden von einem ganz kleinen Steuerruder geleitet,
wohin die Absicht des Steuernden will. So ist auch die Zunge ein kleines
Glied und rühmt sich großer Dinge. Siehe, ein kleines Feuer,
was für einen großen Wald zündet es an! Auch die Zunge
ist ein Feuer. Als die Welt der Ungerechtigkeit erweist sich die Zunge
unter unseren Gliedern, sie, die den ganzen Leib befleckt und den Kreis
des Lebens in Brand steckt und von der Hölle in Brand gesteckt wird.
Denn jede Kreatur, wilde Tiere wie Vögel, Kriechende wie Meertiere,
wird gezähmt von der menschlichen Kreatur; die Zunge aber kann kein
Mensch zähmen. Sie ist ein ruheloses Übel voll tödlichen
Gifts; mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr verfluchen
wir die Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. Aus demselben
Munde geht Preis und Fluch hervor. Das soll, mein Bruder, nicht so sein.
(Jak 3,4ff)

Nach M.Luther schützt das 8.Gebot „die Ehre des Nächsten.
a) Im Alten Testament bezog es sich auf den Zeugen (und den Richter) im
öffentlichen Prozeß. b) In seinem geistliche Sinn umspannt
es auch den guten Streit für die Wahrheit des Evangeliums. c) Es
ist zugleich auszuweiten auf „alle Sunde der Zungen, dadurch man
den Nächsten mag Schaden tuen oder zu nahe sein“ (Albrecht Peters,
Kommentar zu Luthers Katechismus, Bd I, Göttingen 1990, 282).
In „Eine einfältige Weise zu beten für einen guten Freund“
(1535), wo Luther die Gebote als „vierfach gedrehtes Kränzlein“,
eben als Lehre, Danksagung, Beichte und Gebet , entfaltet, schreibt er:
„Das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis etc. Das lehrt erstlich
und wahrhaftig untereinander sein und allerlei Lügen und Verleumdung
meiden, gern das beste von andern reden und hören, und ist damit
unserm guten Ruf und Unbescholtenheit eine Mauer und Schutz gestiftet
wider böse Mäuler und falsche Zungen, welche auch Gott nicht
ungestraft lässt, wie von andern Geboten gesagt.

Das sollen wir ihm danken, beide, für die Lehre und Schutz, die
er uns so gnädig hiermit gibt.
Und zum dritten beichten und Gnade begehren, dass wir unser Lebtag so
undankbar und sündig zugebracht haben mit Lügen, falschen, bösen
Mäulern wider unsern Nächsten, dem wir doch schuldig sind Rettung
aller seiner Ehre und Unschuld, wie wirs selbst gern hätten.
Zum vierten bitten wir um Hilfe, solch Gebot hinfort zu halten, und um
eine heilende Zunge etc.“ (WA 38. 372, 3-15).

Ignatius, ex spir. 22 : “ Jeder gute Christ muß mehr
dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig
zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht zu rechtfertigen,
so forsche er nach, wie jeder sie versteht; versteht jener sie aber in
üblem Sinn, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt,
so suche er nach allen angemessenen Mitteln, damit jener zu ihrem richtigen
Verständnis gelange und so sich rette“.

Horst Opaschowski, „Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends
für unser Leben von morgen, Darmstadt 2002, 266: das 8.Gebot für
das 21. Jahrhundert „Du allein kannst es – aber du kannst es nicht
allein: Hilf anderen, damit auch die geholfen wird“.

Sprechen und Schweigen repräsentiert und schafft Wirklichkeit.

Sprechen und Schweigen kennzeichnet die Begegnungen und die Kommunikation
der Menschen miteinander. Und die Sprache zeichnet den Menschen aus. Im
Sprechen und Schweigen zeigt sich, was für ein Mensch jemand ist;
denn „wes das Herz voll, des geht der Mund über“. Zugleich
schafft und zerstört Sprechen und Schweigen menschliche Beziehungen,
erhellt, erstellt und verdunkelt , verwirkt Wirklichkeit. Die weisheitlichen
Sprichwörter
als in Worte geronnene Erfahrungen der Menschen
vieler Generationen zum Reden mit, für und über den Nächsten
lehren dies einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft, in
der einerseits die Worte in Gesetzgebung und Verträgen, in politischen
Botschaften und in der Werbung hohe semantische und pragmatische Bedeutung
haben, andererseits ein Gewirr von Wortschwall auf die Menschen herabstürzt
und so mancher in die Informationsfalle abdriftet.

„Achte nicht auf alles, was geredet wird“ (Prov 7, 22). Die
Lippen der Schwätzer reden, was sie nicht angeht; auch findet weniger
die Kraft der Worte als der äußere Status eines Redners Beachtung:
„Redet ein Reicher, so schweigen alle und erheben seine Worte bis
in die Wolken; doch redet der Arme, so heißt´s: „Wer
ist der?“ und stößt er an, so bringt man ihn vollends
zu Fall“ (Sir 13, 22f).

Worte töten und machen lebendig. „Das Geschwätz des viel
Schwörenden macht die Haare sich sträuben, und vor ihrem Gezänk
hält man sich die Ohren zu. Zu Blutvergießen führt der
Streit der Übermütigen und ihre Schmähreden sind widerwärtig
anzuhören“ (Sir 27, 12-14). „Köstliches Silber aber
ist die Rede des Frommen“ (Prov 10, 20); er redet friedsam mit dem
Nächsten (Jer 9, 8), verstehend und vertrauend, u.zw. „von Mund
zu Mund“ (Jer 32, 4).

In diesem Sinn mahnt der Kolosserbrief (4, 6) :“Eure Rede sei allezeit
lieblich, mit Salz gewürzt“ und die Bergpredigt: „Deine
Rede sei Ja, Ja und Nein, Nein!“ (Mt 5, 37).

Vor dem Vielredner wird gewarnt (Prov 20,19) wie vor dem „mit glatter
Zunge und mit doppeltem Herzen“ (Ps 12, 3); seine „kränkende
Rede erregt Zorn“ (Prov 15,1); sie „kommt dem Tod gleich“
(Sir 23, 12), sie führt in den Tod. In der Bergpredigt erfahren diese
Spruchweisheiten ihre Verschärfung: „Wer zu seinem Bruder sagt:
Raka! soll dem Hohen Rat verfallen sein. Wer aber sagt: Du Tor! soll der
Hölle mit ihrem Feuer verfallen sein“ (Mt 5, 22).

Angesichts des Stimmengewirrs und des Wortstreits denkt der Psalmist:
„Ich schweige, um nicht unbesonnen zu reden“. Er hüllt
sich in Schweigen, denn „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“.
Aber da ist auch das schuldhafte Schweigen, ein Totschweigen, so dass
der „Rest Schweigen ist“.

Es gibt ebenso das prophetische Schweigen, ein beredtes Schweigen. Jesus
verharrte im Schweigen, als er vor dem Hohenpriester stand; er antwortete
erst auf die ihn in seiner Identität als Gottessohn betreffenden
Frage (Mt 14, 62). Jesus schwieg auch angesichts der letztgültigen
Richtersprüche über die Ehebrecherin, um dann für sie zu
reden: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten
Stein“ (Joh 8, 7). So sprach Jesus für seine Henker am Kreuz:
„Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk
23, 34); so tritt der Geist Gottes für uns ein mit unaussprechlichem
Seufzen, wenn wir sprachlos geworden sind (Röm 8, 28).

„Reden hat seine Zeit; Schweigen hat seine Zeit (Pr 3, 7). Worte
töten und machen lebendig; Schweigen kann töten und reden. Dabei
erweist sich Mt 18, 15ff als biblisches Modell für den Umgang mit
Konflikten etwa durch Zungensünden.

Auch für das Reden und Schweigen gilt schließlich die „goldene
Regel“: „Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen,
das tut ihnen auch“ (Mt 7, 12).

H. Lamparter hat in „Das Buch der Weisheit, Prediger und Sprüche.
Die Botschaft des Alten Testaments, Bd 16 I, 1975 (3), 276 ff sechs Aspekte
zusammengestellt für den richtigen Wortgebrauch:
1. Der gute Ruf – „köstlicher als Reichtum“.
2. Der Frevel der Verleumdung – „eine Torheit, aus Haß geboren“.
3. Die Verdrehung des Rechtes – der falsch Zeuge ist „wie ein Streithammer,
Schwert und scharfer Pfeil“.
4. Das Schwert der Zunge. „Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt“.
5. Die Zucht der Rede. „Wer seine Zunge hütet, bewahrt sein
Leben“.
6. Das helfende Wort. „Ein Mund, der Vernünftiges redet, ist
ein edles Klei-
nod“.
(Nach: Theo Sorg (Hg.): Dekalog heute, Stuttgart 1979, 119)

Im Alten und Neuen Testament wird das 8. Gebot weiter im prozessrechtlichen
Sinn
verstanden. M. Buber übersetzt dieses Gebot: „Sei nicht
im Gefolge einer Mehrheit zum Bösen. Stimme im Streitfall nicht so,
dich zu beugen als Gefolg der Mehrheit und so zu biegen“. So setzt
etwa Absalom Afterrede und Meineid von Lügenzeugen ein, um an die
Macht zu kommen (2.Sam 15); der König Ahab scheut vor dem inszenierten
Justizmord nicht zurück, um an Nabods Weinberg zu kommen (1.Kön
21). Im Neuen Testament sagen falsche Zeugen gegen Jesus aus (Mt 25, 59ff).
Immer wieder lassen sich Lügenzeugen finden, die Worte im Munde verdrehen
oder Worte in den Mund legen und so Ehrabschneider und Rufmörder
werden, indem sie dem guten Ruf eines anderen schaden und seine Ehre beschmutzen
oder zerstören.

Schließlich weisen die Zeugnisse des Alten und Neuen Testaments
immer wieder auf die wahrheitsgemäße Rede von Gott in der
Verkündigung und im Gotteslob
. „Höre, Israel, der Herr
ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft“
(Deut 6,4f). Die Propheten predigen darum die Umkehr zu Gott; doch die
Gotteslästerer „halten des Herrn Wort für Spott und wollen
es nicht haben“ (Jer 6,10). Gott aber, der sich dem Moses vorstellte
als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs „Ich werde dasein für
dich als der ich dasein werde“ (Ex 3,14), er ist der Erste und Letzte
(Jes 41,4), der Schöpfer und Erlöser (Jes 45, 18-25), der heilige
Gott, dem das Gotteslob gilt (Jes 6,3). Jesus predigt das Reich Gottes,
das angebrochen ist in seiner Verkündigung des „größten
Gebotes“ (Mt 25, 37ff), in seinem Heilen und Hinwenden zu den Randmenschen,
in seiner Person, seiner Kreuzigung und Auferstehung am dritten Tag. Dieses
Evangelium wird als „Weg, Wahrheit und Leben“ verkündigt
(Joh 12, 46; 1.Kor 3,16) zum Heil der Menschen (Röm 1,16f; 1. Kor
15, 20). Lauter und wahrhaftig ist zu verkündigen (2. Kor 2,17; 4,
1-6) : Jesus Christus, der Erste und der Letzte und der Lebendige (Offb
1, 17f; 22, 13), ihm sei Ehre in Ewigkeit (Phil 2, 10f; Offb 5, 12).

Sprechen mit und zu Gott und Sprechen mit und für den Nächsten:
Gott loben und den Nächsten segnen.
Das 8. Gebot und das 2. Gebot sind als Freiheitsworte Gottes zum
Leben aufeinander bezogen. Wie Gotteserkenntnis und Erkenntnis des Menschen
in ihrer Unterschiedenheit aufeinander bezogen sind als „Sache der
Theologie“, so auch die Rede von Gott und dem Menschen. Dabei gründet
die Rede von Gott im Reden mit Gott um nicht verobjektivierende Rede über
Gott zu werden, und das Reden vom Menschen im Reden mit dem Menschen,
um nicht instrumentalisierendes Reden über den Menschen zu werden.
Es geht um die Ehre Gottes und des Menschen.
Das 8. Gebot gibt Weisungen auf drei Beziehungsebenen mit dem Nächsten:

1. für die Rede in prozessualen Öffentlichkeiten: Gericht, Politik,
Medien;
2. für die private und öffentliche Rede von Gott: Verkündigung,
Gotteslob;
3. für die Rede mit und für den Nächsten.

 

Meditation

Es wird erzählt, dass eine Frau die verleumderische Nachrede über
eine Nachbarin in fast 500 Briefen mit ihren Worten zurückerhielt
nach nur einer Woche. Diese fast spielerisch anmutende Geste weist in
materialisierte Form auf die Wirkung von Verleumdungen, üblen Nachreden,
Ehrabschneidungen. Paul Weber zeigt in seinem Bild „Gerücht“
die krakenartige Gefangennahme von Menschen, Nachbarschaft und Mitwelt
durch zerstörerische Hintertragungen, beleidigende Herabsetzungen,
erlogene Denuntiationen. Wie der infizierende Pesthauch breitet sich das
Gerücht totbringend aus. Worte können töten, indem sie
den Namen der Person – und damit den Menschen selbst – verletzen, ihm
die Ehre rauben, ihn sozial isolieren und so wie Max Frischs „andorranischen
Juden“ zum Es machen, zum instrumentalisierten, benutzten und vernutzten
Objekt ohne Menschenwürde. Die Sünde manifestiert sich so für
K.Barth nicht nur als Hochmut und Trägheit, sondern auch als Lüge
(KD IV 3), eben als Zungensünde. Heilung schafft das persönliche
Gespräch und das Wort der Vergebung.

Worte können lebendig machen. Der freundliche Gruß, die teilnehmende
Bemerkung kann Beziehungen herstellen und Brücken bauen. Das empathische
Gespräch kann neue Perspektiven eröffnen; die zum besten kehrende
Fürsprache kann Hoffnung geben; das vergebende Wort schenkt Leben.
Das stellvertretende Fürsein, die Fürsprache und das Vergebungswort
aber gestaltet sich als das „Lebensprinzip der christlichen Gemeinde“
(D. Bonhoeffer). Ja, Worte töten und machen lebendig.

„Die Wahrheit darf man doch wohl sagen!“. „Was Recht ist,
muß Recht bleiben!“. Der trotzige Ton verrät das Rechthaberische;
er ist auf den Splitter im Auge des anderen fixiert. Da wird gerichtet
gnadenloser und endgültiger als Jesus je ein Urteil aussprach oder
Gott den Richterspruch im ewigen Gericht nach seinem Erbarmen fällen
wird. Da wird das „letzte“ Gericht im Urteil über einen
anderen vorweg genommen. Jesus schwieg, als selbst ernannte Richter die
Ehebrecherin steinigen wollten; schließlich sprach er:“ Wer
unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“. Wahrheit
und Liebe dürfen beim Sprechen und Schweigen nicht auseinander fallen.
So gibt es auch die tarnende Rede, weil die Würde des Menschen unantastbar
ist und das Leben eines anderen Menschen heilig.

Schweigen ist gewiß nicht immer Gold. Das verschämte Wegsehen
von den Tätern und den Opfern verhindert die Reinigung des Gedächtnisses,
das Verschweigen der Wahrheit die Ehrenrettung, die Reputation, die Wende
zum Guten für den Nächsten, d.h. zum Segen für ihn. Gutes
für einen anderen sagen, meint segnen.

Es geht beim 8. Gebot um den verantwortlichen Gebrauch der Sprache.
Rechtes Reden und rechtes Schweigen ist letztlich ermöglichtes Reden
und ermöglichtes Schweigen: von Gott ermöglichtes Reden und
Schweigen zur rechten Zeit. Der existentiell denkende Frömmigkeitstheologe
M. Luther hat vom biblisch-reformatorischen Gedächtnis her folgendes
Kriterium vor Augen: wie es in der Theologie um die richtige Gottes- und
Menschenerkenntnis geht, nämlich dass der Mensch Sünder ist
und sein Leben vor Gott verwirkt, Gott aber ihn gnädig rechtfertigt
und ihm Heiland ist in Jesus Christus, so wird Gott geehrt im preisenden
Gotteslob und in der schriftgemäßen Rede von Gott und dem Menschen
die Ehre gegeben im fürsprechenden und segnenden Wort.

1. Zunächst geht es um die Rede in den prozessualen Öffentlichkeiten:
Gericht, Politik, Medien; M. Luther nennt sie den weltlichen Bereich,
wo Werte als regulative Prinzipien geordneten und friedlichen Zusammenlebens
Beachtung finden.

Im prozessrechtlichen Verfahren wendet sich das 8. Gebot gegen falsche
Zeugenaussagen der Lügenzeugen, gegen Meineide, betrügerische
Anschuldigungen, verlogene Ehrenworte, gekaufte Gefälligkeitsgutachten.
Der Wert der Integrität und Wahrhaftigkeit des Zeugen und der Zeugenrede
erfährt hier Geltung. So kann das Gericht nach Recht und Gerechtigkeit
entscheiden.

Im Blick auf das politisch verantwortliche Verhalten und Handeln wendet
sich das Gebot gegen „falsches Zeugnis geben“ durch die Diskrepanz
von öffentlicher Verpflichtung der Bürger und privatem Verhalten
politisch Verantwortlicher etwa bei Korruptionsskandalen, Parteienfilz,
Vorteilserschleichung, abgekaterte Spiele, „Informelle Informanten“
und „Spitzel“, vorsätzlich geschönte Wählerversprechen,
falsche Informierung der Öffentlichkeit, Karrieresucht und Parteigehorsam
zum Nachteil des Allgemeinwohls und der Wertegemeinschaft. Die Werte von
Glaubwürdigkeit und Echtheit als Zusammenklang von Reden und Tun,
Sprechen und Leben finden hier Geltung. Politiker sollen verantwortungsvoll
mit ihrer Macht dem Allgemeinwohl dienen.

Im Blick auf die Mediatisierung unserer Kommunikationsgesellschaft wendet
sich das Gebot gegen täuschende Falschmeldungen, gelenkte Indiskretionen,
paparazzihaftes Bloßstellen der Privatsphäre und Verletzung
der Menschenwürde; skandalöses Aufbauschen um der Einschaltquoten
oder Auflagenanteile willen, Manipulation von Worten und Bildern. Demgegenüber
soll – mit der hohen Verantwortung, die durch die Presse- und Medienfreiheit
gegeben ist, durch exaktes Recherchieren umfassend und richtig informiert
werden und Hilfe für einen eigenständig verantworteten Meinungs-
und Urteilsbildungsprozeß gegeben werden für „mündige
Bürger“. Es geht um den Wert der zuverlässigen Information.

Das 8. Gebot gibt also Weisungen in die Freiheit für eine von Werten
wie Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit getragenen
und bestimmten Gesellschaft – also auch für die Verantwortlichen
in Gemeinden und Kirchen.

2. „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnützlich
führen“ – mit diesem Gebot Gottes ist die Weisung „Du sollst
den Namen deines Nächsten nicht missbrauchen“ verbunden. Ebenso
ist das Gebot „Du sollst nicht falsches Zeugnis reden wider deinen
Nächsten“ nicht zu trennen von der Weisung „Du sollst nicht
falsch reden von und über Gott“., d.h. Gott verspottend, Gott
– etwa politisch – instrumentalisierend, über Gott als einem Objekt
verfügend und so Gott lästernd. Sowohl im Gebet und Lobpreis
zu und mit Gott als auch in der reflektierten Rede von Gott sprechen wir
mit menschlichen Wörtern analog und metaphorisch die Gottesrede.
Wie Gottes- und Nächstenliebe in ihrer Unterschiedenheit nicht von
einander zu trennen sind, so auch das Reden mit und von Gott und das Reden
mit und für den Nächsten, aber eben auch das falsche Zeugnis
von Gott und vom Nächsten. Gott loben und den Nächsten segnen
gehören zusammen beim richtigen Gebrauch der Worte, die Wirklichkeit
repräsentieren und eröffnen.

Über jedes Wort aber, das aus unserem Mund geht, werden wir Rechenschaft
abzulegen haben. Wer kann da bestehen? Wer kann bestehen, wenn es nicht
Vergebung gibt? Gottes verheißende Zusage verspricht, dass er unseren
Mund rein machen will und alles , was aus ihm kommt: die Worte und die
Wirkung der Worte. Trost der Vergebung, Hoffnung auf Erneuerung bedeutet
das für die Glaubenden. „Lieber himmlischer Vater, nimm uns
in Deine Gnade auf, auch unser Reden und Schweigen. Reinige und erneuere
es und segne es“.

Gebet:

„Erneuere mich, o ewiges Licht,
und laß von deinem Angesicht
mein Herz und Seel mit deinem Schein
durchleuchtet und erfüllet sein.

Schaff in mir, Herr, den neuen Geist,
der dir mit Lust Gehorsam leist,
und nichts sonst, als was du willst, will,
ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

Auf dich laß meine Sinne gehen,
laß sie nach dem, was droben, stehn,
bis ich dich schau, o ewiges Licht,
von Angesicht zu Angesicht“.

Prof. Dr. Michael Plathow
Franz-Kafka-Str.15
69221 Dossenheim

 

 

 

 

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