Exodus 2,1-10

Exodus 2,1-10

 Christfest I | 25.12.2023 | Ex 2,1-10 | Bernd Giehl

Manchmal fängt auch ein altgedienter Pfarrer an zu staunen. Eigentlich ist Weihnachten ja ziemlich festgelegt. Nicht die Geburt eines Kindes wird gefeiert. Es geht um die Geburt eines besonderen Kindes: Jesus. Seinetwegen singen die Engel auf den Feldern. „Euch ist heute der Heiland geboren.“

Hier geht es auch um eine Geburtsgeschichte. Aber um eine andere. Die des Mose nämlich. Ebenfalls ein Religionsstifter. Nur nicht des christlichen Glaubens. Sondern des Judentums. Bedeutende Menschen haben Kindheitsgeschichten. Auch David oder Samuel.

Dies hier ist noch nicht die Berufungsgeschichte des Mose. Nur die Geschichte von einer ungewöhnlichen Geburt. Bzw. von einer Geburt und einer Rettung. Einer Rettung die notwendig ist für eine größere Rettung. Auch wenn diesmal keine Engel singen. Aber es ist ja auch noch nicht die Geschichte von Weihnachten. Allerdings erzählt auch die viel über das neugeborene Kind.  Weil nämlich der Pharao und seine Berater Angst vor den Fremden haben. Die sie selbst ins Land gelassen haben. Weil sie sich zu zahlreich vermehren.

Minderheit im eigenen Land werden, das kommt uns bekannt vor. Das dürfte   auch den Israelis von heute bekannt vorkommen. Davor fürchten wir uns. Das darf auf keinen Fall passieren. Gut, wir haben andere Mittel als die Tötung von Babys. Subtilere Mittel. Wir sperren Emigranten aus, die auf dem Weg zu uns sind. Notfalls schaffen wir sie zurück mach Afrika. Es braucht eine Menge List um dem zu entkommen.  Ob ein Körbchen aus Schilf auf dem Fluss helfen würde? Aber welchem Fluss? Es war ja nicht nur das Körbchen, das half, zur Prinzessin zu finden; es war vor allem Gottes Willen. Der jedenfalls jetzt noch unsichtbar hinter dem Geschehen stand und alles geplant hatte.  Auch die Prinzessin war wichtig und ihr ganzes Umfeld. Ganz ausdrücklich handelt sie gegen den Willen ihres Vaters. Ein erstaunliches Risiko. Keiner aus ihrem Umfeld durfte sie verraten. Aber das scheint ihr nicht wichtig zu sein. Das Risiko geht sie ein. Anders hätte Mose nicht gelernt, was er lernen musste um sein Volk später durch die Wüste zu führen.  Es ist die Planung Gottes, die das alles steuert. Wenn Engel gesungen hätten; der Pharao hätte es erfahren. Anders als in der Weihnachtsgeschichte des Lukas wird die Berufung geheim gehalten. Man kann sie nur ahnen. Und auch, dass alles andere, was später passiert, inklusive des Mords an dem Aufseher notwendig ist, um die Geschichte in Gang zu halten.

Es gibt also einen Unterschied. Die Weihnachtsgeschichte scheint abgeschlossen zu sein. Jesus ist als Gottes Sohn den Menschen bekannt gemacht worden. Gewiss wird er später noch einmal den Menschen bekannt gemacht werden. Aber das hat noch Zeit.

Die Geburtsgeschichte des Mose schreit dagegen geradezu nach Fortsetzung. Dass er als Prinz am Hof des Pharao aufwächst kann noch nicht das endgültige Ziel sein. Gott hat sich nur indirekt gezeigt. Da muss noch etwas kommen.

In dem Punkt gleicht sie eher der Weihnachtsgeschichte des Matthäus. Dort wird das Kind am Ende nach Ägypten gebracht, weil es in der Heimat verfolgt wird. Und man weiß: Es muss eine Fortsetzung geben.

Gar nicht so einfach. Ob das nun der Punkt ist, von dem aus diese Geschichte zu predigen ist? An dem sie sich zugleich unterscheiden und ähnlich genug sind? Wie gesagt: Mose ist zunächst einmal gerettet, aber seine Berufung bleibt unbekannt. Nicht zuletzt ihm selbst. Bei Lukas ist das Bleiben der Berufung zumindest vorausgesetzt, bei Mose ist sie nicht einmal klar.

ES wird also weiterhin Gottes Führung bedürfen. Es ist wie bei den Gleichnissen von Saat und Ernte die Jesus erzählt hat. Immerzu ist die Saat bedroht. Aber Gott sorgt dafür, dass alles gut geht. Er tut es, indem er zwar Mose am Hof des Pharao aufwachsen lässt ihm aber gleichzeitig seine Mutter als Kinderfrau beigibt. Dadurch entwickelt er mehr als eine Identität. Er ist ägyptischer Prinz und verachteter Hebräer. Und beides gleichzeitig. Wie ein Mensch das aushält? Vermutlich gar nicht.

Deshalb wird das Dilemma auch bald aufgelöst. Mose tötet den Ägypter, der den israelitischen Sklaven züchtigt, und diesmal kommt er noch davon. Nur: wie lange noch?

 Spätestens an dieser Stelle ist klar: Da wird die Geschichte bald eine Wende nehmen müssen.

An dieser Stelle trennen sich die Wege. Lukas malt Weihnachten eher als die erfüllte Utopie: Der Heiland ist gekommen. Die Geschichte vom Mose sagt: Er wird sein Volk herausführen aus der Sklaverei.

Machen wir es konkret. Der Eingangschoral des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach aus dem „Weihnachtsoratorium“. „Jauchzet Frohlocket. Auf preiset die Tage. Sehet was heute der Höchste getan“; spricht der nun von der Gegenwart oder der Zukunft? Es geht weiter mit: „Lasset das Klagen, verbannet das Fragen, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an.“ Selbst wenn man die großartige Musik die Bach dazu geschrieben hat, nicht kennt, weiß man: Hier ist allerreinste Gegenwart. Weihnachten ist heute geschehen auch wenn es 1734 oder 2023 Jahre her ist. Weihnachten ist Vollendung und passiert hier und heute.

Wenn wir wählen sollten, welches Modell würden wir wählen? Ich glaube die Antwort gibt sich von selbst. Sie liegt in den Tagen danach.

Es könnte also alles so schön sein. Russland müsste nur die besetzten Gebiete freigeben und den Krieg gegen die Ukraine aufgeben. Die Hamas müsste aufhören Raketen gegen Israel zu schießen und Israel müsste sich aus dem Gazastreifen zurückziehen. Und am Ende müsste es eine zwei Staaten Regelung geben, mit der beide Völker leben können.

Und das wäre ja erst der Anfang

Ob man an dieser Stelle die Weihnachtsgeschichte bemühen darf? Kommt darauf an, welche. Wenn man Lukas bemüht wird man wahrscheinlich immer dasselbe predigen. Es ist noch nicht soweit aber Gott wird es richten.

Bei 2. Mose 2 muss man genauer hinhören.  Alles muss klein beginnen, sagt die Geschichte aber auch: manchmal ist das Leben voller Verheißungen. Aus Mose, dem ägyptischen Prinz wird Mose, der Befreier Israels. Er wird Israel aus der Sklaverei in die Freiheit führen.

Wie umgehen mit unserer Hoffnung? Zitieren wir nochmals das Lied: „Alles muss klein beginnen, lass etwas Zeit verrinnen es muss nur Zeit gewinnen und endlich ist es groß.

Schau nur dieses Körnchen ach man sieht es kaum gleicht bald einem Grashalm später wird’s ein Baum.

Und nach vielen Jahren, wenn ich Rentner bin spendet er mir Schatten; singt die Lerche drin.“

An dieser Stelle möchte ich von einem Mann erzählen. Er war gerade 70 geworden. Zwei Monate später traf ihn ein Schlaganfall. Zunächst konnte er gar nichts machen. Er musste gefüttert werden. Dann begann die Therapie. Mühsam musste er wieder lernen zu stehen. Dann zu gehen. Es fiel ihm schwer, am Rollator zu laufen. Es dauerte, bis er den langen Weg von seinem Zimmer bis zum Speisesaal mit Therapeutin und Rollator laufen konnte. Nachts träumte er vom Reisen, von New York, das er nur aus Filmen und Büchern kannte.  Wie sollte er im Rollstuhl dorthin kommen? Öfters musste er Pausen einlegen bis er wieder in seinem Zimmer war. Aber er machte Fortschritte. Langsam fast unmerklich.

Dann sagte ihm die Therapeutin, dass sie glaube, er könne bis zum nächsten Frühjahr wieder gehen. Dann müsse er den Rollstuhl nicht mehr benutzen.

So kann Weihnachten beginnen.


Bernd Giehl

de_DEDeutsch