Friedensgedanken

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Friedensgedanken

Predigt zu Jeremia 29,1.4-7.10-14 | verfasst von Eberhard Busch |

Diese Worte des Propheten Jeremia reden heute zu uns. Auch wenn sie mehr als 500 Jahre vor Christi Geburt aufgeschrieben sind, es lohnt sich, hinzuhören. Sie sind verfasst in einer düsteren Zeit. Alle die Ton angebenden Leute im jüdischen Volk sind aus ihrer Heimat vertrieben und in die Fremde verstoßen, fern weg von den ihnen vertrauten Plätzen und Orten, ohne Aussicht, jemals dorthin zurück zu kommen. Heimat-Vertriebene! Oder ist etwa Heimat „ein Ort, an dem noch niemand gewesen ist“, wie der Philosoph Ernst Bloch erklärt hat? Obendrein hat der Denker Friedrich Nietzsche gewarnt: „Weh dem, der keine Heimat hat!“ Wie diesen Heimatlosen zumute ist, wissen wir aus einem erhalten gebliebenen Dokument in unserer Bibel. Darin lesen wir: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion (an Jerusalem) dachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weidenbäume, die daselbst sind. Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten, und in unserem Heulen fröhlich sein“ (Psalm 137,1-3).

Und nun schreibt jener Jeremia aus Jerusalem einen Brief an eben diese seine bekümmerten Geschwister, die da klagen wie Leute, die wegen einem nötigen Mundschutz aufbegehren. Doch Jeremia stimmt in dem Brief einen heiteren Ton an. Er heißt sie in ihrem „Heulen fröhlich sein“. Er verstärkt nicht ihre Sehnsucht nach der alten Zeit. Er klagt auch nicht Gott an, als habe der einen Fehler gemacht. Er sagt nicht, sie seien gottverlassen, wenn sie nun so traurig dran sind. Ist er nicht fahrlässig leichtsinnig? Vertröstet er sie etwa auf ein St. Nimmerlein? Er nimmt ja nun gleichsam eine ihrer beiseite gelegten Harfen in seine Hand und stimmt darauf ein Loblied an: „Wachet auf, Harfe und Zither! Ich will aufwecken die Morgenröte!“ (Ps 57,8f) Warum? Darum: Wir dürfen auch im schlimmsten Fall mit dem lieben Gott rechnen. Er hat nicht abgedankt. Er lässt euch nicht im Dunklen stehen. Er steht euch bei. Er hat in all dem Ernstfall seine Helferhand im Spiel. Er regiert. Entscheidend hat jetzt Er das Heft in der Hand und haben es nicht die falschen Propheten, die sich für ihre Verkehrtheit erst noch auf Gott berufen.

Wie Ihr auch dran seid, Er, unser Gott und euer Gott, hat in jeden Fall „Gedanken des Friedens“. Er hat sie im Blick auf sein Volk Israel, wie es ergreifend feierlich in den Psalmen ausgerufen wird: „Friede über Israel!“ (Ps 128,6). Und ebenso ruft er es aus im Blick auf seine übrigen Menschen. In seiner Barmherzigkeit hat Gott Gedanken des Friedens auch über uns, in unsrer erneut düsteren Zeit. Und Frieden nicht nur über mich. Privatfrieden ist nie echter Frieden. Nein, Frieden auch für die Anderen, mit unsern Nachbarn, mit den uns Fremden, Frieden für die Kranken und Sterbenden. Gedanken des Friedens, Gedanken nicht des Leides, nicht des Wehtuns, Gedanken des Wohltuns. Nicht in sich versponnnene Gedanken, sondern einladende. Gedanken nicht der Rücksichtslosigkeit, sondern der Teilnahme. Und das Schönste: Diese Gottesgedanken sind keine Träume, die sich bald als Schäume herausstellen. Gewiss, nicht überall, wo Frieden draufsteht, ist Frieden drin: windige Gedanken, denen leider keine Taten entsprechen. Gottes Gedanken sind sein tatkräftiges Versprechen. Er hält sich daran und richtet sich danach. Wir können ihn beim Wort nehmen.

Wenn Gott Frieden sagt, dann ist hier auch „Frieden drin“. Seinen Gedanken des Friedens entsprechen seine Taten des Friedens. So wie Jesus es sagt, als man ihn zu Unrecht verhaften will: „Stecke dein Schwert in seine Scheide“ (Mt 26,52). Gott streckt seine Friedensfühler aus, er, der Friedensstifter sondergleichen. Und das ist er nicht abseits von unserer Welt. Nicht abseits von denen, die Zwietracht säen. Nicht abseits der Menschheit, deren Länder sich aufrüsten mit immer neuen und immer teureren und immer tödlicheren Waffen, zu ihrer Verteidigung, wie sie sagen. Nur ein Bruchteil von Geldern für Waffen wird für Entwicklungshilfe ausgegeben. Vorschlag zur Güte, wie wäre es, wenn das Verhältnis bei diesen Ausgaben einmal umgekehrt würde! Das wäre Friedenspolitik. Gott geht in seinen Friedensgedanken noch weiter. Er geht dem Unfrieden an die Wurzel. Sein Frieden ist kein weltflüchtiges den Kopf-in-den-Sand-stecken. In seinen Friedens-gedanken sorgt er für Frieden, schafft er Frieden.

Dieser Frieden ist ganzer Frieden. Kein Halbfrieden, der sich darin auswirkt, dass man etwa für das ungeborene Leben demonstriert und zugleich die Waffenlobby tüchtig füttert. Kein Halbfrieden, in der Weise, dass man für Einheimische eintritt und die Flüchtlinge von der Türe weist. Kein Halbfrieden, der zur Folge hat, dass man „Gretas“ Demonstration gegen die Klimaerwärmung interessant findet, aber auch die Unterstützung einer privaten Flugzeuglinie mit einem 1,8 Milliarden-Kredit. Nein, kein Halbfrieden. Der Gott des Friedens ist kein Freund von unsinnigen Halbheiten. Was er sich vorgenommen hat, dazu steht er, so bestimmt, dass er es auch ausführt und zu Ende führt. Was er im Sinn hat, für das will er sorgen. Er steht zu seinem Wort. Er steht zu seiner Zusage, auf alle Fälle unser Gott zu sein und der der Anderen grad mit.

Die Menschen, von denen Jeremia spricht, spüren freilich noch nichts davon. Sie stecken mit ihrem Kopf noch allzu tief im Sand von bedrückender Traurigkeit. Jedoch Gottes Gedanken des Friedens sind schon jetzt in Kraft. Sie gelten heute, wie gestern, und morgen aufs Neue. Auch wenn uns Leid trifft, wenn Schwernut über uns kommt, wenn wir nicht von Unglück verschont sind, auch dann hat Gott für uns Gedanken des Friedens und nicht des Leids. Mitten im Leid ist und bleibt er der Gott, der zu-Frieden stellt. Davon redet ein Liedvers: „Was Gott tut, das ist wohlgetan, Er wird mich wohl bedenken; Er, als mein Arzt und Wundermann, wird mir nicht Gift einschenken statt Arzenei. Gott ist getreu. Drum will ich auf ihn bauen und seiner Gnade trauen.“

Gott ist getreu, auch wenn er dabei auf wunderliche Weise vorgeht. Er stiftet Frieden, indem er Unruhe stiftet, und zwar zuerst mit mir selbst, der ich so leicht Gottes Gedanken für unreif halte, für Gedanken, auf die ich nicht bauen, denen ich nicht trauen kann. Doch unbeirrt geht er dem Unfrieden wie einem Unkraut an die Wurzel: Er schafft ruhelos daran, die Ursache des Unfriedens unschädlich zu machen. Ist die Ursache des Unfriedens nicht zutiefst die Angst? Die namenlose Angst, die Angst, unheimlich bedroht zu sein, von Anderen. Und dahinter die Angst, weil mit denen doch Frieden unmöglich sei, die Angst, die darum auch uns schrecklich aggressiv macht. Dazu die Angst, nicht genug gelebt zu haben, bevor es dafür zu spät ist. Die Angst, alles zu verlieren und zuletzt mein eigenes Leben. Wenn der Himmel uns nahekommt, dann wird uns allemal nahegelegt: „Fürchtet euch nicht„, „Fürchte dich nicht.“ Lock-down der Angst! Friede sei mit euch! Und dazu lesen wir verheißungsvoll in unsrer Bibel (1Joh 4,18): „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus.“ Die Liebe ist die Schwester des Friedens.

Sie ist „völlig“, weil sie jene Halbheiten missachtet. Begrüßen wir solche Friedens-Liebe? Gelt, das fällt uns oft nicht leicht und fällt uns noch öfter gar nicht ein. Fehlt es uns weithin etwa an solcher „völligen Liebe“, die die Angst austreibt? Angst macht zu allem auch noch blind. Man übersieht dann oft die jeweils noch größeren Nöte auf dem Globus. Und man übersieht dabei den Helfer-Gott, der den Nöten allemal gewachsen ist. Not lehrt beten? Ja, vielleicht. Es kommt darauf an, dass wir so beten, wie es uns der Prophet Jeremia lehrt: „So ihr mich (unsern Vater im Himmel) von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich finden lassen.“ Und Jesus lädt uns ein: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Es sind zuweilen lange Wege des Suchens und Bittens, Wege wie durch Schlamm, in dem unsere Füße leicht ausrutschen, Wege, auf denen wir beten lernen, bis es dazu kommt, wie es der Kirchenvater Augustin formuliert hat: „Du hast uns zu deinem Eigentum erschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir.“

Sind wir in seiner Hut geborgen, dann müssen wir uns nicht in erträumte Märchenwelten davon-stehlen. Bedenken wir lieber den Spruch: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ Was heute auf der Tagesordnung steht, lautet so: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie.“ Also, nicht die Hände in den Schoß legen! Vielmehr doch! es gilt: die Hände in den Schoß legen und beten! Das Beste, was wir tun können für unsere Welt und Umwelt, ist beten. Das Beste, was wir tun können! Beten ist auch ein Tun. Beten ist kein billiger Ersatz fürs Handeln. Beten und Handeln gehört zusammen. Wofür wir beten, dafür sind wir auch verantwortlich. Beten wir um Gottes Hilfe in der Bedrohung durch das Corona-Virus, dann werden wir Schutzmasken tragen. Wir müssen gewiss nicht tun, was Gott tut. Aber wir sollten tun, was wir können. Nichtwahr, wir wollen um Himmels willen nicht auf Gott abschieben, was wir selbst anzupacken haben. „Bete und arbeite“, so lautet ein alter christlicher Grundsatz. Also setzt euch ein für das Gemeinwohl! Das passt zu Gottes Gedanken des Friedens über uns alle.

Eberhard Busch

37133 Friedland

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