Für Gott gibt es keine Nebenschauplätze!

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Für Gott gibt es keine Nebenschauplätze!

Predigt über Lk 1,67-79 | verfasst von Andreas Pawlas |

Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund, an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand der Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Liebe Gemeinde!

wie sollte man auch nur ein wenig vom heutigen Predigtwort verstehen können, wenn man nicht vor Augen hat, dass in der christlichen Tradition genau heute am 3. Advent an Johannes den Täufer gedacht wird.

Allerdings war das schon immer eine etwas indirekte Gedankenbewegung und muss in gegenwärtigen Zeiten irgendwie kompliziert erscheinen. Denn, wie sehr es auch im öffentlichen Getriebe verdrängt wird, und in allem Schauen auf die neuesten Corona-Zahlen und auf alle Beschränkungen in den Einkaufszeilen der Metropolen, das eigentliche Thema der Adventszeit, ist doch Jesus Christus. Im Advent geht es doch um nichts anderes als das Warten auf die Geburt des Christuskindes. Es geht es um nichts anderes als um das Warten auf die Erscheinung unseres Gottes in menschlicher Gestalt. Und wer hätte da nicht vor Augen, wie schwer es in unseren gegenwärtigen Zeiten ist, von diesem Jesus Christus zu reden und sich auf ihn einzustellen. Warum?

Weil wir doch in unserer Zeit von Bild-Erzählungen unterschiedlichster Art förmlich überflutet werden, weil wir doch von Filmen, Videos, Netstreams mit Erzählgestalten verschiedenster Herkunft förmlich überschwemmt werden. Wo sollte da denn noch irgendein Platz für die Weihnachtsgeschichte und für das adventliche Warten sein? Und wo sollte da erst recht noch ein Raum für so eine „Zusatzfigur“ wie Johannes der Täufer sein? Und dann bitte noch weiter, wo sollte schließlich noch Platz sein für den Vater dieser Randfigur und seinen Lobgesang? Heutige Medienfachleute würden wahrscheinlich urteilen: Thema verfehlt! Das ist doch alles völlig abwegig und hat keinerlei Chance auf Gehör und Aufmerksamkeit. Und daher könnte man wirklich fragen, wer das wohl festgelegt hat, dass man am 3. Advent in diesen turbulenten Zeiten über solch einen Nebentext von Advent und Weihnachten, eine ordentliche Advents-Predigt zu halten hat.

Aber halt! Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten! Denn vielleicht ist es ja gerade so, dass sich in den Nebentexten und Nebenschauplätzen unseres Lebens in besonderer Weise auftun will, wie Gott mit seinem Wirken an uns arbeitet. Darum nun doch einmal mutig, aber auch kritisch, ein Blick auf einen dieser Nebentexte und auf einen der Nebenschauplätze:

Und zweifellos sieht es doch so aus, als wäre es vollkommen unwichtig für das Weltgeschehen und für unser eigenes Leben, auch nur irgendetwas von diesen frommen Eltern des Johannes zu hören, von diesem Zacharias und seiner Elisabeth, von denen es heißt, dass sie beide hochbetagt waren. Und wo sollte es auch nur irgendjemand geben, den das interessierte, dass sie keine Kinder hatten? (Lk 1,6f.) Ausserdem finden es heute doch genügend Leute sogar erstrebenswert, sich mit all dieser Mühe der Kindererziehung nicht abgeben zu müssen, weil es doch viel spannender sei, Karriere zu machen, die neuesten Videospiele kennenzulernen, vorteilhafte Beziehungen zu knüpfen oder sich im Fitness-Studio gesund zu erhalten. Darum noch einmal: Was sollte uns um Himmels willen bewegen, uns mit diesen Randfiguren der Weltgeschichte abzugeben?

Oder könnte es vielleicht hilfreich sein, sich hierbei darauf zu besinnen, welche Bedeutung Kinder damals hatten – und in gewisser Weise heute noch genauso? Jedenfalls musste in damaliger Zeit nicht darüber diskutiert werden, was es hieß, keine Kinder haben zu dürfen. Denn das hieß letztlich Armut im Alter, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit letztlich ein verpfuschtes Leben! Für einen selbst geht es nicht mehr weiter. Alles, wofür man sich bisher eingesetzt und engagiert hat, ist vergeblich, denn es gibt niemanden, der es für mich weiterträgt.

Moment, klingen da nicht Töne an, die wir auch heute kennen? Nein, ich will jetzt nicht nur an die vielen älteren Menschen in unseren Senioren-Heimen denken, von denen solche bitteren Sätze so manches Mal zu hören sind. Aber kennen nicht auch genügend Jüngere solche Gedanken? Ja, gibt es nicht selbst auch genügend Jugendliche, die derart über sich und ihr Geschick denken, es gäbe wirklich keine Zukunft mehr für sie?

Wenn unsere Zeiten auch so anders sind im Vergleich zur Zeit von Zacharias und Elisabeth, offenbar gibt es da keinen Unterschied.

Ja, aber was machen die beiden denn dann? Nein, die beiden machen doch gar nichts. Aber es geschieht etwas mit ihnen. Es wird von den beiden berichtet, dass sie fromm waren, dass sie deshalb also auf Gottes Wirken hofften. Ja, genau, das taten sie. Und dann – dann geschah etwas mit ihnen. Was das war?

Mit einem Male wurde Elisabeth schwanger. Ein Kind kündigte sich an! Bitte, ehe jetzt alle gleich weghören, weil das alles zu märchenhaft oder irreal ist, und wir wollten ja kritisch auch sein: Aber vielleicht hilft es, sich in Bezug auf die vorhin verwandte Bezeichnung „hochbetagt“ zu erinnern, dass in der alten Welt vielfach Menschen ab 40 als „Greis“, also als „senex“ bezeichnet wurden, deren Leben eigentlich abgeschlossen war. So sicherlich auch bei Zacharias und Elisabeth. Und vielleicht könnte es uns jetzt in unserem kritischen Denken helfen, dass wir uns etwa im Gegensatz zur alten Welt eine Schwangerschaft ab 40 doch durchaus vorstellen können.

Aber, wie dem auch sei: Mit einem Male war da Hoffnung. Mit einem Male sah es so aus, als würde sich ihnen in diesem Kind eine ganz neue Welt auftun! Mit einem Male sah es so aus, als wäre ihre ganze Lebensgeschichte neu ausgerichtet.

Und was sie dann sagten, war eben nicht: Toll, was unsere Implantationsmedizin so alles leistet, was sie ja bestimmt auch tut! Nein, sie schauten auf Gott, der allein den Lebenshauch gibt und nimmt, der allein das Wunder neuen Lebens entstehen lässt, der allein Lebenswege fügt und zur Vollendung bringt.

Und in gleichem Maße, wie sie so auf Gott schauen aus ihrer eigenen Lebensgeschichte, fiel ihnen auch wieder ein, wie sie bisher von diesem Gott begleitet und behütet worden waren. Da fiel ihnen auch wieder ein, wie Gott ihre eigene und die ganze Lebensgeschichte ihres Volkes immer wieder neu ausgerichtet hat, wie Gott sein Volk immer wieder errettet hat von den Feinden, aus der Hand aller, die sie hassten, wie Gott barmherzig war den Vätern und Müttern nach dem heiligen Bund, damit alle ihm dienten ohne Furcht in Heiligkeit und Gerechtigkeit.

Und damit waren sie sich auch sicher, dass dieses Wirken Gottes mit seinem Volk, dann noch keinesfalls zu Ende ist, denn es soll ja nach Gottes Willen und gerade in seinem Sinne weitergehen. Denn dieses neue Kind, dieser Johannes, soll ja Prophet des Höchsten heißen. Er soll dem kommenden Herrn vorangehen, dessen Weg bereiten Er soll Erkenntnis des Heils geben, Vergebung der Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes,

Nach dem Willen dieses Gottes soll er von dem Licht prophezeien, das aus der Höhe kommen wird, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Nach dem Willen dieses Gottes soll er vorangehen dem, auf den der Weltkreis wartet, dem, der da kommen soll, dem, der alle Welt erlösen soll: Jesus Christus.

Was für eine große, weltgeschichtliche Aufgabe, über die man sich nur freuen kann, die man daher nur besingen kann, wie der dankbar erschütterte Vater Zacharias. Und gleichzeitig damit wird um so deutlicher, wie hoch die Erwartungen sind, die im Warten auf Jesus Christus, aufgespannt sind.

Und diesen Lobgesang des Zacharias, ja, den dürfen wir heute hören und unter den dürfen wir uns heute stellen. Es ist weltgeschichtlich eigentlich noch nichts geschehen, aber der Heilsplan Gottes für diese Welt, wie er durch den kommenden Christus erfüllt werden wird, ist vorgestellt. Und deshalb kann Zacharias nur noch singen und loben.

Ob wir uns von ihm anstecken lassen könnten? Vielleicht würden wir andere Worte und andere Lieder finden. Vielleicht würden wir auch nicht morgens, sondern abends singen. Aber das ist doch völlig egal. Entscheidend ist doch, dass uns in genau dieser Adventszeit, und genau in diesen Corona-verdrehten Zeiten aufgehen darf, dass auch Du und ich in den Heilsplan Gottes für diese Welt eingebunden sind. Tatsächlich!

Deshalb ist Jesus Christus für uns in die Welt gekommen, und will uns in dieser Adventszeit nahe kommen, damit wir das endlich für unser eigenes Leben ernst nehmen. Egal, ob wir auf den Hauptschauplätzen des Lebens tätig sind oder nur auf den Nebenschauplätzen, egal ob wir bedeutend oder unbedeutend sind, egal ob wir vor Schmerzen oder üblen Träumen noch klar denken können oder nicht, egal ob uns Kummer die Luft abschnüren will oder wir schon weihnachtliche Freude in uns aufkeimen fühlen, dieser Jesus Christus will uns in dieser Adventszeit nahe kommen, damit wir ihm glauben. Damit wir ihm glauben, dass wir in den Heilsplan Gottes für diese Welt hineingehören und von ihm erfüllt werden und durch ihn froh werden sollen – jetzt und ewig!

Amen.

Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas

Eichenweg 24

25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop

Andreas.Pawlas@web.de

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