Gegen Lügen mit Licht …

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Gegen Lügen mit Licht …

Gegen Lügen mit Licht und Liebe | Predigt über 2. Petr 1, 16-19 | verfasst von Dörte Gebhard |

Gott gebe Euch viel Gnade und Frieden durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn (2. Petr 1,2)                                                                                            Amen.

Liebe Gemeinde

Heute kam der Kanzelgruss nicht von Paulus wie sonst, sondern aus dem 2. Petrusbrief – und wir hören auch den Predigttext aus dem ersten Kapitel des 2. Petrusbriefes, die Verse 16-19:

16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. 17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.

19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen. 

Liebe Gemeinde

Der Brief könnte von gestern sein, so aktuell ist er.

Dabei ist es – streng genommen – kein gutes Zeichen, dass er nach 1900 Jahren nicht nur lesenswert geblieben ist, sondern sich wie ein neuer Kommentar auf facebook liest nach einem frischen Post, höchstens von vorgestern. Lassen wir uns nicht ablenken durch die vornehme Wortwahl, lassen wir uns nicht täuschen, bloss weil die Grammatik stimmt und der Satzbau anspruchsvoll ist. Rechtschreibung und guter Stil wären in den heutigen sozialen Medien nicht verboten. Auch wenn man manchmal diesen Eindruck gewinnt, als sei es überhaupt nicht gestattet, korrekt zu formulieren.

Die Predigt hat zwei Teile, einen ersten über düstere Lügen, die dann aber hoffentlich aufgeklärt sind, und einen zweiten über Wahrheit, Licht und Liebe, unmittelbar zur persönlichen Fortsetzung gedacht.

I

Die Tinte von der Begrüssung ist noch nicht trocken, da fliesst es ihnen aus der Feder aufs Briefpapyrus:

Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt.

«Ausgeklügelte Fabeln» gab es also schon damals und gibt es heute immer noch. Wir nennen sie bloss ein wenig anders, meistens reden wir von «Verschwörungstheorien». Weil man sie im Internet so schnell, so unkontrolliert und so billig verbreiten kann, leiden wir unter einem Überangebot an ausgeklügelten Fabeln.

Aber in Krisenzeiten brodelt die Gerüchteküche offenbar immer aus allen Töpfen, die man nur auftreiben kann. Unsichere Zeiten wecken das Verlangen nach simplen Antworten, sehen die komplexe Welt gern eingeteilt in gut und böse.

Als der 2. Petrusbrief, wahrscheinlich Anfang des 2. Jahrhunderts, in die Welt hinaus geschickt wurde, hatten die wenigen Christen, die sich jedoch vermehrten, schon reichlich Erfahrung mit Verfolgung, mit Hohn und Spott, mit Verleumdung und übler Nachrede, auch mit Mord und Totschlag. Sie mussten sich verstecken, konnten Gottesdienste nur im Verborgenen feiern und eher nur im engsten Familienkreis. Sie mussten sich gut überlegen, wem sie von ihrem Glauben erzählen und wem auf keinen Fall. Hätte man eine Umfrage gemacht, hätten sie sicher angekreuzt, dass ihre Zeit eine Krisenzeit sei.

Jetzt ist wieder Krisenzeit, dafür brauchen wir auch gar keine Umfragen mehr. Jetzt versteckt sich etwas ganz anderes, ein Virus – vor unseren blossen Augen. Es vermehrt sich im Verborgenen, noch längst ist den Wissenschaftlern nicht alles klar.

Wir haben unterdessen jedoch reichlich Erfahrung mit Ansteckung und Ausbreitung, mit Symptomen aller Art oder ihrem Fehlen. Und wir bestatten inzwischen genau deshalb unsere Lieben nur im engsten Familienkreis. Dass anlässlich einer Pandemie nach Jahrhunderten solche ausgeklügelten Fabeln zuhauf hervorkommen würden, vor denen wieder wie im 2. Petrusbrief gewarnt werden muss, ist schon schlimm. Aber furchtbar und bizarr ist, dass man damals und heute unter anderem dieselben Gerüchte und Geschichten auftischte und serviert. Sie sind kaum mutiert! Das hat mich erschreckt.

Hört das folgende Schauermärchen; ich zitiere:

«Und was man sich gar über die Einweihung neuer Mitglieder erzählt, so ist dies ebenso abscheulich wie nur zu bekannt. Um die ahnungslosen Neuen zu täuschen, bedeckt man ein Kind mit Teig und setzt es dem vor, der in die Geheimnisse eingeweiht wird. Durch die Teighülle getäuscht, läßt sich der Neuling zu Messerstichen verleiten, bei denen er nichts Arges vermutet und die doch, dem Auge völlig entzogen, dem Kind tödliche Wunden beibringen. Dann – welcher Greuel! – schlürfen sie das Blut des Kindes gierig auf und reißen sich gar noch um die zerhackten Glieder. Das ist also ihr Opfer, mit dem sie sich verbünden, und durch die Mitwisserschaft an diesem Verbrechen verbürgen sie sich gegenseitig Stillschweigen …».[1]

Ende des Zitats.

Scheint von gestern zu sein, ist aber viel älter.

Klingt furchtbar nach QAnon, ist es aber nicht.

Ich bin ziemlich sicher, dass Sie schon von QAnon gehört haben. Ganz gewiss haben Sie schon Bilder gesehen, u.a. von dem halbnackten Gehörnten, der das Capitol erstürmte. Wahrscheinlich kennen Sie auch Demobilder von selbsternannten Querdenkern, die ihre Begeisterung für die irren und wirren Verlautbarungen von «Q» mit T-Shirts oder Plakaten zur Schau stellen.

QAnon ist eine anonyme Internetquelle, aus der sich in Amerika seit 2017 ein ekelerregendes, grauenhaftes Verschwörungsgeschwurbel über die Welt ergiesst. Zentral ist die absolut unbewiesene Behauptung, eine einflussreiche, weltweit agierende, satanistische Elite entführe Kinder, halte sie gefangen, foltere und ermorde sie, um aus ihrem Blut eine Verjüngungsdroge zu gewinnen. Das Ganze soll im Keller einer Pizzeria in Washington begonnen haben. Ortskundige berichten dagegen, dass die fragliche Pizzeria gar nicht unterkellert ist und es auch noch nie war.

Die beiden Schauermärchen, das erste, das ich zitiert habe und das zweite, das wie neu in die Welt gesetzte aus Amerika, ähneln sich auf grauenhafte Weise.

Das erste Schauermärchen ist ungefähr so alt wie der 2. Petrusbrief. Die genaue Quelle liegt im Dunkeln des Nichtüberlieferten, aber der Zweck ist klar. Man hatte keine Ahnung, wie Christen Gottesdienst und Abendmahl feiern und setzte eine Horrorstory in die Welt, um sie zu verleumden, um in Krisenzeiten einen einfachen Grund für alles, um einen Sündenbock zu haben. Was Kirchenvater Tertullian um 200 nach Christus schreibt, können wir uns leider nur allzu gut vorstellen:

«Wenn der Tiber bis in die Stadtmauern steigt, wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot, wenn es eine Seuche gibt, sogleich wird das Geschrei gehört: Die Christen vor den Löwen!»[2]

Die genaue Quelle des damaligen Schauermärchens bleibt wahrscheinlich für immer verborgen. Vielleicht war es ein gewisser Marcus Cornelius Fronto aus Cirta in Numidien, eigentlich eine echte Kapazität, Lehrer des späteren Kaisers Marc Aurel und rhetorisch offenbar herausragend.

Ihm wird wohl die zweifelhafte Ehre zuteil, als erster heidnischer Literat gegen das Christentum geschrieben zu haben. Übelste, erlogene Verschwörungstheorien über die Christen gab es von Anfang an und sie verbreiteten sich auch ohne Internet erstaunlich schnell.

Am Anfang waren viele Frauen und Sklaven Christinnen und Christen geworden; das Christentum war zunächst überwiegend in Unterschichten verbreitet und sah von aussen wie eine Absonderung innerhalb des Judentums aus. Gegen das junge Christentum wurde wie gegen eine Sekte von Verschwörern gehetzt:

«Aus der untersten Hefe des Volkes sammeln sie da die Ungebildeten und leichtgläubigen Weiber, die … ohnehin auf alles hereinfallen, bieten ein gemeines Verschwörerpack auf, das sich in nächtlichen Zusammenkünften, bei feierlichem Fasten und menschenunwürdiger Speise nicht etwas durch einen Kult, sondern durch ein Verbrechen verbrüdert: eine obskure, lichtscheue Gesellschaft, stumm in der Öffentlichkeit, dafür aber geschwätzig in den Winkeln …».[3]

Wir erkennen, wie erlogene Verschwörungen funktionieren. Christen mussten sich verstecken. Ihnen blieb gar nichts anderes übrig. Von der gebildeten Oberschicht wurden sie ohnehin abgelehnt und verachtet.

Weil sie sich aber dadurch aus dem politisch-öffentlichen Leben zwangsläufig heraushielten, war es leicht, daraus ein Gerücht zusammenzubrauen, das leicht für wahr gehalten wurde:

«Warum bemühen sie sich denn so sehr, den Gegenstand ihrer Verehrung, was es auch immer mit ihm auf sich haben mag, zu verheimlichen? Was anständig ist, läßt sich immer gern sehen; nur Laster hält man geheim … Warum reden sie nie öffentlich, kommen nie frei zusammen, wenn nicht deshalb, weil eben das, was sie da heimlich treiben, strafbar oder schändlich ist?»

Wie konnte die junge Christenheit dennoch überstehen? Mit ihrem Glauben, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe in der Welt bleiben?

II

Mit diesen Fragen beginnt der zweite Teil der Predigt, auf dass wir die Verschwörungsideologien endgültig hinter uns lassen können.

Wie konnte die frühe Christenheit solch brutale Verfolgung in Worten und Werken überleben?

Weil die ersten Christen eben nicht den ausgeklügelten Fabeln gefolgt sind, weil sie gerade nicht auf solche Schauermärchen hereingefallen sind, sondern u.a. auf die Geschichte von Jesu Begegnung mit seinem Vater auf dem Berge gehört haben, genau wie wir in diesem Gottesdienst.

So erinnert der 2. Petrusbrief an die Verklärung Jesu auf dem Berg:

Wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. 17 Denn er (Jesus) empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit:
Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.

Der Kontrast könnte krasser nicht sein. Aus der Welt düsterer Lügen treten wir in die Weite, ins Licht, das Gott geschaffen hat. Weil wir nun mit ihnen auf dem Berge stehen, bekommen wir Weitsicht und frische Luft obendrein. Wir hören von Licht und Liebe, von Wohlgefallen, von einer klaren, lauten Stimme und von einer solch grossen Herrlichkeit, für die die richtigen Worte eigentlich fehlen, schon auf griechisch im ursprünglichen Brief. Es liegt jedenfalls nicht an der Übersetzung oder an der vornehmen Wortwahl.

Gottes Güte offenbart sich an Jesus Christus am helllichten Tage, mit klarer Ansage und wir können sie auch bei Lichte besehen. Wir müssen dafür nicht verschwinden in dunkle Hinterwelten, nicht ständig das Gebräu aus finsteren Gerüchteküchen kosten, nicht dunklen Geheimnissen nachgehen, nicht den Tag zur Nacht machen, nicht im Darknet untertauchen … nichts davon.

An dieser überwältigend guten Erfahrung kann sich jeder Mensch seither orientieren. Es heisst:

19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen. 

 Gottes Licht scheint am dunklen Ort hell, führt gerade nicht vom Dämmerschein der Welt fort in die noch grössere Dunkelheit aus Gewalt und Verbrechen, sondern bezeugt Liebe und Wohlgefallen, stiftet Vertrauen.

Heute ist der letzte Sonntag der Nachweihnachtszeit, daher schauen wir noch einmal zurück auf die Nacht von Jesu Geburt. Weise haben zur Weihnacht einen hellen Stern gesehen, sind ihm gefolgt und haben sich nicht einmal blenden lassen von der protzigen Pracht des Palastes des Herodes.

Mag sein, wir müssen noch lange zugeben, dass es eine Krisenzeit ist, in der wir leben.

Mag sein, dass die fürchterlichen ausgeklügelten Fabeln noch lange nicht aus der Welt sind.

Mag sein, dass die Nacht lang ist und wir ungeduldig auf das Hellerwerden warten.

Aber wir achten auf das Licht, das schon scheint und haben einen Morgenstern, der in unseren Herzen aufgeht. Das ist eine wunderbare Metapher. Wir haben einen aufgehenden Morgenstern im Herzen, anbrechendes Licht in der Seele, ganz gleich, wie finster es noch um uns her ist.

Über diesen aufgehenden Morgenstern im Herzen aber kann ich nicht weiter predigen, denn da kann ich bei Euch und bei Ihnen nicht hineinsehen. Das ist gut so, sonst würde eine Predigt niemals enden, denn wie viele Sterne und Menschenherzen gab es und gibt es!

Aber jede und jeder, ich bin gewiss, achtet auf das Licht, das da scheint an einem dunklen Ort. Ich schliesse wie der 2. Petrusbrief:

 Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Ihm sei Ehre jetzt und für ewigen Zeiten (2. Petr 3, 18).                                                                                                                                                    Amen.

 Lesungen:

2. Kor 4, 6-10

Mt 17, 1-9

Lieder zum Hören, Lesen und Meditieren und Singen daheim:

RG 573, 1.5-9         Wann sich die Sonn erhebet

RG 169                     Jésus le Christ

RG 259, 1.3-4         Licht, das in die Welt gekommen

RG 349, 1-3            Segne und behüte

 

Mail: doerte.gebhard@web.de

[1] Vgl. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen. Ein Arbeitsbuch, hg. v. Heiko A. Oberman †, Adolf Martin Ritter, Hans-Walter Krumwiede † und Volker Leppin, Bd. 1: Alte Kirche, 12. Aufl., Göttingen 2019, S. 38-40.

[2] Tertullian, Apologetikum oder Verteidigung der christlichen Religion und ihrer Anhänger, 198 n. Chr., Kap. 40: “Si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in arva, si coelum stetit, si terra movit, si fames, si lues, statim CHRISTIANOS AD LEONEM. Tantos ad unum?” Tertullian fragt also noch extra sarkastisch nach: «So viele vor einen (Löwen)?» Quelle: www.tertullian.org, abgerufen am 25. 1. 2021.

[3] Vgl. Quellen, S. 38-40, alle folgenden Zitate ebd.

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