Genesis 1

Genesis 1

Diese Schöpfung vertraue ich eurer Fürsorge an | 5. So. n. Tr.initatis | 09.07.2023 | Gen 1 | Peter Schuchardt |

Vorbemerkung: Diese Predigt halte ich im Gottesdienst zum Beginn des Waldsommerfestes der Kreisjägerschaft Nordfriesland

Gelesen werden Verse aus Gen 1:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war noch leer und öde, Dunkel bedeckte sie und wogendes Wasser, und über den Fluten schwebte Gottes Geist. Da sprach Gott: »Es werde Licht!«, und das Licht strahlte auf. Und Gott sah das Licht an: Es war gut.

Dann sprach Gott: »Die Erde lasse frisches Grün aufsprießen, alle Arten von Pflanzen und Bäumen!« So geschah es: Die Erde brachte frisches Grün hervor, Pflanzen und alle Arten von Bäumen. Und Gott sah das alles an: Es war gut.

Dann sprach Gott: »Die Erde soll Leben hervorbringen: alle Arten von Vieh und wilden Tieren und alles, was auf der Erde lebt.« So geschah es. Gott machte die wilden Tiere und das Vieh und alles, was auf dem Boden lebt, alle die verschiedenen Arten. Und Gott sah das alles an: Es war gut.

Dann sprach Gott: »Nun wollen wir Menschen machen, ein Abbild von uns, das uns ähnlich ist! Sie sollen Macht haben über die Fische im Meer, über die Vögel in der Luft, über das Vieh und alle Tiere auf der Erde.« 

So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau. Und Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz! Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an.« (Gen 1 i.A. Gute Nachricht)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

was für ein wunderbarer Tag. Wir feiern Gottesdienst hier draußen im Wald. Mitten in Gottes Schöpfung, hier unter den hohen alten Bäumen. Die Vögel singen und zwitschern, die Bienen summen, es ist einfach herrlich. Viele fleißige Helfer und Helferinnen sorgen heute dafür, dass sich die Gäste hier wohlfühlen. Und ich hoffe für euch, liebe Mitglieder der Kreisjägerschaft, dass ihr am Ende des Tages sagt: Das war ein guter Tag.

Wir sind hier im Quickhorner Wald. Das ist für viele Menschen aus Bredstedt und den umliegenden Dörfern der Ort, wo sie gerne hinkommen. Viele führen ihre Hunde hier spazieren. Andere nutzen ihn als Laufstrecke. Und oft trifft man hier Familien mit Kindern, die einfach mal raus wollen. Es ist ein Ort, wo Menschen sich erholen. Sie suchen Ruhe, sie suchen frische Luft, sie nutzen die Möglichkeit, raus zu kommen aus der Hektik des Alltags und der Arbeit. Es gibt auch Menschen, die kommen zum „Waldbaden“ hierher. Das bedeutet, sie nehmen sich ganz bewusst Zeit, lassen ihr Handy im Auto, lauschen auf die Stimmen der Vögel und auf die Stille. Ein kurzes Waldbad, so heißt es, verbessert Puls, Blutdruck und Atmung. Ich denke, das hat es früher auch schon gegeben, da nannte man das einfach Spazierengehen. Aber es ist doch gut, wenn das heute auch gemacht wird.

Doch der Wald ist noch viel mehr. Er ist Lebensraum für ungezählte Tiere, Vögel, Rehe, Insekten, Spinnen. Wenn wir Menschen hier spazieren gehen oder joggen, dann tun wir das als Gäste. Wir können hier nicht einfach tun und lassen, was wir wollen. Wenn wir hier sind, dann sollten wir Rücksicht nehmen auf die, die hier leben.

Der Wald übt gerade auf uns Deutsche ja eine große Faszination aus. Es gibt Gedichte und Lieder zum Wald. Das Problem ist: mit unserer Faszination für den Wald, mit den Liedern und Gedichten verklären wir diesen Ort. Wir machen aus ihm eine Idylle, einen Ort, der einfach nur schön und heil ist. Der Wald wird für manche geradezu religiös überhöht. Ich kenne den Satz: Meinen Gott finde ich im Wald, nicht in der Kirche. Da frage ich dann oft zurück: Welchen Gott findest du hier? Den Schöpfer der Welt, der auch dieses herrliche Waldstück erschaffen hat? Oder einen anderen Gott, der uns das Gesetz der Natur zeigt: Fressen und gefressen werden?

Es gibt zurzeit eine Tendenz, das zu vergessen. Es gibt eine Tendenz, so etwas wie Tod und Nahrungskette in der Natur gar nicht zu erwähnen. Ihr kennt die Diskussionen, ob in den Zoos gezeigt werden darf, wie Löwen etwa ein Zebra auffressen[1]. In einem Zeitungsartikel[2] las ich, dass Tiere in Dokumentarfilmen nicht mehr sterben. Das wird gar nicht mehr erwähnt oder gar gezeigt. Denn die Natur wird zu einer heilen Welt verklärt, zu einer Gegenwelt zu uns Menschen. Der Gedanke dabei ist: Wir Menschen sind grausam, aber die Tierwelt ist es nicht. Das ist natürlich Unsinn. Ich bin mit Tierfilmern wie Heinz Sielmann und Bernhard Grzimek großgeworden. Die beiden und viele andere haben ja unseren Blick auf die Natur geprägt. Wenn ich dabei eines gelernt habe, dann dies: Ein Begriff wie „grausam“ ist bei der Natur völlig fehl am Platz. Aber auch die Verniedlichung ist falsch. Ich bin immer sehr irritiert, wenn von „Tierbabys“ die Rede ist. Damit wird ein menschlicher Begriff auf die Tiere übertragen. Da lobe ich mir die klare Sprache der Jäger. Da ist ein Rehjunges eben ein Kitz und kein „Rehbaby“.

Zu der klaren Sprache der Jägerschaft gehört auch ein klarer Auftrag: Hege und Pflege des Waldes und der Tiere. Ich weiß, manchmal wird den Jägern Lust am Töten der Tiere unterstellt. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Ihr sorgt mit eurem Tun dafür, dass der Bestand der Tiere nicht zu groß wird, dass kranke Tiere nicht zur Gefährdung für andere werden, dass das kippelige Gleichgewicht einigermaßen ausgeglichen bleibt.

Die Jäger und Jägerinnen tun damit das, was Gott uns Menschen sagt. Wir haben eben die Lesung aus der Schöpfungsgeschichte gehört: Ganz am Anfang erschafft Gott die Welt mit den Meeren, den Kontinenten, den Pflanzen, den Tieren und uns Menschen. Und dann sagt Gott: Alles das, diese Welt mit den Tieren und Pflanzen, vertraue ich eurer Fürsorge an. Mancher hat noch die Übersetzung „und macht sie euch untertan“ im Ohr. Aber das, liebe Schwestern und Brüder, kann doch gar nichts anderes heißen als: sorgt euch um sie, sorgt für sie, passt auf sie auf. So wie ein guter Herrscher immer das Wohl seiner Untertanen im Blick hat (sonst wäre er kein guter Herrscher), so sollen auch wir immer das Ganze der Schöpfung im Blick haben. Und wenn wir das Ganze der Schöpfung in den Blick nehmen, dann werden wir erkennen: Da gibt es so viel, dass wir überhaupt nicht kennen oder verstehen. Denkt einmal an die Tiefen der Ozeane – das Leben dort ist uns fast völlig unbekannt. Wenn wir darüber nachdenken, dann erkennen wir: Eigentlich ist die Welt, die wir kennen, sehr klein. Und der Ort, an den Gott uns in der Schöpfungsgeschichte setzt, ist ein Garten, der Garten Eden. Das ist nicht die Wildnis, die unberührte Natur, an die wir denken. Das ist so ein Ort, der geordnet ist, den wir bebauen und bewahren dürfen und sollen. Den Rest der Welt, den können und sollen wir Gott überlassen. Denn er allein hat die Macht und die Kraft, unsere Welt, den ganzen Kosmos, das All mit seinen ungezählten Sternen und Planeten zu erhalten. Die Bibel sagt uns: Gott ist noch nicht fertig mit seiner Schöpfung. Gottes Schöpfung geschieht ja immer noch. Sie ist nicht vor undenklicher Zeit geschehen und fertig. Gottes Schöpfung geht weiter, in jedem Moment, in jeder Sekunde erschafft und erhält er diese Welt – und uns[3].

Aber den kleinen Ausschnitt der Schöpfung, den wir kennen und in dem wir leben, mit dem sollen wir sehr sorgfältig umgehen.

Ich weiß: Da sind wir Menschen oft gescheitert. Profitgier, Raubbau, und das Denken: „Wir sind die Herren der Welt“ haben ganz viel kaputt gemacht. Aber das macht Gottes Auftrag an uns doch nur noch wichtiger. Ihr, liebe Jägerschaft, tut das auf eure Weise. Heute werbt ihr um Verständnis für eure Arbeit. Und ihr möchtet mit den verschiedenen Aktionen heute den Blick öffnen für das Wunderbare der Welt, die Gott uns anvertraut.

Der Quickhorner Wald ist dabei gut gewählt. Denn es ist nun fast 10 Jahre her, dass der Orkan „Christian“ auch hier unglaublich viele Bäume umgeknickt und entwurzelt hat[4]. Der Wald, den wir jetzt sehen, ist nicht mehr der Gleiche wie vor 10 Jahren. Aber es ist dann unsere Aufgabe, den Wald als Lebensraum zu erhalten, das alte tote Holz zu beseitigen und neue Bäume anzupflanzen. Wenn wir das tun, dann arbeiten wir mit bei der Erhaltung der Schöpfung. Dazu gebe Gott uns Kraft und seinen Segen.

Amen


Liedvorschläge:

EG 455 Morgenlicht leuchtet

EG 503 Geh aus, mein Herz

EG 504 Himmel, Erde, Luft und Meer

EG 639 (Regionalteil Nordelbien) Nun steht in Laub und Blüte


Fürbittgebet

Gott, unser Vater,

du erschaffst und erhältst diese Welt.

Du hast uns hinein gestellt in deine Schöpfung.

So viel hast du uns anvertraut.

Hilf uns, dass wir gut damit umgehen.

Gib uns Kraft, gegen Ausdeutung und Profitgier anzugehen.

Behüte uns vor Allmachtsphantasien

und vor dem Gedanken, wir seine die Herren der Schöpfung.

Denn das bist allein du.

Wir bitten dich für alle, die sich für deine Schöpfung einsetzen,

die Jäger, die Förster, die Umwelt – und Naturorganisationen.

Lass sie gemeinsam das Beste suchen, das der Bewahrung deiner Schöpfung hilft.

Wir bitten dich für alle, die krank sind, die unter Sorgen leiden,

denen es nicht gut geht.

Hilf ihnen.

Lass sie Trost finden in dem Wunder deiner Schöpfung.

Wir denken an NN, die verstorben ist.

Wir danken dir für alles, was sie uns war.

Nimm sie auf in dein ewiges Reich.

Tröste alle, die um sie trauern.

In der Stille sagen wir dir, was uns heute noch bewegt:

STILLE

Herr, unser Vater,

wir danken dir.

Dir vertrauen wir uns an, heute, morgen und alle Tage, die du uns schenken wirst.

Amen


Pastor Peter Schuchardt

Bredstedt

E-Mail: peter.schuchardt@kirche-nf.de


Peter Schuchardt, geb. 1966, Pastor der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), seit 1998 Pastor an der St. Nikolai Kirche in Bredstedt/Nordfriesland (75%), seit 2001 zusätzlich Klinikseelsorger an der DIAKO NF/Riddorf (25%).


[1] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/zoo-zebra-verfuetterung-loewen-joerg-graeser-100.html

[2] https://www.sueddeutsche.de/kultur/tiere-doku-fressen-die-eiche-veraenderungen-1.5772305?reduced=true

[3] Vgl. dazu Ulrich H. Körtner, Dogmatik, LETh Bd. 5, Studienausgabe Leipzig 2020, S.326-329

[4] https://www.dwd.de/DE/presse/hintergrundberichte/2013/Orkantief_Christian_PDF.pdf?__blob=publicationFile&v=3

de_DEDeutsch