Genesis 32,23-32

Genesis 32,23-32

Baptizatus sum – Ich bin getauft | Quasimodogeniti | 16.04.2023 | 1. Mose 32,23-23 | Rainer Stahl |

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit Euch allen!“

Liebe Leserin, lieber Leser!

Liebe Schwestern und Brüder!

I.

Mit unserem Sonntag beginnt die erste Woche nach der Osterwoche. In der alten Kirche waren zu Ostern die Tauffeiern durchgeführt worden. Bis zu diesem Sonntag nach Ostern trugen die Täuflinge ihr weißes Gewand als Zeichen dafür, gerade getauft zu sein. In unserer evangelischen Kirche wurde dann der Sonntag „Quasimodogeniti“ genannt, nach der Antiphon des Psalms des Sonntags aus 1 Petrus 2,2a: „Wie die neugeborenen Kinder“.[i] Auch wir können uns bewusst machen, was es für uns heißt, getauft zu sein. In diesem Jahr hatte meine Gemeinde, in der ich in Erlangen lebe, am 19. März den Gottesdienst als Tauferinnerungsfest gefeiert. Das war ein lebendiger Gottesdienst zusammen mit vielen Familien mit ihren Kindern – voller Aktivitäten und ganz moderner Sprache. Im Gemeindebrief war auf eine wichtige Dimension hingewiesen worden:

„Es gibt die Überlieferung, dass Martin Luther auf seinen Schreibtisch folgende Worte auf Latein geschrieben oder eingeritzt hatte: »Ich bin getauft!« Das konnte man nicht mehr wegwischen. Der Grund für all sein Tun und Handeln blieb, auch unter Türmen von Papieren und Büchern. Viel zu tun gab es damals wie heute fast immer.

»Ich bin getauft!« Nicht nur Luther tat diese Erinnerung gut. Auch uns tut es gut, uns an die Taufe zu erinnern.“

Ich denke, diese Überlieferung ist richtig: „Ich bin getauft!“ – „Baptizatus sum!“ Das hatte sich Luther fest notiert, dass er es nicht vergessen oder übersehen konnte.

II.

Fragen Sie sich doch einmal, ob Sie wissen, wann Sie getauft worden waren! Ich, als am 18. März Geborener, war am 17. Juni getauft worden. Denn ich war zu früh geboren worden und musste gleich nach der Geburt in ein Krankenhaus gebracht werden und musste zu Kräften kommen. Deshalb war ich erst nach einem Vierteljahr so weit, dass die Taufe vollzogen werden konnte. Der taufende Pfarrer hatte ein feines Bibelwort für mich entschieden: „Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden“ (Apostelgeschichte 4,12).

III.

Dämmern da nicht doch Verbindungslinien zu dem fremden und überraschenden Predigttext auf? Wir haben uns sicher schon gefragt, was diese Geschichte über ein Geschehen in der Furt des Jabbok mit uns und mit unserer Taufe zu tun haben könnte. Jetzt wird mir bewusst:

III.1.

Die Taufhandlung kann auch die Gesundheit gefährden. Deshalb war es ja für mich nötig gewesen, so lange zu warten, bis ich eine grundlegende Stärke gewonnen hatte.

Die überraschende Begegnung zwischen Jakob und – ja wohl! – Gott in der Furt des Jabbok zeichnet Jakob für sein weiteres Leben, macht ihn zu einem hinkenden Mann.

III.2.

In der Taufhandlung wird eine große Wahrheit eröffnet, die gleichwohl – auf alle Fälle: wenn wir als kleines Kind getauft werden – im eigenen Leben immer wieder gewonnen, angeeignet werden muss: Dass ich trotz aller anderen Anregungen und Herausforderungen doch festhalte, Christus sei mein Gegenüber, durch das mein Leben gelingen kann – gelingen wird.

Die überraschende Begegnung zwischen Jakob und Gott führt dazu, dass Jakob eine neue Identität zugesprochen wird: „Israel“ – „Fechter Gottes“[ii].

So bleibt das doch bei uns allen: Wir müssen immer wieder mit Gott ringen. Dass wir Gefährdungen durchstehen. Dass wir Herausforderungen meistern. Dass wir Gott nicht vergessen, sondern mit ihm in Verbindung bleiben. Und wenn nicht äußerlich, so doch gewiss innerlich werden wir durch solches Ringen zu gezeichneten Menschen. Versuchen Sie doch, diese Zeichnung positiv zu sehen.

III.3.

Über Jakob heißt es dann, dass er dort – an dieser Furt – gesegnet wurde. Und dass er diesen Ort „Gottesantlitz“[iii]genannt habe: „Denn ich habe Gott von Angesicht gesehen.“

Das ist die Aufgabe, die uns diese so ferne und doch auch so nahe Geschichte aufgibt: Welchen Ort, welche Lebenssituation würden wir „Gottesantlitz“ nennen? Gehen wir mit dieser Frage in die neue Woche! Ich bin überzeugt, dass wir mit überraschenden Erkenntnissen rechnen können!

IV.

Während meines Palästina-Lehrkurses im Sommer 1989 konnten wir am 16. August im Norden Jordaniens in der Nähe von Machanaijm auch die Furt am Jabbok durchqueren. Wir hatten dazu die Schuhe ausgezogen und gingen mit bloßen Füßen durch das Wasser. Aber es blieb doch ein realistisches Gefühl: Die Landschaft und der Fluss waren nicht besonders erschreckend oder beeindruckend, überquerten wir die Furt ja auch gegen Mittag – unter strahlendem Sonnenschein. Außerdem bleibt die Lokalisation jener Geschichte in Genesis 32 auch ganz unsicher. So brauchen wir diese alte Geschichte nicht zu verifizieren, nicht wirklich zu lokalisieren. Wir können alle solche Fragen offenhalten.

Aber ihre Elemente, ihre Einzelheiten – die können uns zu Hinweisen auf ganz eigenes Erleben der Nähe Gottes werden. Eben auch zu der einmal erfolgten Wende in unserem Leben: „Baptizatus sum!“ – „Ich bin getauft!“

Amen

„Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn!“

Liedvorschläge:

EG 204: „Herr Christ, dein bin ich eigen…“

EG 208: „Gott Vater, du hast deinen Namen…“

EG 574: „Lasset mich mit Freuden sprechen…“ (Regionalteil Bayern).

Dr. Rainer Stahl

Erlangen

rainer.stahl.1@gmx.de

[1951 geboren, Studium der Theologie in Jena, Assistent im Alten Testament, 1981 ordiniert, Pfarrer der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, zwei Jahre lang Einsatz beim Lutherischen Weltbund in Genf, dann Pfarrer in Altenburg, Alttestamentler an der Kirchlichen Hochschule in Leipzig, Referent des Thüringer Landesbischofs in Eisenach, von 1998 bis 2016 Dienst als Generalsekretär des Martin-Luther-Bundes (des evangelisch-lutherischen Diasporawerks) in Erlangen, seit April 2016 im Ruhestand.]

[i]  Vgl. hierzu: Georg von Gynz-Rekowski: Der Festkreis des Jahres, Berlin 21985, S. 126.135-136.

[ii]  Dieser Begriff wurde der Verdeutschung durch Martin Buber und Franz Rosenzweig entnommen.

[iii]  Auch dieser Begriff wurde der Verdeutschung durch Martin Buber und Franz Rosenzweig entnommen.

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