Heiliges Christfest I, 25.12.2007

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Heiliges Christfest I, 25.12.2007

Predigt zu Johannes 1:1-14 | verfasst von Peter Skov-Jakobsen |

Die Einleitung zum Johannesevangelium ist einer der wunderbarsten Texte der Welt. Sie bringt eine Tiefe, eine Besinnlichkeit und eine Wirklichkeit zum Ausdruck, die an alle Sinne zu appellieren scheinen.

Hier ist vom Wort die Rede – hier ist die Rede von DEM WORT – und man ahnt, dass hier mehr dazu gehört, als dass man nur verschiedene Worte ausspricht. Hier ist davon die Rede, dass ein Mensch versucht, das ganze Lebensmysterium mit Hilfe von Begriffen auszudrücken. Er tut es auf eine solche Art und Weise, dass die Begriffe immerzu über sich selbst hinausgelangen. Die einzelnen Worte greifen nach anderen Wirklichkeiten. Da ist nicht nur das Wort als eine intellektuelle Größe. Es ist DAS WORT als das, was die Wahrheit ausspricht, die mit mannigfachen Worten gefasst werden kann in der Poesie der Dichter, in ihren Romanen und in ihren Wirklichkeitsbeschreibungen. Es ist DAS WORT, wie es erfasst wird, wenn der Musiker die Töne vereint und mit ihnen Wege in der Seele für ein größeres Verständnis schafft. Wir merken oft, wie Töne uns angespannt machen können, wie sie unser Empfinden zum Nachdenken stimmen können; bei uns Ahnungen und Träume auslösen können. Es ist auch DAS WORT, wie Maler es mit ihren Farben und Gestalten ausdrücken. DAS WORT, das Menschen sehen lässt. DAS WORT, das Menschen die Wirklichkeit sehen lässt; aber natürlich nur, wenn Menschen ahnen, dass etwas dahinter steht. Es gibt eine Wirklichkeit, die sich nicht mit einzelnen Ausdrücken fangen lässt; eine Wirklichkeit, die all das Feingefühl, Verständnis, all die Nachdenklichkeit und Nähe verlangt, die es in der Welt gibt.

DAS WORT kommt auch in Verbindung mit den Taten anderer Menschen zu uns. Wer jemals einem Mitmenschen in einem verstehenden Blick, in einem innerlichen Händedruck, in einer liebevollen Geste begegnet ist, der weiß, dass zwischen Menschen so viel gesagt werden und ein tief empfundenes Verständnis bestehen kann, das anscheinend niemals den ganz richtigen Ausdruck finden kann. Aber wer die Liebe fühlt, ist keine Sekunde im Zweifel, dass sich hier eine Ewigkeit ausdrückt – dass hier etwas zum Ausdruck gebracht wird, was die eigene Ordung des Lebens ist.

Wir bemerken im selben Augenblick, dass die Ewigkeit hier in unserer Welt einen Ort gefunden hat. DAS WORT macht es uns möglich, die Unechtheit, die Ungerechtigkeit und die Dummheit zu durchschauen. DAS WORT gibt uns den Mut, durch die Bosheit hindurchzusehen.

Wenn wir die Welt betrachten, können wir unsere Gedanken nicht davon lösen, dass es aussieht, als gäbe es ein furchtbares Chaos in der Welt, das unablässig über uns hereinzubrechen droht. Wenn wir uns selbst betrachten, merken wir auch, dass wir eine Menge von Möglichkeiten in uns bergen. Wir bemerken, dass furchtbare Neigungen lauernd in uns unter der Oberfläche liegen. Nicht immer muss Großes geschehen, um unseren Neid zu wecken – auch nicht, um unser Misstrauen zu erregen, und unaufhörlich droht die Abkühlung unserer Beziehungen zur Umwelt.

In uns lebt auch eine schreckliche Angst. Wir ertragen das Grauen davor, von Krankheit gelähmt zu werden. Wir schaudern bei dem Gedanken, plötzlich Opfer von Zufällen zu werden, die unser Leben zerstören können. Terror und Naturkatastrophen sind die täglichen Plagegeister vieler Menschen.

Viele von uns plagen uns mit Besorgnissen, die uns nahezu des Atems berauben. Die Besorgnisse scheinen unablässig Worte finden zu wollen! Aber es regt sich ein schreckliches Minusleben in ihnen, denn es ist, als ob sie sich zwischen uns und unsere Mitmenschen schöben und Abstand schüfen. Wer nichts anderes als diese Besorgnisse in sich zu tragen vermag, gerät schnell dahin, dass man nicht die Wahrheit sagt, denn man ist den Besorgnissen nicht gewachsen, man vermag es nicht mit anzuhören, wenn sie wieder und wieder die Runde machen.

Aber wir kommen heute zusammen, um uns gegenseitig an die Forderung des Glaubens zu erinnern: dass Gott die Welt liebt und dass Gott sich der Welt hingab und Mensch wurde. Wir kommen heute zusammen, um uns daran zu erinnern, dass die Wahrheit und die Liebe sich nicht an die majestätischen Höhen hielten, nicht einfach nur in der Welt erklangen als gute Prinzipien, sondern als Mensch gegenwärtig wurden.

DAS WORT, von dem wir sprechen, ist nicht nur ein Gedanke, ein Prinzip, eine Idee. Ideen mögen schön und gut sein, aber sie können nicht lieben.

Der Glaube postuliert gerade das nahezu Ungeheure, dass Gott mit einem Traum ganz auf den Menschen eindringt. Im Glauben haben wir das Vertrauen, dass die Welt nicht einem Chaos anheimgegeben ist. Das Chaos, das wir fürchten und das uns wahrlich ununterbrochen in der Form von Machtmissbrauch von Menschen, von Egoismus, von Abgestumpftheit, von Hass auf andere Menschen bedroht – dieses Chaos ist auf Einspruch gestoßen, und es wird mit dem entlarvenden Postulat des Glaubens eingedämmt: dass Gott die Welt liebt und in seiner Liebe eine Nachdenklichkeit, ein Empfinden, eine Tat schafft, die seinen Willen zum Leben widerspiegelt.

Jesus wurde geboren, und weil wir sein Leben und seinen Tod kennen, glauben wir auch, dass es richtig ist, dass er die Liebe und Wahrheit ausdrückte, die Menschen den Mut schenken sollen, sich dem Glauben daran hinzugeben, dass es eine göttliche Liebe gibt, die Menschen niemals im Stich lässt. Es gibt eine Liebe, die uns unsere Augen auf das Licht richten lässt. Es gibt eine Liebe, die uns Worte, Gedanken und Taten gibt, die der Ewigkeit und dem Leben dienen. Es gibt eine Liebe, die Gott nicht von Menschen trennt, sondern Gott und Mensch verbindet. Es gibt eine Liebe, die Menschen vereint und im Menschen einen Taum schafft, dass Gott alles in allen sein kann. Wenn Gott alles in allen ist, dann glauben wir, dass der Mensch es wagt, menschlich zu sein. Menschlich zu sein bedeutet zu allererst, dass man an dem Mitgefühl mitträgt, das Jesus unablässig zum Ausdruck brachte. Wenn Gott alles in allen ist, dann sind wir weit weg von den Verurteilungen, und dann greift niemand zu den Verfluchungen.

DAS WORT hat Wohnung in uns genommen. Wenn das geschieht, dann wagt man es, von der Welt, die kommen wird, zu träumen. Davon zu träumen, dass Gott sich auch unter uns geboren werden lässt. Wir träumen davon, dass Gott sich zwischen uns stellen und uns mitfühlend, nachdenklich machen möge, so dass wir den wahren Gedanken zu greifen, das Richtige zu tun, den Schwachen in Schutz zu nehmen wagen.

Christus wurde geboren – ja tagtäglich wird er in die Welt hinein geboren, in der die Hoffnung ein Stück vorwärts gebracht wird.

Frohe Weihnachten!

 

Pastor Peter Skov-Jakobsen
København (Dänemark)
E-Mail: pesj(a)km.dk
Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier
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