Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

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Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

Durch die Brille der Gnade Gottes | 3. Sonntag nach Trinitatis| 03.07.22 | Ez 18,1-4.21-24.30-32 | Winfried Klotz |

18,1 Und das Wort des HERRN erging an mich:

2 Was soll das bei euch, dass ihr diese Redensart braucht auf Israels Boden: Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf!

3 So wahr ich lebe, Spruch Gottes des HERRN, diese Redensart werdet ihr nicht mehr verwenden in Israel!

4 Seht, alle Menschenleben gehören mir! Das Leben des Vaters wie das Leben des Sohns – mir gehören sie! Derjenige, der sündigt, der muss sterben!

21 Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben.

22 Alle seine Vergehen, die er begangen hat, werden ihm nicht angerechnet; der Gerechtigkeit wegen, die er geübt hat, wird er am Leben bleiben.

23 Habe ich etwa Gefallen am Tod eines Ungerechten?, Spruch Gottes des HERRN. Nicht vielmehr daran, dass er zurückkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?

24 Wenn aber ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht begeht, alle möglichen Abscheulichkeiten, wie der Ungerechte sie begeht – kann er sie begehen und am Leben bleiben? –, wird all seiner gerechten Taten, die er getan hat, nicht gedacht; seines Treuebruchs wegen, den er begangen hat, und seiner Sünde wegen, die er begangen hat, ihretwegen muss er sterben.

30 Darum werde ich einen jeden von euch nach seinen Wegen richten, Haus Israel! Spruch Gottes des HERRN. Kehrt um und wendet euch ab von all euren Vergehen, dann werden sie euch nicht Anstoß zur Verschuldung!

31 Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum denn wollt ihr sterben, Haus Israel?

32 Ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss! Spruch Gottes des HERRN. Kehrt um und bleibt am Leben!

Redensarten, Redensarten – was bedeutet das schon? „Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf!“ Aber: Ist daran nicht etwas Wahres? Erbt die nachfolgende Generation nicht Gutes wie Schlechtes der Eltern und Großeltern-Generation? Gutes wie Schlechtes! Das Sprichwort aber redet nur vom Schlechten, von der Belastung, dem Schaden. Das ist einseitig, aber typisch menschlich; das Gute nehmen wir fraglos und gerne an, das Belastende dagegen bejammern und beklagen wir. Wir klagen an und in unserem Zusammenhang geht diese Anklage nicht nur gegen Menschen – die früheren Generationen – sondern auch gegen Gott. Gott, wenn Du gerecht bist, wie kannst Du uns die Schuld der Väter und Mütter aufbürden!

Wir müssen wissen: Im Sprichwort reden Menschen, die nicht nur ein bisschen Schaden genommen haben durch ihre Vorfahren, sondern denen die Heimat und Lebensgrundlage genommen wurde; es reden Menschen, die alles verloren haben und nun im babylonischen Exil leben müssen. Und die das alles nicht nur mit säkularen Augen sehen, sondern mit Gott in Zusammenhang bringen. Gott, Du bist ungerecht, Du bürdest uns die Last früherer Generationen auf! Wir müssen die Suppe auslöffeln, die andere sich auf den Teller gefüllt haben!

„Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf!“ Unreife Früchte? Was damit gemeint sein kann, beschreibt Hesekiel sehr anschaulich, wenn er die Verehrung fremder Gottheiten im Tempel durch die führenden Leute des Volkes schildert. In einer Vision sieht er folgendes: „Und ich ging hinein und sah, und sieh: Da waren all die Abbilder von Kriechtieren und von großen Tieren, Scheusale, und all die Mistgötzen des Hauses Israel, eingeritzt ringsum in die Wand. Und vor ihnen standen siebzig Männer von den Ältesten des Hauses Israel … Und jeder hielt seine Rauchopferpfanne in der Hand, und der Geruch vom Qualm des Rauchopfers stieg auf.“ (Kap. 8, 10f)

Was Hesekiel auch noch sieht: Frauen weinen um den Fruchtbarkeitsgott Tammuz, eine Gruppe von Männern betet nach Osten die aufgehende Sonne an. Mitten im Tempel werden Gottheiten anderer Völker verehrt. Wir sehen, ein bunter Mix von Religionen wird im Tempel des Gottes Israels praktiziert. Und damit die Bundestreue zum Gott Israels gebrochen.

Abwendung vom lebendigen Gott durch die Verehrung anderer Götter, das sahen viele damals anders; hatten nicht auch die Götter des Landes, in das das Volk eingewandert war, einen Anspruch auf Verehrung? Am Gott Israels hielt man doch fest! Aber Israels Gott war nicht damit einverstanden, dass sein Volk eine Patchwork-Religion lebte. Auch wenn die Judäer, die zum Teil noch in der Heimat, z. T. im babylonischen Exil lebten, die Verehrung anderer Götter nicht als wirkliches Problem ansahen, vor Gott waren das sauere, unreife Früchte! In Gottes Augen war die Verbindung zu ihm unterbrochen! Bei Jeremia, er wirkte in Jerusalem, Hesekiel dagegen bei den Exilierten, lesen wir: „Denn eine doppelte Bosheit hat mein Volk begangen: Mich haben sie verlassen, die Quelle lebendigen Wassers, um sich dann Brunnen auszuhauen, rissige Brunnen, die das Wasser nicht halten.“ (2,13)

Die Schuld der Väter und Mütter – Verhängnis für die Kinder? Ist Gott ungerecht? Was bedeutet die Anklage für das Verhältnis zu Gott? Und für die Zukunft im babylonischen Exil?

Warum verbietet Gott den Menschen in Judäa wie auch den Exilierten dieses Sprichwort? Warum betont er durch seinen Propheten, dass jeder seine eigene Schuld tragen muss?

Jeder muss seine eigene Schuld tragen, zugleich aber ist unbestreitbar, dass Irrwege und Fehler früherer Generationen auch negative Auswirkungen auf die nachfolgenden hat.

Aber, wer sich wegduckt und mit Verweis auf die Schuld anderer, verbaut sich selbst den Weg zur Umkehr, zur Neuorientierung!

Gottes Interesse wird sehr deutlich im zweiten Teil der ausgewählten Verse: „Habe ich etwa Gefallen am Tod eines Ungerechten? Spruch Gottes des HERRN. Nicht vielmehr daran, dass er zurückkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“ (V. 23) Und: „Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum denn wollt ihr sterben, Haus Israel? Ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss! Spruch Gottes des HERRN. Kehrt um und bleibt am Leben!“ (V. 31f)

Gott will für seine Menschen das Leben, nicht den Tod. Er ist kein kaltherzig rächendes Schicksal, Schadenfreude liegt ihm fern. Die Botschaft heißt aber auch nicht: Irrwege sind keine Irrwege, alles nicht so schlimm, denn alles ist irgendwie menschlich und zu verstehen. Verstehen hin oder her – es gibt Wege zum Guten und Wege zum Bösen. Als Menschen, die zu Jesus Christus gehören, sollen wir prüfen, was gut oder schädlich ist. Das Große ist doch: Wir können und sollen umkehren, wir müssen nicht wie gebannt dem Irrweg folgen.

Ich habe hier den Schritt ins Neue Testament gemacht, in dessen Zentrum der Ruf steht: „Erfüllt ist die Zeit, und nahe gekommen ist das Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15) Oder: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des heiligen Geistes empfangen. (Apg 2, 38)

Umkehr beginnt damit, dass ich mein Vertrauen auf Jesus Christus setze, nicht damit, dass ich es schaffe, mein Leben völlig umzukrempeln. In Einzelfällen mag das gelingen, normalerweise ist der Weg zur Veränderung aber sehr weit. Es ist doch ein ganz Großes, dass mit dem Vertrauen auf Jesus Christus Gott in mein Leben kommt. Dass Gottes Geist Wohnung nimmt in mir! Damit sehe ich mein Leben, ja auch meine Mitmenschen durch die Brille der Gnade Gottes; Gott will, dass wir leben können! Das sagt Hesekiel, das sagt das Evangelium von Jesus.

Wir sind arm, wenn wir uns an diese vergängliche Welt verlieren; wir werden reich im Vertrauen auf Gott, der uns durch Jesus Christus zu BürgerInnen seines Reiches macht. Amen.

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Gebet (nach der Predigt): Mein Herr Jesus Christus, du allein bist ja der Hirte und ich leider oft verirrt und verloren. Mir ist angst und bang, ich wollte gerne gut sein, einen gnädigen Gott und Frieden im Gewissen haben. Nun höre ich, dass du dich nach mir sehnst, wie ich nach dir.

Mir ist angst und weh, wie ich zu dir komme und wie mir geholfen wird.

So bist du in Angst und Sorge und willst nichts anderes, als dass du mich wieder zu dir bringst. So komme nun zu mir, suche und finde mich, dass ich zu dir komme und dich lobe und ehre in Ewigkeit. (Martin Luther)

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Liedvorschläge:

EG 446, 1-6 Wach auf, mein Herz, und singe  EG 289 Nun lob, mein Seel, den Herren  EG 349 Ich freu mich in dem Herren  EG +87 Lobe den Herrn, meine Seele  EG +93 Es gibt bedingungslose Liebe  Lebenslieder (CVJM) 298 Seid nicht bekümmert  Lebenslieder 137 Dass dein Wort in meinem Herzen  Lebenslieder + 67 Herr, das Licht deiner Liebe leuchtet auf

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Winfried Klotz, 1952 geboren, Pfr. i. R., Bad König/Odenwald, verh., 3 erwachsene Kinder

winfried.klotz@web.de

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