Hirtenamt, Demokratie, Bildung

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Hirtenamt, Demokratie, Bildung

Misericordias Domini, 18.04.2021 | Predigt zu Ezechiel 34 | verfasst von Thomas Bautz |

Liebe Gemeinde!

Mitunter werden die vom Propheten Ezechiel (Ez 34) Angesprochenen und rechtmäßig Angeklagten mit Inhabern politischer Ämter identifiziert, was historisch vielleicht nicht eindeutig zu belegen ist. Aber die Metapher des Hirten und seiner Herde ist „ein gebräuchliches Bild“ in der Königsideologie des Alten Orients für den Herrscher, „der als Hirte über sein Volk wacht“. Der Hirtentitel kann einen König bezeichnen, dient „aber auch als Titulatur für andere Führer des Volkes“, „die vom göttlichen Hirten mit dem Weiden der Herde beauftragt werden“. Ez 34 macht es schwierig, die „schlechten Hirten“ mit bestimmten „Herrschaftsgruppen“ zu identifizieren. Soll man das Hirtenamt hier primär geistlich verstehen, politisch aber sekundär? – zumal der Ausdruck „Hirten Israels“ „ein sprachliches Spezifikum des Buches darstellt“.[1] Allerdings werden geistliches und politisches (weltliches) Amt auch von einer Institution oder Person verkörpert. Das zeigen Kirchen- und Religionsgeschichte mehrfach.

„Die einzelnen Bischöfe (…) weiden unter der Autorität des Papstes als (…) ordentliche und unmittelbare Hirten ihre Schafe im Namen des Herrn, indem sie ihre Aufgabe zu lehren, zu heiligen und zu leiten an ihnen ausüben.“[2] Der Bischof hat in Ausübung seines Hirtenamtes für seine Diözese (…) die Fülle der Leitungs-, Lehr- und Heiligungsgewalt inne: als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung.

Pastor, Pastorin sind Berufstitel für Geistliche im Dienst der Kirche, werden zum Teil gleichbedeutend für Pfarrer, Pfarrerin gebraucht und wurden seit dem 14. Jh. vom kirchenlatein. „pastor“ (Seelenhirt) abgeleitet. Die sprachlichen Verwendungen sind häufig nicht nur von Landeskirche zu Landeskirche, sondern sind oft regional differenziert oder mundartbedingt. Zuweilen werden Geistliche mit Pastor angesprochen (in Köln), während ihr amtlicher Titel Pfarrer heißt. Das evangelische Hirtenamt hat die Aufgaben der Verkündigung, Gottesdienst, Lehre, Seelsorge, Leitung (mit Presbyterium, Kirchenrat) und Sakramente, um nur die Schwerpunkte zu nennen.

Wesentlich interessanter ist der inhaltliche Bezug zur biblischen Hirtenmetaphorik, wozu  der heutige Predigttext (Ez 34) gehört, aber auch Jesaja 40 (V. 11) und das Kapitel „Vom guten Hirten“ (Joh 10). Hören wir den Propheten Jesaja, dessen kurzes Hirtenwort eingebettet ist in eine Trostbotschaft und in Gedanken davon, dass der Gott Israels – auch als Hirte – unvergleichlich ist (Jes 40, in Auszügen):

„Sieh, Adonai JHWH, er kommt als ein Starker, und sein Arm übt die Herrschaft aus für ihn. (…) Wie ein Hirt weidet er seine Herde, die Lämmer sammelt er auf seinen Arm, und er trägt sie an seiner Brust, die Muttertiere leitet er.“ „Wer hätte den Geist JHWHs geprüft, und welcher Mensch wäre sein Ratgeber, würde ihn unterweisen? Mit wem könnte er sich beraten, der ihm Einsicht verschafft und ihn belehrt hätte über den Pfad des Rechts (…).“ „Und mit wem wollt ihr Gott vergleichen (…)?“

Gott (JHWH) ist als Hirte Israels kein anderer, als er sonst ist: fürsorgend und beschützend, was für das Volk Israel angesichts des babylonischen Exils und der Zerstörung Jerusalems kaum zu glauben ist:

„(…) Israel, warum sprichst du: Mein Weg ist JHWH verborgen, und mein Recht entgeht meinem Gott? Hast du es nicht erkannt, hast du es nicht gehört: Ein ewiger Gott ist JHWH (…) Er ermattet nicht und wird nicht müde, seine Einsicht ist unerforschlich.“

Jesajas Botschaft an das ermüdete Volk, das sich allein gelassen fühlt, ähnelt in der Bedeutung dem guten, göttlichen Hirten, den Ezechiel verkündet:

„Dem Ermatteten gibt er Kraft, und wo keine Kraft ist, gibt er große Stärke. Junge Männer ermatten und werden müde, Männer straucheln unvermeidlich. Die aber, die auf JHWH hoffen, empfangen neue Kraft (…), sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und ermatten nicht.“

Ezechiel (Kap. 34) bedient sich durchweg der Metaphorik Hirte – Herde – Schafe, indem er das Volk daran erinnert, dass Gott, JHWH, wie ein gewissenhafter, verantwortungsvoller Hirte seine Schafe sucht und sammelt, gerade auch die im Exil zerstreuten, die sich verlaufen haben. Wie eine Herde wird er sie hüten auf fetter Weide auf den Bergen, in den Tälern und Wohngebieten Israels (34,15f):

„Ich selbst weide meine Schafe, ich selbst lasse sie lagern (…). Das Verlorene suche ich, das Verirrte bringe ich zurück, das Verletzte verbinde ich, das Kranke stärke ich (…).“

Die Herden müssen ihre Weideplätze wechseln; daher leben ihre Hirten als Nomaden. Konflikte mit sesshaften Bauern sind manchmal unausweichlich. Ein Hirte bleibt Tag und Nacht bei seiner Herde. Zur Unterstützung hat er einen Hund, der hilft, die Herde zusammenzuhalten und Gefahr wittern kann. Selbstredend lebt ein Hirte in Einsamkeit.

Die Hirtenmetaphorik ist in prophetischer Mahn- oder Gerichtssprache anwendbar auf die Könige in Israel, wie es der Prophet Jeremia unmissverständlich zum Ausdruck bringt (Jer 23,1–8, Auszüge):

„Wehe den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen (…). Und ihr habt nicht nach ihnen gesehen. Siehe, ich werde an euch die Bosheit eurer Taten heimsuchen (…). Und ich selbst sammele den Überrest meiner Herde (…) ich werde sie zurückbringen zu ihrem Weideplatz (…). Und ich werde Hirten bestellen über sie und die werden sie weiden. Und sie werden sich nicht mehr fürchten (…). Siehe, Tage kommen (…), da werde ich dem David einen rechtmäßigen Spross erstehen lassen. Und er wird als König herrschen und einsichtig handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land. In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel in Sicherheit wohnen. Und dies ist sein Name (…): JHWH, unsere Gerechtigkeit.“

Ganz ähnlich wie Ezechiel 34 wendet Jeremia (23,1–8) zunächst konsequent die Hirtenmetaphorik auf das Versagen der politischen Führungskräfte an, um dann durch die Ankündigung eines Königs zu einem realistischen Bild zu wechseln. Wir wissen, dass der Hirtentitel für den Königstitel verwendet wird und in der hebräischen Bibel belegt ist. Die Gerichtsworte beziehen sich auf die Könige Israels:[3]

„Sie sind an ihrem göttlichen Auftrag, das Volk zu weiden, gescheitert und werden der Zerstreuung und der Vernachlässigung der Herde beschuldigt.“ Das Prophetenwort „hat damit eindeutig die politischen Verhältnisse im vorexilischen Juda vor Augen, die schließlich zum Exil geführt haben.“

Nun ist m.E. ein Hirte als König schwer vorstellbar, mangelt es ihm doch erheblich an Reputation und Macht; sein Wirkungsfeld wechselt; er hat keinen festen Standort. Er hat keinen Hofstaat, keine Mitarbeiter, auf deren Unterstützung er bauen kann. Obendrein wird – um im Bild zu bleiben – vom Hirten genau das Gleiche verlangt wie vom König; gerechterweise werden aber die gescheiterten Könige ebenso verurteilt wie die schlechten Hirten. Es ist der Auftraggeber, der beide beurteilt: JHWH,  der Hirte und König Israels. Schwer wiegt das Urteil, dass die schlechten Hirten „sich selbst geweidet haben“ (Ez 34,2b). Nicht ganz unberechtigt lässt eine Pfarrerin einen modernen Ezechiel folgende Rede halten, die so pauschal zwar nicht zutrifft, aber doch wunde Punkte aufdeckt:[4]

„Wehe euch, ihr sogenannten Volksvertreter! Ihr weidet nur euch selbst. Ihr schaut bloß auf euren eigenen Vorteil. Wo bleibt dabei eure Herde? Um die sollt ihr euch doch kümmern! Aber ihr lebt lieber in Saus und Braus. Ihr erhöht fleißig eure Diäten. Mit Steuern und Abgaben holt ihr euren Schutzbefohlenen noch das letzte Geld aus der Tasche. Eurem Auftrag aber, zu dem ihr gewählt seid, dem kommt ihr nicht nach! Und noch schlimmer: Auf die Schwachen nehmt ihr keine Rücksicht. Wer krank ist, den unterstützt ihr nicht. Wer eine Last zu tragen hat, dem legt ihr noch eine drauf. Wer mit eurem System nicht zurechtkommt, den bestraft ihr. Wer den Kampf um seine Rechte aufgegeben hat, den vergesst ihr. Und die jungen Leute, die voller Tatendrang sind und die sich einbringen und verwirklichen wollen, die haltet ihr klein und lasst sie nicht hochkommen. Wehe euch!“

Warum bediente man sich im Alten Israel der Hirtenmetaphorik? Warum konnten Hirte und König sprachlich austauschbar gebraucht werden? Vielleicht liegt es an der wirkungsvollen, wenn auch schillernden Davidtradition: David, der vom Hirtenjungen zum König aufgestiegen ist. Von etwas geringerem, aber auch bedeutsamen Einfluss war der Viehhirte Amos, der immerhin Prophet geworden ist, obwohl er diese Berufung immer verneinte.

Die Kirchen pflegen die Hirtenmetaphorik seit Jahrhunderten, indem sie den „Hirten“ zu einem Berufsstand erhoben – mit vielen Pflichten, aber auch vielen Privilegien. Sprachlich abgeleitet vom Wort „pastor“ haben sich in der Praktischen Theologie Disziplinen gebildet, die den Pfarrberuf bzw. das Pfarramt reflektieren: die Pastoraltheologie, die Pastoralsoziologie und die Pastoralpsychologie. Da wir in der Regel nicht mehr auf das Prophetenamt wie im Alten Israel zurückgreifen können, sind wir auf vielstimmige, vielgestaltige Reflexionen angewiesen, die dabei helfen, pastorales Handeln kritisch wahrzunehmen. Dabei sind Einseitigkeiten zu vermeiden: Pastoren sind keine Objekte, die man ständig im Auge haben müsste; Geistliche sind Subjekte eigener Beobachtung und Reflexion.

Das ansteigende Wegrationalisieren von Pfarrstellen führt dazu, dass die Bewerbungsmöglichkeiten sinken, die Anzahl der Bewerber auf eine freie Stelle dagegen ansteigt. In ungeahnter Weise hatten die Presbyterien eine ungeheure Auswahl, bis eine große Zahl der Pfarrer in den Ruhestand ging. Den Einfluss eines Presbyteriums darf man weiterhin nicht unterschätzen. Das betrifft die Evangelische Kirche im Rheinland mit der presbyterial-synodalen Grundordnung insbesondere. Vermutlich hat man darin einmal ein demokratisches, antihierarchisches Konzept gesehen. Oder hoch aufgehängt, als Teil des „Priestertums aller Gläubigen“. Man sieht ein Presbyterium als Gemeindevertretung, was völlig unrealistisch ist, wenn man die „bunte“ Gesamtgemeinde betrachtet. Allenfalls fühlt sich die Kerngemeinde durch das gewählte Gremium meist repräsentiert.

Der Pfarrer kann leicht in einen Zwiespalt geraten zwischen Kerngemeinde und Menschen, die mit ihren je verschiedenen Bedürfnissen kirchliche Handlungen (Kasualien) beanspruchen oder sich an ihnen beteiligen. Hier wirken sich die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Geistlichen aus, wie auch ihre soziokulturelle Herkunft und berufliche Ausbildung. Man kann gegenüber Familien oder Paaren, mit denen man kommuniziert, persönlich oder distanziert, amtlich auftreten.

Jeder Geistliche (Pastor) sollte sich grundsätzlich fragen, wo er je nach Begabung Schwerpunkte setzt. Viele Kollegen überfordern sich, lassen sich unter Druck setzen, weil sie in allen Bereichen meinen kenntnisreich mitreden zu müssen. Meist gibt es aber in den Presbyterien Mitarbeiter, die sich z.B.  mit Finanzen und mit Bauwesen auskennen. Wenn man sich in der Gemeinde genau umschaut oder umhört, entdeckt man Möglichkeiten, Aufgaben zu delegieren und sei es nur vorübergehend. Gemeinde und ihre Vertreter müssen auch lernen, dass ein Pfarrer kein Tausendsassa ist. Wäre dem so, könnte er wahrlich nicht seinem Hirtenamt treu nachkommen und würde sich wie einzelne Schafe zerstreuen und umherirren. Manche Pfarrer profitieren von Teamarbeit mit Kollegen, was am besten funktioniert, wenn man über Jahre miteinander zu arbeiten gewohnt ist.

Ohne Team, ohne zuverlässige, vertrauenswürdige Mitarbeiter kann sich der einzelne Pastor (Hirte) verdammt einsam fühlen; er zieht von einer Pflichterfüllung („Weide“) zur nächsten und verliert oder vernachlässigt die verstreuten oder „verlorenen“ Schafe. Es ist unverzichtbar, Menschen am Rande kirchlicher Geschäftigkeit und Routine aufzusuchen. Vorbereitungen von Taufe, Trauung, Trauerfeier bieten ungeahnte Möglichkeiten der Begegnung, wobei nicht etwa der Geistliche im Zentrum steht, sondern die Menschen, die sich ihm anvertrauen. Eine ehrliche Offenheit des Pfarrers kann allerdings bewirken, dass sich die Familien, denen er in ihrer Privatsphäre begegnet, ebenfalls öffnen. Dann ist auch Raum für Fragen des Glaubens, Kritik an der Kirche, Nachdenken über den Sinn des Lebens.

Wann immer es möglich ist, sollten die Familien mit ihren persönlichen Anliegen und ihrem privaten Umfeld weitgehend an den Vorbereitungen für ihre Taufe, Trauung oder Bestattung mit Trauerfeier beteiligt werden, sofern dies auf Gegenliebe stößt. Nach solchen gemeinsamen Vorbereitungen heißt  es oft: „Das war aber feierlich!“ Und man kann entgegen: „Das war Ihre Vorarbeit; ohne sie wäre es nur halb so feierlich.“ Man darf nicht davor zurückscheuen, Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Dazu gehört auch, dass wir bereit werden, uns auf ihren Sprachgebrauch einzulassen. Oft ist das eine Gradwanderung: theologische Selbstdisziplin, kirchliche Domestizierung, unfreie Gottesdienste durch sklavische Bindung an die Liturgie aufgrund jeweiliger Gemeindeordnung. Pfarrer sind mitnichten frei in der Verkündigung (und Seelsorge), denn zur Verkündigung gehört der Gottesdienst und nicht nur die Predigt.

So selbstverständlich die Hirtenmetaphorik offenbar bis heute noch zu sein scheint, so kritisch sollte man sie betrachten, wenn man diesen Sprachgebrauch einmal kontextgebunden sieht. Vor Jahren sagte mir ein Oberst bei der Bundeswehr nach einem Gottesdienst (sinngemäß): „Herr Pfarrer, wir kümmern uns beide um unsere Schäfchen.“ Ich entgegnete ihm, dass ich diese Metaphorik gar nicht mag und erinnerte ihn an Ausdrücke wie „dummes Schaf“, „frommes Schaf“ (das niemand etwas zu leide tut, sich alles gefallen lässt). Ich freute mich vielmehr über aufgeklärte, kritische, eigenständige Menschen in der Gemeinde wie bei den Soldaten. Der Oberst entstammt einer anderen Generation und war daher noch einer anderen Sprache aufgesessen. Dennoch blieb mein Hinweis berechtigt.

Es gibt viele wichtige Merkmale einer Demokratie; wir finden sie im Grundgesetz unseres Landes. Und wir sollten dankbar sein für unsere Verfassung. Die Pressefreiheit ist sicher ein Herzstück darin. Sie garantiert nicht nur das Recht, Informationen und Meinungen zu verbreiten, sondern beinhaltet auch die Möglichkeit, Missstände jeder Art kritisch aufzudecken und Bildung zu vermitteln. Bildung und Aufklärungsarbeit werden hierzulande gefördert. Sie öffnen z.B. die Augen gegenüber Parolen und Verführungskünste falscher „Hirten“ aus dem Lager der Rechtsextremisten und Neonazis, die Informationen unterlaufen oder verfälschen. Dabei setzen sie häufig an beim Unmut in Teilen der Gesellschaft über bestehende oder angebliche Missstände, z.B. Asyl- und Flüchtlingspolitik oder aktuell über Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie. Wir können uns glücklich schätzen, in einer Demokratie zu leben und im Großen und Ganzen auf fruchtbare „Weiden“ geführt zu werden.

Unser Land trägt aber daher auch Verantwortung gegenüber Ländern, wo es an Nahrung und Bildung mangelt, wo Kinder verhungern und ihre Eltern arbeitslos sind. Demokratische, wirtschaftlich reiche Staaten sollten auch eine Art „Hirtenamt“ für diese überaus schwachen Länder ausüben. Dazu gehört es, sie zu schützen gegenüber innen- wie außenpolitischer Gewaltherrschaft. Es ist in der Weltpolitik derart kompliziert, dass man nur hoffen kann, dass einzelne Länder Bündnisse schließen oder bestehende festigen, um dann gemeinsam die verlorenen, zerstreuten Schafe der Herde unter den Völkern aufzusuchen und sie auf „fette“ Weiden zu führen. Auf keinen Fall sollten wirtschaftlich starke Nationen wie in einer Nische der Glückseligkeit verharren und sich selbst weiden, bis sich die Menschheit vollends an einen Abgrund manövriert hat, weil die Kräfteverhältnisse aus den Fugen geraten sind und nur noch blankes Chaos herrscht.

Ich meine, dass viele Menschen, die in einer Demokratie leben, die Chance nutzen, sich so viel Wissen anzueignen, wie es ihren Interessen entspricht. Manche gelangen dabei zu Erkenntnissen, von denen die Gemeinschaft profitiert, weil sie Wissen und Erkenntnis so vermitteln, dass es in Bereichen der Kindergärten, Schulen, weiterführenden Schulen, Berufsschulen, Volksschulen und Fachhochschulen, Hochschulen, Universitäten, Kirchen transparent wird, wie das „Hirtenamt“ auch von Pädagogen wahrgenommen werden kann. Es ist sicher eine der schönsten Aufgaben, Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen das für ihr (künftiges) Leben notwendige Wissen zu vermitteln und sie anzuleiten (zu leiten), mit diesem Wissen Erkenntnisse zu gewinnen, die für ihr Leben grundlegend konstruktiv und wegweisend sind. Im Unterschied zum Bild vom Hirten und seinen Schafen sind hier Eigenständigkeit und Selbstverantwortung als Ziel in den Blick zu nehmen.

Mit zunehmendem Alter werden in Pädagogik und Erwachsenenbildung partnerschaftliches Lernen, auch in Dialogform anzustreben sein; z.B. provozieren die Fragen von Kindern und Jugendlichen oft nachdenkliche Reaktionen bei denen, die Wissen vermitteln wollen. Der Erkenntnisgewinn kann dann Ergebnis gemeinschaftlichen Denkens und Wahrnehmens sein – ein lebendiger Prozess!

Die Wahrnehmung des „Hirtenamtes“ in den jeweiligen Institutionen kann warmherzig, liebevoll als Grundvoraussetzung sein; der „Hirte“ sollte ein wirkliches Interesse an „seinen Schafen“ haben, sollte berufen sein, nicht nur einen Job ausüben, die „Schafe“ spüren die Motivation. Alles in allem, wie schwer auch die Verantwortung auf einem „Hirten“ lastet, er oder sie wird es nicht bereuen, diesen Beruf erworben zu haben, der uns selbst bereichert.

Amen.

Pfarrer Thomas Bautz

Bonn

E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

Thomas Bautz, Pfarrer i.R. (EKiR), geb. 1954 in Berlin-West, vh., einen Sohn (15 J.), Studium: Allg. Sprachwissenschaft (1. Hauptfach), ev. Theologie (2. Hauptfach), Philosophie (Nebenfach) – Berlin, Göttingen, Köln, Bonn. Schwerpunkte: Diakonie (Gerontologie, Sterbeforschung, Seelsorge in Seniorenpflegeheimen); ev. Erwachsenenbildung; 8 Jahre Geistlicher bei der Bundeswehr: Wetzlar, Düsseldorf, Euskirchen, Düren, Nörvenich; Auflösung diverser Standorte). Gemeindearbeit zur Unterstützung von Kollegen. Ehrenamtliche Arbeit für die „Göttinger Predigten im Internet“ (Prof. Ulrich Nembach, Göttingen; Prof. Thomas Schlag und Team, Zürich).

[1] Anja Klein: Schriftauslegung im Ezechielbuch. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Ez 34–39,  BZAW 391 (2008): (II) Auftakt zur Heilsverkündigung: Ez 34 (2.) Das Hirtenkapitel Ez 34: Textanalyse, S. 32–42: 39–40.

[2] Zweites Vatikanisches Konzil: Dekret Christus Dominus, über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, Nr. 11.

[3] A. Klein: Schriftauslegung im Ezechielbuch (2008): (II) (3.) Innerbiblische Auslegung in Ez 34: Textanalyse, S. 44–46: 44–45; cf. Gerhard von Rad: Theologie des Alten Testaments. Band II: Die Theologie der prophetischen Überlieferungen Israels (1960, 7. Aufl. 1980), 226.

[4] https://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/predigt-ueber-ezechiel-341-16.html. Pfarrerin Stefania Scherffig, 10.04.2005 in der Ev.-ref. Gemeinde St. Martha, Nürnberg.

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