Jesaja 26,13+14(15-18)19

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Jesaja 26,13+14(15-18)19

Gottes Taupunkt im Menschen | Osternacht | 08./09.April 2023 | Jesaja 26,13+14(15-18)19 | Markus Kreis |

Bevor man sie kocht, schmort oder brät, soll Tiefkühlkost auftauen. Meist das Erste, was Menschen einfällt, wenn es um das Wort auftauen geht. Anfang, Strecke und Ende des Weges, den das feste Eis über das fließende Wasser zum luftigen Dampf nimmt. „So langsam taut er auf.“ Sagt man von einem Menschen, der sich eher verschlossen gibt und dann mehr und mehr aus sich rausgeht. Zwangsläufig ein eisiger Mensch? Verschlossen zu sein, dem können viele Gefühle zu Grunde liegen.

Eiskalt sein, das kann bedeuten, Mut zu haben, die Nerven zu bewahren, und zwar selbst dann, wenn plötzlich etwas anders läuft als gedacht, Widerstand auftaucht, sich Dinge oder Menschen in den Weg stellen und gegen das Anliegen des Mutigen kämpfen. Und damit ist immer noch offen, ob Mut und Tatkraft als gute oder schlechte Sache zu betrachten ist. Auch Kriminelle brauchen das, um zu tun, was ihnen vorschwebt. Mut und Tatkraft besaßen sicher auch die Herren über das Volk Israel, von denen Jesaja spricht. Egal, ob diese aus dem eigenen Volk stammten wie David oder Salomo. Oder der ob sie Fremde waren aus Assur, Babylon oder Persien.

Wenn ein Mensch Angst hat, kann das ebenso verschlossen machen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. So tun, als wäre nix, obwohl da was anliegt, eine dem Leben sehr bekannte Masche. Es soll Ziegen geben, die wie tot umfallen, wenn sie sich angegriffen fühlen, so nach dem Motto: Dann werde ich für den Angreifer langweilig, dann wendet er sich vielleicht ab von mir. Und auch hier gilt wie beim Mut: Es ist immer noch offen, ob diese zweite Eisigkeit als gut oder schlecht zu betrachten ist. Aus Angst vor Gefahren einfach zu tun als wäre nix – das kann gut ausgehen. So weiß die Erzählung vom Reiter über den Bodensee zu berichten. Kann natürlich auch sein, dass die Gefahr einen kalt erwischt, so viel eisiger als die Coolness des Coolen, dass dem wie von alleine plötzlich sehr, sehr heiß wird. Seinerzeit hatte das Volk Israel zwar erkannt, dass es für fremde Mächte interessant werden könnte. Hatte aber verkannt, dass es wenig wehrhaft war und dem Feind nur heiße Luft entgegenzusetzen hatte.

13 Herr, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens. 14 Tote werden nicht lebendig, Schatten stehen nicht auf; denn du hast sie heimgesucht und vertilgt und jedes Gedenken an sie zunichtegemacht…

(15 Du hast vermehrt das Volk, Herr, vermehrt das Volk, hast deine Herrlichkeit bewiesen und weit gemacht alle Grenzen des Landes. 16 Herr, in der Trübsal suchten sie dich; als du sie gezüchtigt hast, waren sie in Angst und Bedrängnis. 17 Gleich wie eine Schwangere, wenn sie bald gebären soll, sich windet und schreit in ihren Schmerzen, so geht’s uns auch, Herr, vor deinem Angesicht. 18 Wir sind auch schwanger und winden uns, und wenn wir gebären, so ist’s Wind. Wir können dem Lande nicht helfen, und Bewohner des Erdkreises können nicht geboren werden.)

…19 Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Schatten herausgeben.

Auftauen und Tautropfen! Was gibt es hier zu sagen? Die Gletscher tauen leider auf. Ein bekannter Tauprozess. Es gibt zwei weitere solcher Vorgänge, und da spielt allerdings Eis kaum eine Rolle. Dafür vorwiegend luftiger Dampf und Wasser, flüssig wie es in Bachbett oder Becken schwimmt. Was geht da vor sich? Die Luft nimmt Wasser aus ihrer Umgebung als Dampf auf, und zwar umso mehr, je aufgewärmter sie ist. Und dieser Wasserdampf kann sich als Tröpfchen auf der Erde niederschlagen. Dieses Tauen tritt bei zwei verschiedenen Umständen ein. Der erste Fall: Die Luft nimmt Wasser aus ihrer Umgebung als Dampf auf, und wie gesagt umso mehr, je aufgewärmter sie ist. Überall da, wo es sehr große Mengen an Wasser gibt, da tut sie das aber mit einer gewissen Grenze. An einem bestimmten Punkt ist sie satt, hat einfach genug, da muss der gerade noch eingesaugte Dampf wieder raus aus, und zwar flüssig, also schnell und als Tröpfchen. Diesen Vorgang sieht man gut in den Tropen an einem Wald mit lauter feuchtem Grün. Der zweite Fall: Die Luft kann zwar noch Wasserdampf aufnehmen, leider sinkt ihre Temperatur jedoch. Und damit auch die Menge an Wasser, welche die Luft als Dampf in sich halten kann. Und wieder gilt: Da muss der gerade noch eingesaugte Wasserdampf wieder raus aus, und zwar flüssig, also schnell und als Tröpfchen. Ein Vorgang, der außerhalb der Tropen in wärmerer Jahreszeit sehr oft morgens geschieht – am kältesten Punkt des Tages, wenn das Sonnenlicht längstens außen vor war und seine Arbeit gerade wieder aufnimmt. Das ist, wovon Jesaja redet: Tau der Lichter.

Gott taut auf. Und das heißt, entsprechend dem, was über das Auftauen zu hören war: Gott verliert seine Dampfigkeit. Ich weiß, das Hauptwort gibt es im Deutschen nicht, aber das Eigenschaftswort. Dampfig firmiert da als Ersetzung für brütend heiß. Gott verliert seine Dampfigkeit. Er entledigt sich also der Vorstellung, dass er hauptsächlich Unglück ausbrütet. So wie plötzlich Unwetter im Himmel ausbrechen kann. Schluss damit. Selbst Unwetter bringen dann nur noch Gutes, schön zu sehen am Schiffbruch des Propheten Jona. Gott bleibt ein Hans Dampf, aber bestimmte Gassen lässt er aus. Da führt ein Weg dran vorbei, an Unglück und Missgeschick. Egal, was sich auch ereignen mag. Allmacht ja, aber eine gute, eine ohne Willkür. Für die bleibt Gott ignorant. Weg mit Hokuspokus und faulem Zauber, nach dem Motto: Da muss man nur mal richtig durchgreifen! Besser noch gleich dreinschlagen. Gott nutzt andere Wege. Über Sprache und Beziehung nämlich. Gott wird also verbindlich. So wie der Dampf in der Maschine gleichen Namens kanalisiert ist. Was einem damals viel Arbeit und Energie erspart hat, die man für anderes Gutes einsetzen konnte.

Gott taut auf, das heißt: Im Gegensatz zu wildem Dampf lässt Gott sich festnageln. Und schlägt sich nieder als neues Leben aus Gott. Daran hat sogar schon Jesaja geglaubt. Ist das ein Wunder? Nach dem Manna, das aus der Kälte der Wüstennacht morgens für die hungrigen, nörgelnden Flüchtlinge niederfiel. Gott bezähmt den wilden Dampf in sich, wird cool und behält seine Tatkraft. Gott will nur das Gute ohne jedes Böse und tut alles dafür: Neues Leben aus Gott. Wenn auch immer nur wie im Gebet ums Brot Tag für Tag. Gott kennt seine Geschöpfe aus Pappenheim. Jeder ein Egoist, scheinheilig und voller Umsicht. Die natürlich nur sowohl ihre Not als auch ihre Gier kaschieren wollen. Da hilft manchmal nur das neue Leben aus Gott tröpfchenweise zu portionier´n.

Gott taut auf, das heißt: Im Gegensatz zu wildem Wasserdampf lässt Gott sich festnageln. Und schlägt sich nieder als neues Leben aus Gott. Sogar für Tote und Verstorbene. Auch das hat Jesaja mit erwartet: Neues Leben aus Gott für Tote und Verstorbene. Das ist schon eher etwas verwunderlich. Vielleicht hatte der Prophet dabei die Arche Noah im Sinn. Hier geht´s einerseits um Niederschlag, andererseits um die Erde. Mag das Wasser auch für totales Landunter sorgen, die Meere gehören zur Erde halt dazu.

Das Schicksal einer Wasserleiche ist denen in der Arche gerade erspart geblieben, oder! Doch was hatten die Schiffsleute dieser voraus außer dem nackten Überleben? Die warten auf die Flut und hocken in einem Boot, innen und außen mit Pech abgedichtet, auch den einzigen Lichtdurchlass, die Eingangstür. Im Grunde eine Art U-Boot. Leider ohne Schnorchel und Schaurohr. Muss ja so sein, sonst funktioniert das schlecht angesichts der Drohung. Wenn die Wellen derart über einen reinbrechen sollen, dass man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Diese Technik und ihr Einsatz, eine wahre Blackbox. Jedes Lebewesen da drin eigentlich nur eine Katze Schrödingers. Wie gesagt, die hocken da im Dunkeln, lassen wir mal den eigenen Mist und den der Tiere außen vor, die starren da vor sich hin und denken: Auf was habe ich mich da überhaupt eingelassen? Vielleicht geht ja draußen was anderes vor sich? Die Flut fällt vielleicht aus. Weltuntergang adieu! Oder es kommt stattdessen Hitze, die alles verbrennt. Dann glauben wir hier drin doch als erste dran! Und die wenigen, die überleben, das sind dann Leute von draußen. Andererseits, wenn ich hier jetzt anfange durchzudrehen, dann bricht vielleicht Panik aus. Und das mit all dem Raubgetier. Dann geht alles Leben hier drin erst recht den Bach runter. Wenn dann tatsächlich eine Flut käme, wäre alles vergeblich! Ok, ok, ruhig Blut, alles kommt wie zuvor gesagt. Aber was, wenn wir einige Tiere essen müssen, um die Flut zu überleben? Und überhaupt, nach der Flut, wie geht es da weiter? Alles schmierig, klebrig, feucht, alles voller Moder und Leichen. Pflanzen, Tiere, Menschen. Halte ich das aus? Werden wir hier drin das neue Draußen aushalten? Mir wird übel, schon ganz ohne Wellengang. Ja, bevor das Schiff für seine Reise durch das Wasser ablegt. Ja, ich lebe, und nein, denn ich lebe wie lebendig begraben in einem wasserdichten Sarg.

Und dann nach Tagen doch die Rettung. Lebende Leichen entkommen dem Holzsarg, der sie festnagelt. Dank Gottes Taupunkt im Menschenleben. Der Niederschlag schlägt sich dort nieder. Alles vertilgt, was tötet oder tot ist. Der Rabe, der alte Aasfresser, der macht das Bild klar. Bleibt eines Tages einfach aus, verzichtet auf die Rückkehr. Hat wohl inmitten all des Todes einen trockenen Fleck Erde gefunden, seinen ganz eigenen Friedenplatz. Der Niederschlag schlägt sich dort nieder, so dass neues Leben aus Gott entsteht. Die Taube, das alte Neustarttier, die zeigt das mit ihrem Flug. Die neue Unschuld braucht zum Überleben erst noch ein bisschen das schreckliche alte U-Boot. Bald aber kommt sie dann auf einen grünen Zweig, und schließlich allein mit sich selbst und der Welt zurecht. Gottes Taupunkt sei Dank. Jo mei, da legst di nieder, sagen die Bayern, um ihre Überraschung kund zu tun. Jo mei, da legst di nieder, sagt Gott zweimal zu sich. Das erste Mal bei der Sache im Tod. Und das zweite Mal danach, wenn alles gut ist, dann macht er nämlich Sabbath. Lässt alles gut sein, denn es läuft alles auf ein neues gutes Leben hinaus. Dank Gottes Taupunkt im Menschenleben. Amen.


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