ein schwerer tag ist dies
viele haben sich vor ihm
gefürchtet
und
keiner ist heute unter uns
der nicht zu
beklagen hätte einen menschen
einen nahestehenden
einen geliebten
zu beklagen hätte in diesem kirchenjahr
vater mutter
ehemann
ehefrau
kinder gar
freunde weggefährten
kollegen nachbarn
die schweren wunden
bei vielen noch ganz frisch
fangen neu
an zu bluten
die bilder von leben und sterben
immer noch klar und
sehr scharf
steigen aus den tiefen der seele erneut hoch
gedanken und
erinnerungen
heute vor einem jahr
wir waren noch so glücklich
da
haben wir geburtstag gefeiert
wißt ihr
letztes jahr zu
weihnachten
wer hätte es da geahnt
die drei wunderschönen
wochen in den bergen
die wanderung an der see
bilder vergangener unbeschwertheit
immer wieder
überlagert
von den schmerzhaften erfahrungen des sterbens
der plötzliche infarkt
und das fassungslose entsetzen
das lange leiden unter der furchtbaren krankheit
und die vielen
durchwachten nächte
die anonymität und kälte der apparate
das ohnmächtige zuschauenmüssen
der herzzerreissende schmerz
das mühsame einander freigeben
die bilder des leidens und sterbens und abschiednehmens
sie
sind sehr konkret
sie sind eingebrannt
in herz und hirn und seele
und nun
was nun
soll das alles gewesen sein
soll das
tatsächlich
das letzte gewesen sein
was da zu sagen war
über das geliebte vertraute leben
die zärtliche erinnerung
der schmerz
der sarg
die vielen kränze
ein familientreffen
nein
natürlich nicht
wir glauben doch alle
irgendwie
daß das nicht alles gewesen sein kann
weil denn
nicht sein kann
was nicht sein darf
daß da noch etwas kommen
muß
daß
irgendwo
doch ein gott sein muß
der
jetzt gefordert ist
aber
nicht wahr
unsere hoffnungen
sie sind
seltsam unkonkret
schwammig
allerweltsweisheiten
wie
wernichtvergessenwirdstirbtnicht
oder
erlösungistgnade
oder
dertodgehörtdochnunmalzumleben
aber mal ehrlich
ihr lieben
haben euch diese gedanken
getröstet
wirklich getröstet
haben diese gedanken tränen
getrocknet
neue hoffnung geschenkt
lebensmut neu entfacht
ich glaub das einfach nicht
mir haben sie jedenfalls nie
geholfen
ich will da auch
viel unbescheidener sein
und mich nicht
zufriedengeben
mit allerweltsweisheiten
und schwammiger
vertröstung
darum sage ich
nein
der tod gehört eben nicht zum
leben
der tod ist der unversöhnliche feind des lebens
der tod ist
das gegenteil des lebens
sich mit dem tod abzufinden heißt
schon
im leben tot zu sein
und auch wer in meinen erinnerungen lebendig ist
der ist darum doch tot
entsetzlich tot
und darum will ich
gegen
den tod protestieren
so
wie der weise christoph blumhardt sagt
im
vergangen jahrhundert schon
der christliche glaube
sagt er
ist eine
protestbewegung gegen den tod
es reicht mir auch nicht
schwammig und verquast
zu
vermuten
daß da oben wohl noch irgendetwas sein muß
irgendeine kraft halt
daß es irgendwie schon weitergeht
so
mit seelenwanderung vielleicht
oder mit großem nirwana
bei dem weisen könig salomo
vor 3000 jahren hat er gelebt
lese ich
im buch seiner weisheit
die hoffnung des gottlosen ist wie staub
wie man einen
vergißt
der nur einen tag lang
gast gewesen ist
nein
die hoffnung der gottlosen reicht mir nicht
zum leben
nicht
und zum sterben erst recht nicht
denn
die erfahrungen des
sterbens
die bilder des todes
sie sind so real
so greifbar und
stark
eingebrannt in meiner seele
da braucht es schon starke
mehr
als starke gegenbilder
sehr deutliche
sehr konkrete hoffnungsbilder
wenn sie den todeserfahrungen standhalten sollen
auf diesem hintergrund
sehe ich vor meinem inneren auge
die starken bunten hoffnungsbilder
die der prophet jesaja malt
ein
leuchtendes mutmachzeichen
für sein entmutigtes volk
ein neuer himmel und eine neue erde
klagen und weinen
verstummen
nie wieder am sarg eines kindes stehen müssen
kein
gebet prallt mehr ab
an den verschlossenen türen gottes
wolf und
schaf
feind und feind
ziehen hand in hand
arm in arm
ins
himmelreich
ins himmelarm
kein leben wird mehr leben vernichten
um
zu überleben
bosheit und gemeinheit werden aufhören zu existieren
gott selbst
so wird
500 jahre später
der seher johannes
auf der insel patmos
fortführen
wird bei ihnen wohnen
und
sie werden sein volk sein
und er selbst
gott mit ihnen
wird ihr
gott sein
und wird abwischen alle tränen von ihren augen
alles
wird neu
alles wird gut
konkrete bilder der hoffnung
im offensiven kontrast
zu den
konkreten erfahrungen des todes
diese bilder treffen mitten hinein
in unsere sehnsucht
nach leben
nach überwindung der todeserfahrungen
wir sind
darum
sehr verletzlich
sehr verführbar
an dieser stelle
das machen sich viele zunutze
die starken bilder werden
trivialisiert
die werbung lockt
mit paradiesischen angeboten
mit
himmlischen preisen
mit erlösenden erfindungen
die den himmel auf
erden versprechen
das alte ist vergangen
siehe
alles wird neu
und gemeint ist etwa ein neues shampoo
wir sind uns da sicher einig
man kann die stärksten
bilder gebrauchen
so oder so
hilfreich oder nicht hilfreich
aber
der oberflächliche gebrauch
in der werbung
oder auch in der
politik
erinnern wir uns noch an die blühenden landschaften
hat
noch niemanden getröstet
so billig ist hoffnung nicht zu haben
noch nie zu haben gewesen
denn
hoffnung hat mit geduld zu tun
mit dem mut den
schmerz auszuhalten
hoffnung ist wie ein tiefer brunnen
es macht
große mühe
die schweren eimer aus der tiefe hochzuwinden
und
die arbeit dauert ihre zeit
hoffnung heißt nicht
leichtfertig zu sagen
ach es
wird schon wieder
oder
das leben muß halt weitergehen
oder
für ihn für sie ist es besser so
hoffnung heißt
der schmerz zerreißt mir das herz
und doch
ich lasse nicht ab
nach bildern der zukunft zu fragen
um trost zu ringen
mühsam
die schweren eimer der zuversicht
emporzuwinden aus dem brunnen der hoffnung
in die gegenwart meiner
trauer
so haben die bilder des jesaja
mühsam erarbeitet
unter schmerzen angeeignet
ein ganzes volk getröstet
nicht nur
eine generation
nein mehr
sie trösten bis heute
wurden immer
wieder auf die probe gestellt
durch 2500 jahre hindurch
mußten
sich bewähren
wurden ergänzt seitdem
wurden weitergemalt
durch die lebendige erfahrung der hoffenden
und so will ich uns erinnern
an dieser stelle
an
eine
mögliche fortführung der alten hoffnungsbilder
ich will uns erinnern
wie am ostermorgen die sonne aufgeht
über jerusalem
wie die boten des himmels
das leben
verkünden
und das grab jesu leersteht
wie
entmutigte
verzweifelte
verängstigte
trauernde
zurückfinden zum
leben
wie sie ihre angst ablegen wie einen löcherigen mantel
wie
sie hinausgehen
wie schafe mitten unter die wölfe
und einer
entmutigten
verzweifelnden
verängstigten
trauernden welt
die worte des lebens bringen
wie sie predigen
die botschaft ihres
herrn und heilandes
ich lebe
und siehe
ihr sollt auch leben
ich lebe
und ihr sollt auch leben
laßt uns diesen satz
dieses bild
mit hinausnehmen
zu den gräbern unserer verstorbenen
in die häuser der
trauernden
in den schmerz unserer eigenen erinnerungen
denn
nach
gottes willen
unsere zukunft ist nicht der tod
sondern leben
prallvolles
erfülltes
eben ewiges leben
und gott wird es
mit uns leben
und mitten unter uns sein
denn
so verheißt der prophet jesaja im namen gottes
ich will mich freuen an meinem volk
und
man wird nicht mehr
hören die stimme des weinens
noch die stimme des klagens
amen
pastor matthias petersen
neuheikendorfer weg 19
24226 heikendorf
petersen.m@t-online.de
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